Neue Erkenntnisse zur Schmiedestraße 15 in Schwerin

Denkmal des Monats Mai 2018

Abb. 1. Landeshauptstadt Schwerin, Schmiedestraße 13 - 15, Wohn- und Geschäftshäuser, 2015.Details anzeigen
Abb. 1. Landeshauptstadt Schwerin, Schmiedestraße 13 - 15, Wohn- und Geschäftshäuser, 2015.

Abb. 1. Landeshauptstadt Schwerin, Schmiedestraße 13 - 15, Wohn- und Geschäftshäuser, 2015.

Abb. 1. Landeshauptstadt Schwerin, Schmiedestraße 13 - 15, Wohn- und Geschäftshäuser, 2015.

Die markanten Fachwerkhäuser Schmiedestraße 13 und 15 bilden das Tor zur Bischofsstraße (Abb. 1). Beide zeigen noch die Formen der Spätrenaissance, doch während die Nr. 13 nur als ein relativ kleines, zweigeschossiges Giebelhaus errichtet wurde, erhebt sich das traufständige Haus Nr. 15 gleich dreigeschossig, oder korrekter: zweigeschossig mit aufgesetztem Stockwerk. Denn es handelt sich um die nur noch selten im Land erhaltene Bauform eines Ständergeschoßbaues mit aufgesetztem Speicherstock. In Parchim und Perleberg finden wir noch einige Vergleichsbauten dieses ehemals beliebten Haustyps.
Nachdem die Altstadt von Schwerin beim Stadtbrand von 1651 zu großen Teilen vernichtet wurde, kam es zu zahlreichen Veränderungen im Stadtgrundriss. Aus dieser Zeit haben sich nur noch wenige Zeugen erhalten, am prominentesten wohl die beiden Gebäude in der Schmiedestraße. Gleich der Nr. 13 konnte nun auch das Gebäude Nr. 15 in die ersten Jahre des Wiederaufbaues datiert werden. Aufgrund der Fälldaten des untersuchten Dachwerks von 1655d ist von einer Aufrichtung im Jahre 1656 auszugehen. Damit gehört es wie sein Gegenüber (unmittelbar nach dem Stadtbrand errichtet) zu den späten Vertretern einer tradierten Fachwerkbauweise, wie wir sie aus dem Spätmittelalter und der Renaissance kennen (Burgstr. 2 von 1688d und Puschkinstr. 20 von 1698d beschließen diese Reihe). Markant erscheint die Eckfassade, ursprünglich durch kleinteilige Gefache und zahlreiche Fußbänder gegliedert (Abb. 2-3). Ähnliches kann man für die Längsseite in der Schmiedestraße vermuten, doch hier wurde das Fachwerk im Verlauf des 18. Jahrhunderts völlig erneuert, zugunsten einer vollständigen Wohnnutzung, im Erdgeschoß später dann Ladennutzung. Erhalten haben sich die vorkragenden profilierten Balkenköpfe und die reichen Füllhölzer dazwischen. Jedoch stellte sich vieles, bei näherer Betrachtung vom Gerüst aus, als Reparatur bzw. neuzeitliche Ergänzung mit Hilfe von profilierten Brettern heraus (Abb. 4). Aufgrund der zahlreichen, dick aufgetragenen Anstriche ergab dies jedoch ein einheitliches Bild.
Die Reparaturen stammen vermutlich aus dem frühen 20. Jahrhundert, als es auch im Dach zu größeren Sicherungsmaßnahmen kam (1908d), das verwendete feinjährige Kiefern- und Fichtenholz stammt jeweils aus Schweden. Ein weiterer Teil dürfte einer Fassadenverschönerung der 1930er Jahre entstammen (frdl. Mitteilung Jörg Moll, Stadtarchiv Schwerin). Im obersten Zwickel des Schaugiebels kamen bei den Sanierungsarbeiten sogar noch zwei geschweifte Zierhölzer zum Vorschein (Abb. 5), die Schaufassade zur Bischofsstraße hin selbst war aufwendiger gestaltet als heute (Abb. 6).

Die Aufnahme der Abbundzeichen im Dachwerk brachte zusätzlich eine Merkwürdigkeit ans Licht: Es fehlen noch 2 Gebinde auf der Nordseite! Bei einem durchschnittlichen Gespärreabstand von über zwei Metern ist das Haus also eines namhaften Teiles verlustig gegangen. Durch ein geöffnetes Fenster war es jedoch möglich, im Obergeschoß des Nachbarhauses Nr. 17 das Fachwerk einer früheren Außenwand zu erkennen (Abb. 7). Die Wand steht mitten im Raum, in der heutigen Fensterachse, und zeigt ältere Eichenständer - ein Hinweis darauf, dass es sich um eine Außenfassade gehandelt haben muss. Der fehlende Wechsel vom Ständerbau zum Speicherstock, der sich eigentlich in dieser Lage befinden müsste, legt einen baulichen Zusammenhang mit dem älteren und schmaleren Vorgängerbau der Nr. 17 nahe. Die neoklassizistische Putzfassade stammt erst von 1926 (Abb. 8), davor gab es hier auch nur Fachwerk. Die beiden Grundstücke gehörten bis 1851 zusammen und wurden anschließend im Zuge eines Erbstreits geteilt (Informationen von Jörg Moll, Stadtarchiv Schwerin). Das würde auch die merkwürdige Hausaufteilung erklären.

Die ursprüngliche Dimension des Hauses betrug also 8 Gebinde (7 Fach), das entspricht exakt der Ausdehnung des Hauses in der Perleberger Wollweberstraße 11 von 1607d (Sommerfällung). Ob es ähnlich, wie dort angenommen, eine Teilung in handwerkliche und Wohnnutzung gegeben hat, ist bisher nicht bekannt. Auch das Perleberger Haus ist in seinem Bestand heute reduziert, die Straßenfassade teilweise in den 1930ern rekonstruiert und die Fenster inzwischen in stehenden statt liegenden Formaten ausgeführt, was sich an veränderten Riegellagen bemerkbar macht.
Das Dachwerk der Schmiedestraße 15 ist als doppeltes Kehlbalkendach über einem mittig stehenden Stuhl konstruiert, der zu den Giebeln hin (Firstsäulen) das Dach durch weitere lange Streben (Steigbänder) aussteift (Abb. 9-11). Alle Hölzer sind bereits gezapft. Die Gebindezählung beginnt also im Westen, erhalten sind noch fünf Originalgespärre aus Eichenholz teilweise aber auch Kiefernholz. Auf der Südseite zählen Fähnchen (dreieckige Ausstiche, Abb. 12), auf der Nordseite Beilhiebe (Abb. 13), beide im römischen System. Die Stuhlsäulen zählen auch von West nach Ost, jedoch einzeln als Säulen und nicht jedes Bauglied inkl. Kopfbänder, wie es später üblich ist. Erhalten sind die Säulen III-V. Das 6. Gebinde entstammt einer jüngeren Veränderung, möglicherweise im Zusammenhang mit der genannten Grundstücksteilung. Aufgrund von zu wenigen Jahrringen wurde von einer Datierung der Kiefern abgesehen.

Die Bedeutung des Hauses Schmiedestraße 15 ist deshalb so groß, weil es einerseits zur ersten Wiederaufbau-Generation nach dem großen Stadtbrand von 1651 und damit zum ältesten Bestand der Altstadt gehört, und weil es andererseits der letzte Vertreter eines großen frühneuzeitlichen Haustyps aus Ständerbau und aufgesetztem Speicherstock in Schwerin ist. Neben Perleberg mit dem ältesten Vertreter von 1525d (Großer Markt 4), dem erwähnten Haus Wollweberstr. 11 von 1607d oder auch Schuhmarkt 1 von 1618d (frdl. Mitteilung Gordon Thalmann) gibt es solche Häuser vor allem noch in Parchim (Lindenstraße 55 von 1604i oder Lindenstraße 52 von 1583i) und in Güstrow (Domplatz 17 von 1658d, in Massivbauweise Gleviner Straße 1 von 1618d/1634d) bzw. als Fachwerk mit massiver Fassade Gleviner Str. 3 (1598d, durch Brandstiftung vernichtet 2017). Meinem Kollegen Torsten Rütz verdanke ich den Hinweis auf diese Tendenz zur Dreigeschossigkeit in Greifswald, die sich als Befund an einigen Brandmauern des 16. Jahrhunderts ablesen lässt. Aber auch das vereinzelte Auftreten wie in Rehna, Gletzower Straße 15 von 1569d zeigt, dass wir es mit einem relativ unbekannten Haustyp zu tun haben, dessen Erforschung noch ganz am Anfang steht.

Tilo Schöfbeck

Verwendete Literatur

Erhardt, Günter: Fachwerkbauten in Mecklenburg-Vorpommern und der Prignitz, in: Fachwerkbauten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen. Untersuchungen zur Bauentwicklung und Formenentwicklung des Fachwerks und zum heutigen Bestand in den fünf neuen Bundesländern, hrsg. von Hans-Hartmut Schauer, Berlin 1992, S. 9-47.

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