Domweihe in "wüster Einöde"

Archivalie des Monats September 2021

Urkunde mit dem Siegel Heinrich des Löwen anlässlich der Weihe des Schweriner Doms 1171 (Quelle: LHAS, 1.5-2/3, Nr. 1a)Details anzeigen
Urkunde mit dem Siegel Heinrich des Löwen anlässlich der Weihe des Schweriner Doms 1171 (Quelle: LHAS, 1.5-2/3, Nr. 1a)

Quelle: LHAS, 1.5-2/3, Nr. 1a

Quelle: LHAS, 1.5-2/3, Nr. 1a

Im September 1171, also vor genau 850 Jahren, kamen mit Heinrich dem Löwen, dem damals mächtigsten Mann Norddeutschlands, und seinem Gefolge auch diverse Geistliche mit zwei Bischöfen an der Spitze in Schwerin zusammen. Anlass war die Weihe des Schweriner Doms. Um die sächsische Herrschaft im militärisch eroberten Obotritenreich zu etablieren und zu festigen, spielten die "Wendenbistümer" Lübeck, Ratzeburg und Schwerin eine wichtige Rolle. Wobei der Missionsgedanke offenbar nicht unbedingt im Vordergrund stand: Der Chronist Helmold von Bosau beklagt, bei den verschiedenen militärischen Unternehmungen des Herzogs gegen die Slawen sei nie vom Christentum, sondern immer nur von Geld die Rede gewesen. Heinrich wollte seinen Herrschaftsbereich ausdehnen und finanzielle Ressourcen erschließen.

Mit dem Tod Niklots und der Niederlage der Obotriten 1160 war der Mecklenburger Bischofssitz von der Burg Mecklenburg nach Schwerin verlegt worden. Berno, ein Zisterziensermönch aus Amelungsborn, der als Missionar in Mecklenburg unterwegs war, wurde von Heinrich zum Bischof erhoben. An der feierlichen Domweihe in Lübeck 1163 nahm er als Bischof von Schwerin teil. Im Bistum Ratzeburg waren schon die Grenzen des Sprengels festgelegt. In Schwerin ging es nicht recht voran, weil immer wieder Kämpfe aufflackerten, hinter denen Niklots Söhne steckten. Wartislaw wurde von Heinrichs Leuten bei Werle 1163 gefangen genommen und später hingerichtet, Pribislaw suchte sich Verbündete in Pommern, die in der Schlacht bei Verchen am Kummerower See aber 1164 geschlagen wurden. Erst als Heinrich der Löwe 1167 den Ausgleich mit Pribislaw suchte und ihm das väterliche Erbe mit Ausnahme der Grafschaften Schwerin und Ratzeburg zu Lehen gab, kehrte Ruhe ein. Pribislaw nahm das Christentum an.

Damit waren die Voraussetzungen geschaffen, auch dem Bistum Schwerin eine feste wirtschaftliche Grundlage zu geben. Das geschah am Tag der Domweihe, dem 9. September 1171, durch eine Urkunde des Herzogs, die sich bis heute im Schweriner Landeshauptarchiv im Original erhalten hat. Sie gilt als unzweifelhaft echt und ist durch das Reitersiegel des Herzogs bekräftigt.

In ihr findet sich eingangs die Formulierung: "Wir geben daher allen Gläubigen Christi jetziger wie künftiger Zeit kund, dass wir zum Heile unserer Seele und der unserer Vorfahren zur Ausbreitung der christlichen Religion in den Slawenländern jenseits der Elbe, einem Ort des Schreckens und wüster Einöde, drei Bistümer errichtet haben…" Das klingt gruselig. Auch wenn ein Bibelzitat zugrunde liegt, so ist doch deutlich, dass für den Verfasser des Urkundentextes Schwerin nicht wie heute in einem einladenden Urlaubsland, einem "Land zum Leben" lag, sondern in einer trostlosen und gefährlichen Gegend, die man besser mied. Heinrich, Propst des Bremer Stephanistifts, der als Verfasser der Urkunde genannt wird, kam aus einer Stadt, die seit 400 Jahren Bischofssitz war. Das war eine andere Welt.

Wie für Lübeck und Ratzeburg wurden für das Bistum Schwerin 300 Hufen bereitgestellt, die die Urkunde spezifiziert, außerdem zwei Dörfer und zwei Höfe aus dem persönlichen Besitz des Herzogs. Der Bischof und das Domkapitel, das hier erstmals erwähnt wird, sollten sich die Einkünfte teilen. Die Rechte der Schweriner Pfarrei kamen hinzu, der Schweriner Schiffszoll, der – wie man später erfährt -, bei Plate erhoben wurde, und verschiedene Zehntrechte. Man rechnete mit dem künftigen Anwachsen der Zehnteinkünfte und legte fest, dass Überschüsse dann in Absprache zwischen Herzog, Bischof und den Grafen von Schwerin und Ratzeburg für andere fromme Zwecke Verwendung finden sollten.

Die Einnahmen aus den beiden Dörfern und Höfen aus dem persönlichen Besitz des Herzogs sollten für sein Totengedenken eingesetzt werden, indem sie an seinem Todestag zu je einem Drittel den Domherren und den Armen ausgeteilt wurden, das letzte Drittel aber am Tag der Domweihe, also am 9. September, an die Domherren.

Die Reihe der Urkundenzeugen wird angeführt von Evermod, Bischof von Ratzeburg, und Berno, Bischof von Schwerin. Es fehlen der Bischof von Lübeck und der Erzbischof von Bremen, der an der Lübecker Domweihe 1163 auf Bitten des Herzogs teilgenommen hatte. Auch Prälaten der Domkapitel von Bremen und Hamburg sucht man vergebens. Die genannten geistlichen Urkundenzeugen – ein Propst, ein Kapellan, ein Magister – werden dem Gefolge des Herzogs zuzurechnen sein. Es war ganz klar der Herzog, der diesen Weiheakt prägte – im wahrsten Sinne des Wortes, wenn man an das Siegel unter der Urkunde denkt. Dem Gefolge fehlte es sonst nicht an Glanz: Mehr als ein halbes Dutzend Grafen und Herren werden aufgezählt, mit Kasimar von Demmin und Pribislaw von Kessin auch slawische Große, und natürlich war der Chef des Hofstaats, Truchsess Jordan von Blankenburg, dabei.

Die Urkunde von 1171 als grundlegendes Dokument für Bischof und Domkapitel von Schwerin hat im Nachhinein Ergänzungen und Zusätze erfahren, die Urkundenforscher als "Verunechtungen" oder schlicht "Fälschungen" bezeichnen. Eine solche "aktualisierte" Fassung ist 1211 sogar von Kaiser Otto IV. mit seiner Goldbulle geadelt und bekräftigt worden – besser ging es nicht. Aber das soll nicht mehr unser Thema sein.

Dr. Andreas Röpcke

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