Achter mit Steuermann. Ruderregatten auf dem Medeweger See bei Schwerin

Archivalie des Monats Juli 2024

Die siegreiche Mannschaft des Berliner Ruderklubs „Hellas“ bei der Regatta auf dem Medeweger See am 24. Juli 1910Details anzeigen
Die siegreiche Mannschaft des Berliner Ruderklubs „Hellas“ bei der Regatta auf dem Medeweger See am 24. Juli 1910

Die siegreiche Mannschaft des Berliner Ruderklubs „Hellas“ bei der Regatta auf dem Medeweger See am 24. Juli 1910

Die siegreiche Mannschaft des Berliner Ruderklubs „Hellas“ bei der Regatta auf dem Medeweger See am 24. Juli 1910

Schwerin, die Stadt der Seen und Wälder, war schon im 19. Jahrhundert eine Hochburg des Rudersports. Seit 1883 gab es Ruderregatten auf dem Schweriner See, die sich immer größerer Beliebtheit erfreuten. Aber als die Rennboote immer schneller und immer schmaler wurden, zeigte sich bald, dass der große See sich nicht als Austragungsort für Wettkämpfe eignete. 1895 musste eine Regatta bei heftigem Westwind abgebrochen werden, da mehrere Boote gekentert waren. 1901 zerschellten bei einem Gewittersturm drei Boote, andere kenterten, und es war nur einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass keine Menschenleben zu beklagen waren. Die „Mecklenburgische Zeitung“ berichtete frustriert: „Die fremden Ruderer erklärten kategorisch, dort unter keinen Umständen wieder fahren zu wollen“.

Seit 1902 fanden die Regatten nun auf dem windgeschützten Medeweger See statt. Die verkehrstechnische Lage war günstig. Da die Bahnlinie nahe am Südufer verlief, musste nicht einmal eine neue Straße gebaut werden. Die nach Tausenden zählenden Zuschauer wurden einfach mit Sonderzügen zum Regattaplatz gebracht und nach Schluss der Veranstaltung auch wieder abgeholt. Einmal im Jahr kämpften hier jetzt Rudervereine aus ganz Norddeutschland um die Preise, die von den Angehörigen der großherzoglichen Familie gestiftet waren. Den Höhepunkt bildeten stets die Rennen im Achter mit Steuermann. Bei der Regatta am 24. Juli 1910 lieferten sich vier Boote aus Hamburg und Berlin einen erbitterten Kampf, den der Berliner Ruderklub „Hellas“ knapp vor der „Favorite-Hammonia“-Mannschaft aus Hamburg für sich entscheiden konnte. Für die 1.960 m lange Strecke benötigten die siegreichen Berliner 6 Minuten und 16 Sekunden. Zum Vergleich: heute liegt die Weltbestzeit über 2.000 m bei 5 Minuten und 18 Sekunden. Aber für die damalige Zeit war die in Schwerin erzielte Zeit schon ein hervorragendes Ergebnis. Die englischen Ruderer, die 1912 die Goldmedaille bei den olympischen Spielen in Stockholm gewannen, waren mit 6 Minuten 15 Sekunden auf der 2.000m-Strecke kaum schneller als die hier auf dem Medeweger See siegreichen Athleten. Stolz nahmen die acht muskulösen Männer und der deutlich weniger muskulöse Steuermann die von Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg gestiftete Trophäe in Empfang. Das hier gezeigte Foto der siegreichen Mannschaft wurde an den Herzog geschickt, der sich noch auf dem Rückweg von einer Asienreise befand und daher das Rennen versäumt hatte.

Der Medeweger See bot dann in der Folgezeit noch mehrere Jahrzehnte den Schauplatz großer Ruderregatten. 1923 beteiligten sich 177 Boote mit insgesamt 902 Ruderern. 1926 wurde die Rennstrecke durch Baggerarbeiten auf die vorschriftsmäßige Länge von 2.000 m verlängert, so dass im folgenden Jahr die Deutschen Meisterschaften auf dem Medeweger See ausgetragen werden konnten. In der Geschichte des Schweriner Rudersports repräsentierte dieses Ereignis sicherlich den Höhepunkt. Die letzte Regatta fand am 18. Juli 1943 statt. Danach gab es andere Prioritäten. In der Not der Nachkriegsjahre wurden die aus Holz errichteten Bootshäuser und die Tribüne von den Bewohnern der Stadt abgerissen und als Brennholz verheizt. Alle Bemühungen der Schweriner Rudervereine, die Stadtverwaltung nach 1950 dazu zu bewegen, neue Bootshäuser zu errichten und den mittlerweile ziemlich zugewachsenen See zu entkrauten, scheiterten am mangelnden politischen Willen. Die DDR war hier recht pragmatisch. Schließlich gab es in Berlin-Grünau bereits eine geeignete Regattastrecke. Eine zweite erschien nicht nötig. Für die Schweriner Ruderer war das ein harter Schlag. Die „Norddeutsche Zeitung“ bedauerte 1958 ausdrücklich die Aufhebung dieser Regattastrecke, die „jeden Fachmann in Begeisterung versetzte“. Aber alle Mühen waren vergeblich. 1963 vermerkte die Zeitung „Der Demokrat“ nur noch melancholisch: „Um den Medeweger See ist es still geworden, obgleich er als eine der schönsten Regattastrecken Deutschlands angesehen wurde“.
Und an dieser Stille hat sich bis heute nichts geändert.

Bernd Kasten

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