1419: Papst Martin V. erlaubt die Stiftung einer Universität in Rostock und stattet sie mit Privilegien aus
Archivalie des Monats November 2019
Papst Martin V. gestattet die Gründung einer Universität in Rostock. Ferrara 1419 Februar 13 (LHAS, 1.6-1, Nr. 3)
Papst Martin V. gestattet die Gründung einer Universität in Rostock. Ferrara 1419 Februar 13 (LHAS, 1.6-1, Nr. 3)
In einer feierlichen Prozession führten die beiden regierenden Fürsten Johann IV. und Albrecht V. von Mecklenburg die päpstliche Gründungsurkunde für eine Universität in Rostock am Freitag, dem 10. November 1419, in die Marienkirche der Stadt. Dort hatten sie Gelehrte versammelt, und der Bischof von Schwerin zelebrierte eine Messe. Im Anschluss daran wurde der Bischof zum Kanzler der Universität ernannt, verlas die päpstliche Errichtungsbulle und eröffnete schließlich die Hohe Schule mit ihren Privilegien und Einkünften. Das alles vermeldet einhundert Jahre später der Theologe und Geschichtsschreiber Albert Krantz (um 1448 - 1517), der selbst Student, Professor, Dekan und Rektor der Rostocker Alma Mater gewesen war. Sein glaubwürdiger Bericht zeigt, mit welcher Ehrerbietung man das päpstliche Schriftstück behandelte. Ganz so, als ob Papst Martin V. (1417-1431) persönlich nach Rostock gekommen sei. Auch der Termin der Einholung, der Vortag des Martinsfestes, scheint von den Herzögen bewusst, als Anspielung auf den Wahltag und den Namen des Pontifex, gewählt worden zu sein. Der Aufwand, den sie trieben, bot den Fürsten Gelegenheit, sich gegenüber den selbstbewussten Hansestädtern glanzvoll zu inszenieren und dabei ihre eigene Rolle bei der Universitätsstiftung herauszustreichen. Immerhin waren sie es gewesen, die den Papst zur Ausstellung des Privilegs bewogen hatten. Von sich aus wäre der Heilige Vater schwerlich auf die Idee gekommen, in Rostock oder anderswo eine Universität zu gründen. Hierzu bedurfte es eines formvollendeten Antrags, durch den ein kostspieliges und langwieriges bürokratisches Verfahren an der römischen Kurie eingeleitet wurde.
Kurialer Geschäftsgang
Zunächst hatten daher die Herzöge und dann der Bischof am 8. September 1418 je einen umfangreichen Bittbrief an den Papst verfasst. Johann IV. und Albrecht V. schilderten in ihrem Schreiben, mit welchen Baulichkeiten, wie vielen Professorenstellen und was für Rechten sie das Generalstudium ausstatten wollten, und erbaten die päpstliche Zustimmung dazu. Dem herzoglichen Brief fügten auch die Bürgermeister und Ratsherren von Rostock eine Konsenserklärung hinzu und hängten ihr Stadtsiegel daran. Bischof Heinrich II. von Schwerin ergänzte mit seinem Brief die herzogliche Absichtserklärung, indem er seinerseits versicherte, seine gerichtliche Zuständigkeit der Universitätsleitung zu übertragen und die neue Gründung finanziell zu unterstützen. Ein Jahr lang wollte er ihr den Kirchenzehnten und einen Teil der Einkünfte aus Pfründen zur Verfügung stellen.
Die beiden Bittbriefe erreichten den Papst nicht in Rom, wo er erst 1420 eintraf, sondern in Norditalien. Nur bis dort war er seit dem Ende des Konstanzer Konzils (1414-1418) gekommen, auf dem durch seine Wahl am 11. November 1417 die jahrzehntelange Spaltung der Christenheit, das Große Abendländische Schisma, beendet worden war. Bevor man dem Papst das umfangreiche Antragsschreiben der Herzöge vorlegte, mussten dessen konzeptuellen Darlegungen von einem Prokurator in eine form- und kanzleigerechte Bittschrift, eine Supplik, verwandelt werden. Obwohl Martin V. bereits dieser herzoglichen Bitte grundsätzlich zustimmte, war anschließend noch ein zweiter Anlauf mit einer weiteren Supplik nötig. Erst diese zweite Fassung, deren Wortlaut in den kurialen Registern erhalten ist, genehmigte der Papst am 13. Februar 1419 in Ferrara. Die Bestätigungsurkunde trägt zwar ebenfalls dieses Datum, wurde jedoch wahrscheinlich erst im März 1419 in Florenz ausgehändigt.
Inhalt der Stiftungsbulle
Damit gewährte Martin V. den künftigen Rostocker Scholaren und Magistern dieselben Rechte und Privilegien wie denjenigen in Köln, Wien und Leipzig, gestattete aber routinemäßig ausdrücklich nicht, eine Theologische Fakultät einzurichten. Antragsgemäß ernannte er den Schweriner Bischof zum Universitätskanzler und den Rostocker Archidiakon zum Vizekanzler. Die Universitätsmitglieder unterstellte er der Gerichtsbarkeit des Rektors und nahm sie zugleich aus derjenigen der Herzöge und der Stadt heraus. Nur bei Kapitalverbrechen sollten die Täter ihrem Stand gemäß entweder der bischöflichen oder der weltlichen Rechtsprechung übergeben werden. Im Hinblick auf die materielle Ausstattung forderte der Papst die Herzöge, ihre Nachfolger oder andere geeignete Parteien dazu auf, für die Bereitstellung von Gebäuden und Einkünften zu bürgen.
Rätselraten um die Anzahl der Ausfertigungen
Lange Zeit ging die Forschung irrigerweise davon aus, dass drei bis vier Ausfertigungen der Stiftungsbulle existiert haben, für jede an der Gründung beteiligte Partei eine. Demnach hätte es eine für die Fürsten, eine für den Schweriner Bischof, eine für den Rat der Stadt Rostock und eine für das Konzil der Universität gegeben. Als alleinige Supplikanten waren jedoch vor dem Papst die Herzöge aufgetreten. Berücksichtigt man den kurialen Geschäftsgang, so wird klar, warum sich das einzige erhaltene Original der Stiftungsbulle seit sechshundert Jahren im heutigen Landeshauptarchiv in Schwerin, dem vormaligen Geheimen und Hauptarchiv des Herzogtums Mecklenburg-Schwerin, befindet.
Prof. Dr. Wolfgang Eric Wagner
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