Schiffskehlen und Wellen aus Backstein am Gutshaus Groß Salitz, Landkreis Nordwestmecklenburg

Denkmal des Monats Oktober 2023

Abb. 1: Groß Salitz, Lkr. Nordwestmecklenburg, Gutshaus, September 2020Details anzeigen
Abb. 1: Groß Salitz, Lkr. Nordwestmecklenburg, Gutshaus, September 2020

Abb.1: Groß Salitz, Lkr. Nord­west­mecklenburg, Gutshaus, September 2020

Abb.1: Groß Salitz, Lkr. Nord­west­mecklenburg, Gutshaus, September 2020

Südwestlich von Gadebusch liegt der Kirchort Groß Salitz, der schon im Jahre 1230 im Ratzeburger Zehntregister erstmals urkundlich erwähnt wird, damals in der Schreibweise „Zadewalz“. Schon im Jahre 1326 wird im Mecklenburgischen Urkundenbuch (Urkunde Nr. 4738) auch erstmals die für den Ort über Jahrhunderte prägende Familie von Lützow als besitzend in Groß Salitz genannt. Das heute noch erhaltene Gutshaus in Groß Salitz ist um einiges jünger und zählt dennoch zu den ältesten in der Region erhaltenen. Im Zuge der laufenden Restaurierungs- und Sanierungsmaßnahmen konnten zum Gebäude einige neue bauhistorische Erkenntnisse gewonnen werden.

Das Gutshaus Groß Salitz steht auf nach Norden erheblich abfallendem Gelände, dessen Senke einen Graben bzw. Teiche bilden. Diese Struktur wird aus archäologischer Sicht als Relikt einer mittelalterlichen Hofbefestigung angesehen und legt damit nahe, dass am Ort die Tradition als herrschaftlicher Wohnplatz weit über das heute vorhandene Gebäude zurückreicht. Später wurden die Gräben in den Gutsgarten gestalterisch einbezogen. Der Geländesprung wurde geschickt für eine Teilunterkellerung im rückwärtigen Bereich genutzt. Über diesem massiv errichteten gewölbten Keller beziehungsweise im südlichen Teil Sockel erhebt sich ein Fachwerkbau von zwei Etagen mit hohem Walmdach. Besonders ins Auge fallen dabei Merkmale älterer Bauwerke wie das vorkragende Obergeschoss mit der gekehlten Zierform der Schwellbalken, oft als Schiffskehle bezeichnet, sowie in ungewöhnlicher Weise ausgemauerte Gefache. Die Backsteine sind hier statt in den gewohnten horizontalen Schichten auch senkrecht stehend, als Zickzack oder wellenartig auf- und absteigend dekorativ versetzt worden. Der Fassade wird so eine flächige individuelle Gestaltung verliehen, die sich in den Rahmungen der konstruktiven Fachwerkhölzern erstreckt.

Teilweise reicht die Geschichte dieser Motive bis ins 16. Jahrhundert zurück, sie wurden jedoch im späten 17. Jahrhundert immer noch verwendet. Die kräftigen Fußbänder und Schiffskehlen, die zur Kante ausgezogen wurden, finden sich zum Beispiel schon am Speicherbau des Domhofs in Schwerin von 1574(i). Dekorative Zierausfachungen sind ebenfalls auch schon an älteren Bauten nachweisbar, wie beispielsweise an der Kirche Zierzow von 1572(i), wirken aber länger nach, wie das auf das Erbauungsjahr 1669 datierte Gutshaus Walsmühlen zeigt. Ebenfalls noch bis in die Zeit um 1700 anzutreffende Formen sind die Vorkragung des Oberstockes und Art der Profilierung der Balkenköpfe mit einfacher kräftiger Wulst mit oberer und unterer Platte, wie sie ähnlich auch am wenige Kilometer von Groß Salitz entfernten Gutshaus Ganzow (Kernbau 1688(d), dort die Form ergänzt um eine Kehle) nachweisbar sind. Klarheit zur Datierung konnte nun die bauhistorische Untersuchung durch Gordon Thalmann schaffen, die durch dendrochronologische Untersuchung das Erbauungsjahr 1685 ermittelte.

In den nachfolgenden Nutzungsgenerationen als Gutshaus erfolgten keine größeren Veränderungen am Erscheinungsbild des Gutshauses, abgesehen von der Veränderung von Fenstern und deren Brüstungen. Erheblich schwerer wog der schmerzliche Verlust der Erdgeschossfassade auf der Südseite im Jahre 1974. Mit dem Abbruch des Fachwerks in diesem Bereich und Ersatz durch Klinkermauerwerk in strukturell dem historischen Bestand zuwiderlaufender Aufteilung der Fenster und Türen erfuhr der Bau eine entstellende Überformung. Glücklicherweise unterblieben weitere wesentlich verändernde Eingriffe und das Haus überdauerte, genutzt unter anderem als Konsum, die DDR-Jahre und die Zeiten bis weit nach der Jahrtausendwende (Abb. 1). Nach vorherigen ins Stocken geratenen und nicht denkmalgerechten Sanierungsansätzen erwarb im Jahr 2019 Susanne Sohayegh das Baudenkmal.

Nach sorgfältiger Vorbereitung und Planung begann die denkmalgerechte Sanierung ab 2021 in einem ersten Bauabschnitt an der Ostfassade. Hier konnten beispielhaft alle Strategien für den Umgang mit Holz und Mauerwerk entwickelt und abgestimmt werden, wie sie dann an allen weiteren Fassadenabschnitten des Gebäudes angewendet werden sollten. Aufbauend vom Sockel musste an der Ostfassade das Mauerwerk der Südostecke wegen starker Verformung in der Länge von ca. 3 Metern neu aufgesetzt werden. Dabei zeigte sich, dass unter anderem der Grund für den Schaden in der Mehrschaligkeit des Mauerwerks bestand. Das optisch robust erscheinende Mauerwerk aus großformartigen Feldsteinen erwies sich als nur in den äußeren Schalen massiv, besaß jedoch einen Kern aus lediglich in Lehm gebundenen kleineren Steinen. Durch die Sanierung mit Wiederherstellung des Verbundes der Schalen konnte die Tragfähigkeit des Sockels wieder erreicht werden (Abb. 2-4).

Das Eichen-Fachwerk der Ostfassade erwies sich trotz verschiedener Veränderungen und Schädigungen als gemessen am Baualter in überwiegend gutem Zustand. Die vorhandene Bausubstanz konnte erhalten und durch die Zimmerei Thomas Stüwe in gleicher Dimension und Holzart kleinteilig repariert werden (Abb. 5-6). Lediglich die Schwelle musste vollständig erneuert werden, wobei Rücksicht auf die vorhandene Verformung des Fachwerks der Fassade im erhaltenen Bestand zu nehmen war, um eine harmonische optische Einfügung zu erzielen. Die vorhandenen, über die lange Standzeit des Gebäudes eingetretenen Verformungen wurden bewusst als Bestand akzeptiert und die Schwelle in drei miteinander durch Hakenblätter verbundenen Einzelstücken eingefügt. Im Rahmen der Sanierung wurden einige verlorengegangene konstruktive Bauteile des Fachwerks, wie Brüstungsriegel und Fußbänder, wiederhergestellt. Dadurch treten die Systematik und die harmonische Gestaltung der Architektur des 17. Jh. wieder deutlicher hervor (Abb. 7-9).
Im oberen Stockwerk konnten bauhistorisch Spuren der beiden ältesten Fenstergenerationen nachgewiesen werden, die regionaltypisch nach außen öffneten (Abb. 10). In der Erbauungszeit waren die Fenster mittels Falzen direkt ins Fachwerk eingesetzt. Von der zweiten Generation war, nachträglich vermauert, ein Zargenfenster mit Pfosten-Kämpfer-Kreuz erhalten. Es diente Tischler Andreas Möller als Vorbild für die getreue Nachbildung, ergänzt um Flügel mit Einfachverglasung und Sprossenteilung. Die Farbigkeit in hellem Grau folgt den Befunden der restauratorischen Untersuchung von Björn Scheewe (Abb. 11).

Partiell hat sich an der Ostfassade die Zierausmauerung im bauzeitlichen Versatz erhalten, so dass auch die Art der Verfugung und damit deren technische Beschaffenheit sowie optische Erscheinung nachvollzogen werden konnte. Soweit der Zustand des Fachwerkes es erlaubte, wurden die Gefache einschließlich Verfugung im Bestand bewahrt. Der befundete Kalk-Gips-Mörtel wurde gemäß der historischen Zusammensetzung detailliert nachgestellt. Neben dem Material stellt auch die Gestaltung der Fuge eine Besonderheit dar, die einen Eindruck der architektonischen Erscheinung des Baus um 1685 vermitteln kann. Das Verfugungsmaterial war gleichmäßig glatt über die Flanken der Backsteine ausgestrichen und es ergab sich eine mehr oder minder ebene Oberfläche innerhalb der Gefache. Durch die Firma Beutling konnte nach mehreren Probeflächen zur Bemusterung die Technik zur getreuen Ergänzung nach historischem Vorbild gefunden und ausgeführt werden (Abb. 12-14).

Mit dem zweiten Bauabschnitt ab 2022/23 an der Südfassade konnte neben der Reparatur am oberen Stockwerk nun auch die abschnittweise Wiederherstellung der erdgeschossigen Fachwerkkonstruktion beginnen. Leider zeigten sich, wie erwartet, an den Balkenauflagern und Schwellen des Oberstocks Holzschäden, die wohl auch auf das zementverfugte Massivmauerwerk des Erdgeschosses zurückzuführen sind. So mussten auch einige der Schiffskehlen, die den Übergang zum Oberstock dekorativ prägen, erneuert werden. Sie waren zwar dem Abbruch der 1970er Jahre nicht zum Opfer gefallen, aber der jahrzehntelangen Durchfeuchtung, halb eingemauert in Zementmörtel (Abb. 15-20).

Dank historischer Fotos ist die Gestalt des verlorenen Fachwerkgefüges vollständig nachvollziehbar (Abb. 21). Unter der fachlichen Begleitung des Statikers Cornelius Back konnten - auch unter den Bedingungen heutiger Anforderungen an Bauwerke - erste Achsen des Fachwerks in gleichem Material, Dimensionen und Verbindungstechnik inzwischen wiederhergestellt werden. Die Ausbildung der Gefache wird in der Technik und der Gestaltung dem folgen, wie es an der Ostfassade schon erfolgreich für das Gutshaus Groß Salitz erprobt wurde. Ebenso wie an der Ostseite sowie der noch in der Zukunft zu bearbeitenden Fassade nach Norden sollen auch die fotografisch dokumentierten Zierausmauerungen wieder hergestellt werden. Die Fertigstellung der prägenden Südfassade als der Hauptfront zum ehemaligen Gutshof wird die repräsentative Wirkung des Baus wieder deutlicher hervortreten lassen (Abb. 22).

Die bisherigen Baufortschritte sind auch der großzügigen finanziellen Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sowie der Gerlind und Ernst Denert-Stiftung zu verdanken.

Sönke Borgwardt, Architekt, und Sabine Schöfbeck, Konservatorin

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