"Gestorben wird immer" - die Trauerhalle auf dem Waldfriedhof in Schwerin

Denkmal des Monats Januar 2020

Abb. 1. Schwerin, Landeshauptstadt, Waldfriedhof, Trauerhalle, Hauptfront, 2016.Details anzeigen
Abb. 1. Schwerin, Landeshauptstadt, Waldfriedhof, Trauerhalle, Hauptfront, 2016.

Abb. 1. Schwerin, Landeshauptstadt, Waldfriedhof, Trauerhalle, Hauptfront, 2016.

Abb. 1. Schwerin, Landeshauptstadt, Waldfriedhof, Trauerhalle, Hauptfront, 2016.

Der flapsige Sinnspruch, der das Tabu des Todes spielerisch umgeht, indem er das Bestattungswesen und dessen Einrichtungen und Betriebe als finanziell krisensicher beschreibt, hat die Marktwirtschaft als gesellschaftlichen Hintergrund. In dem der Zukunft zugewandten Sozialismus der DDR und in dessen Bauwesen spielte der Tod als Bauaufgabe, wenn überhaupt, nur eine randständige Rolle. In den Planungen für aufzubauende oder neue Städte fanden mit dem Tod verbundene Einrichtungen erst sehr spät Berücksichtigung.

Eine Entdeckung in der Denkmallandschaft Schwerins, geprägt durch Bauten der Residenz samt Schloss und Gärten, stellt die 1969 errichtete Trauerhalle des in dieser Zeit angelegten Waldfriedhofs der ehemaligen Bezirks- und heutigen Landeshauptstadt dar. Sie betrifft ein Bauwerk, das nicht nur aufgrund seiner Funktion eine Ausnahme darstellt. Bis auf wenige Einzelfälle, so in Erfurt und Schwedt, wurde Bauten auf Friedhöfen in der DDR kaum Wichtigkeit zugemessen. Auch in seiner außergewöhnlichen Gestaltung, der künstlerischen Ausstattung sowie aufgrund der Tatsache, dass der Entwurf von einer Frau stammt, ragt das Bauwerk hervor.

Eva-Maria Hetzer (1933-2010), leitende Architektin im volkseigenen Betrieb Hochbauprojektierung Schwerin, plante die Trauerhalle als eine strenge Blockform im leicht ansteigenden Gelände. Der ankommende Besucher erlebt plastisch hervortretende Quader aus geschaltem, grobkörnigen Sichtbeton vor einer Fassade aus wuchtigen, schräg gesetzten Pfeilerscheiben mit einer abstrakt anmutenden Ausfachung durch quadratische Fenster und einer Rahmung aus Backsteinflächen. Prinzipien der norddeutschen Backsteintradition stehen in Kontrast zu geometrischen Grundformen und Materialien, die an die innovativen und Generationen von Architekten beeinflussenden Werke von Le Corbusier (1887-1965) erinnern (Abb. 1-3).

Im Inneren führt eine aus geometrischen Grundformen zusammengefügte Treppe nach oben in den Saal (Abb. 4). Dort sorgen schräge, im Winkel von 45 Grad ausgerichtete Wandöffnungen zwischen den Pfeilerscheiben für den inszenierten Lichteinfall nach vorne (Abb. 5). Insgesamt handelt es sich um den gelungenen Versuch, durch sowohl expressive, poetische und abstrakte als auch heimatliche und vertraute Gestaltung dem die alltägliche Erfahrung übersteigenden Ereignis des Todes mit den Mitteln der Architektur und Landschaftsgestaltung künstlerischen Ausdruck zu geben.

Für den Ort, an dem die Trauernden nach der Feier aus diesem Bauwerk heraustreten und auf den weitläufigen, vom Landschaftsarchitekten Gerhard Apelt (*1933) gestalteten Friedhof blicken (Abb. 6), war innerhalb des Gesamtkonzepts durch den Bildhauer Wieland Förster (*1930) eine etwa zwei Meter hohe Bronzefigur geschaffen worden (Abb. 7). Sie kam auch zur Aufstellung, was die Presse zur Einweihung des Friedhofs ausführlich vermerkte, sollte jedoch nur für kurze Zeit dort verbleiben. "Das Kunstwerk", so die Norddeutsche Zeitung im Juni 1970, "stellt einen Mann dar, der die Mitte des Lebens überschritten hat und in seinem Schritt innehält, um seinen Lebensweg zu überschauen. … Die ganz nach vorn gerichtete Gestalt stellt sich mit gesammeltem Ernst der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit, die sein Wirken bestimmt."

Wenige Wochen später wurde das Werk auf Veranlassung des 1. Sekretärs der SED-Bezirksleitung, Bernhard Quandt (1903-1999), wegen angeblich antisozialistischer, inhumaner, menschenfeindlicher Aussage demontiert, kam in den Keller und sollte eingeschmolzen werden. Durch Proteste, unter anderem von Künstlern wie Jo Jastram (1928-2011) und Otto Niemeyer-Holstein (1896-1984), wurde die Vernichtung des Werkes verhindert. Die Figur kam in das Depot des Staatlichen Museums Schwerin, konnte erstmals 1974 wieder gezeigt werden und ist heute an der Gertrudenkapelle in Güstrow aufgestellt. Für die künstlerische Gesamtheit, in der die expressive und poetische Kraft abstrakter Formen in Sichtbeton und ein außerordentliches Werk figurativer Bildhauerkunst zusammengeführt werden sollten, stellt die bis heute andauernde Demontage einen großen Verlust dar.

Dr. Jörg Kirchner

Karte Waldfriedhof Schwerin

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