Das Gutshaus und der Marstall in Broock - ein Werk Friedrich August Stülers in Vorpommern

Denkmal des Monats Januar 2018

Abb. 1. Broock, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Ortslage (Meßtischblatt der Preußischen Landesaufnahme von 1886).Details anzeigen
Abb. 1. Broock, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Ortslage (Meßtischblatt der Preußischen Landesaufnahme von 1886).

Abb. 1. Broock, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Ortslage (Meßtischblatt der Preußischen Landesaufnahme von 1886).

Abb. 1. Broock, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Ortslage (Meßtischblatt der Preußischen Landesaufnahme von 1886).

In der reizvollen Landschaft des Tollensetals liegt die Gutsanlage in Broock bei Alt Tellin im Landkreis Vorpommern-Greifswald, eine Anlage, die in einer seltenen Vollständigkeit erhalten geblieben ist. Der Gutshof des ehemaligen Gestüts verkörpert in seiner Struktur eine spätbarocke symmetrische Anlage mit dem Gutshaus im Zentrum und sechs vorgelagerten Wirtschaftsgebäuden um eine mit Lesesteinen gepflasterte Hoffläche, eingebettet in einen Landschaftspark und in die umgebende Landschaft (Abb. 1-2).

Die Geschichte des Rittersitzes Broock beginnt mit der Ersterwähnung eines Lehen der Buggenhagen im Jahr 1422. Die Broocker Burg beschützte einen strategisch wichtigen Übergang über die Tollense. Nach mehreren Besitzerwechseln im 17. Jahrhundert kamen die Broocker Güter im 18. Jahrhundert als Lehen an den Kaufmann Christian Linden, der schon vor dem Nordischen Krieg als Großhändler in Stettin ein bedeutendes Vermögen und hohes Ansehen besaß. Er hatte sich große Verdienste um die Krone Schwedens erworben und wurde daraufhin 1705 vom schwedischen König Karl XII. mit dem Broocker Güterkomplex und dem Gut Hohenbüssow belehnt und ihm ein erblicher Adelstitel verliehen. Sein Enkel Christian Bogislaw von Linden (1707-1779), ein preußischer General, der sich im Siebenjährigen Krieg verdienstvoll hervorgetan hatte, ließ 1770-1777 im Bereich des ehemaligen Vorwerks ein neues Gutshaus im spätbarocken Stil errichten. Dieses Haus ließen die spätere Erbin Emilie von Gentzkow, verheiratete von Seckendorff – Aberdar und ihr Ehemann Freiherr Hans Carl Franz Alexander von Seckendorff-Aberdar (1809-1883) umbauen und führten das 1808 gegründete Gestüt erfolgreich weiter. 1841-1843 erfolgte der Umbau des spätbarocken Herrenhauses nach Plänen des bedeutenden Berliner Architekten Friedrich August Stüler im romantischen englischen Stil der "castle gothic". Es wird angenommen, dass auch der Entwurf für den Umbau des Marstalls auf F.A.Stüler zurückgeht. Denkbar ist, dass die Bekanntschaft mit Stüler durch Lenné zustande kam, der etwas früher den Entwurf für die Umgestaltung des Parks lieferte. Mitte April 1841 begann der Umbau "unter spezieller Leitung des Architeckten Herrn G. Eckardt", verzeichnet der Gutssekretär.1

Die von F. A. Stüler vorgenommene Umgestaltung des spätbarocken Gutshauses mit neogotischen Architekturelementen im Stil der "castle gothic" entsprach dem damaligen Zeitgeschmack (Abb. 3-4). Das spätbarocke Kerngebäude blieb erhalten, so dass F.A. Stüler in seinem Entwurf nicht frei war. Die neue Fassadengestaltung ist traditionell symmetrisch angelegt und zeigt keine freie und malerische Baukörpergruppierung wie es bei den Neubauten im Tudorstil üblich wurde. Auch wurde auf die Ergänzung eines Turmbaus verzichtet. F.A. Stüler schuf einen kompakten und sehr harmonisch proportionierten Baukörper, indem er die Vertikale durch die Erhöhung um ein Halbgeschoss (Scheingeschoss) und eine Attika und im Zentrum mit dem Vorsetzen von einem dreigeschossigen Mittelrisalit gegenüber dem Ursprungsbau stärkte. Die Gebäudeecken werden durch hohe schlanke Fialen mit Spitzdächern betont. Diese Merkmale finden sich in Variationen auch an anderen seiner Herrenhäuser wie beispielsweise am Schloss Erdmannsdorf. Das spätbarocke Herrenhaus in Broock hat durch den Umbau F.A. Stülers einen repräsentativen, kastellartigen Charakter bekommen. Die regelmäßige Fenstergliederung wurde beibehalten, ebenso die Raumstruktur und Funktion der Räume im Inneren. Er baute nur die Eingangshalle mit drei arkadenartigen Rundbögen um, ein Motiv, das im 1853 von Friedrich Hitzig erbauten Gutshaus für die Familie von Heyden in Kartlow ebenfalls vorkommt. Die Räume erhielten eine neue Ausstattung. Der barocke Dachstuhl ist erhalten und wurde im Zuge der Umgestaltung des 19. Jahrhunderts erweitert und verstärkt. Der Umbau ist als eine besondere architektonische Leistung des 19. Jahrhunderts zu bewerten und ist auch innerhalb des Gesamtwerks von F.A. Stüler bedeutend, zumal nur wenige seiner Guts- und Wohnhausbauten nicht zerstört wurden und unverändert überliefert sind. In Mecklenburg-Vorpommern ist das Broocker Herrenhaus der einzige erhaltene Gutshausbau von seiner Hand.

Es ist von einer hohen künstlerischen Bedeutung und zählt hierzulande zu den frühen Herrenhäusern im neugotischen Stil. Die ältesten neogotischen Gutshäuser sind das 1834-36 gebaute Guts- und Jagdhaus in Karnitz auf Rügen, der 1837 nach Entwurf von F.A. Stüler begonnene Erweiterung und Umbau des Renaissanceschlossbaus in Basedow (nicht erhalten) und das ab 1843 durch Theodor Krüger erbaute Gutshaus in Charlottenthal (nicht erhalten). In Basedow schufen F.A. Stüler und P.J. Lenné gemeinsam für das Schloss, das Dorf und den Park Pläne für die Umgestaltung der Kulturlandschaft im Sinne einer "ornamented farm". F.A. Stüler verarbeitete hier teilweise englische Vorbilder von Bauten, die er auf seiner Englandreise 1842 gesehen hatte. In die gleiche Zeit wie die Neugestaltung von Basedow als geschmücktes Landgut mit prägenden Solitärbauten fallen auch der Umbau vom Herrenhaus in Broock und vom Marstall. Die enge stilistische Verwandtschaft des Marstallgebäudes mit den Wirtschaftsbauten in Basedow lässt eine Zuschreibung an F.A. Stüler wahrscheinlich sein. Das repräsentative Marstallgebäude entstand um 1850 durch einen Umbau eines barocken Vorgängerbaus. In der gleichen Zeit entstand auch die Reitbahn/Reithalle. Beide Gebäude stehen in der unmittelbaren Nähe des Gutshauses gegenüber dem ehemaligen Wintergarten und sind auf den Gemälden mit Darstellungen von Hengsten des Broocker Gestüts zusammen mit dem Herrenhaus zu sehen (Abb. 5). Das repräsentative Marstallgebäude ist in seinen Gestaltungselementen vergleichbar mit den ebenfalls von F.A. Stüler entworfenen Wirtschaftsgebäuden auf dem Gut in Basedow. Dem Marstallgebäude kommt aufgrund seiner architektonischen Qualität innerhalb der Gruppe von Stall- und Scheunenbauten auf Gütern in Mecklenburg-Vorpommern ein hoher Denkmalwert zu (Abb. 6-8).

Außer dem rechts vor dem Gutshaus liegenden ehemaligen Gesindehaus/Heuscheune, das noch aus einer früheren Zeit stammt, sind die meisten der massiv gebauten Stall- und Scheunengebäude der Broocker Gutsanlage im 19. Jahrhundert errichtet worden und ersetzen ältere Hofgebäude, die in Fachwerkbauweise errichtet waren.

Hinter dem Gutshaus erstreckt sich der ehemalige Gutspark im landschaftlichen Stil. Alleen und Randbepflanzungen führen von dem Park und der Hofanlage in die umgebende Landschaft. Auf dem Urmesstischblatt von 1835 sind ein kleiner barocker Garten und die "Carlslust", eine bewaldete Anhöhe südlich des Gutes, die noch heute besteht, eingezeichnet. Die aus dem Jahr 1840 überlieferte Planung zur Umgestaltung des Parks von P.J. Lenné ist heute noch am erhaltenen Bestand nachzuvollziehen2, ebenso die nach Lennés Prinzipien der Landesverschönerung gestaltete Landschaft, in die das Gut eingebettet ist und die sich heute insbesondere in einer für P.J. Lenné typischen Art der Randbepflanzung dokumentiert. Sie zählt zu den flächenmäßig größten Planungen für ein Gut von P.J. Lenné. Zwischen Freiherr von Seckendorff- Aberdar und P.J. Lenné gab es eine dauerhafte Beziehung. Noch 1861 bittet der Freiherr P.J. Lenné um einen Gärtner für die Anlage. Das Gärtnerhaus liegt im Süden der Gutsanlage an der Dorfstraße und zeigt in seiner Architektur eine Verwandtschaft mit dem Jägerhaus nach Entwurf von Ludwig Persius in Klein Glienecke. Die Planung P.J. Lennés für Broock gilt als ein beispielhaftes Zeugnis von Lennés Ziel der Landesverschönerung als ästhetisch wirksame und gleichzeitig die Feldflur schützende Maßnahme. In die Gestaltung der Landschaft war die Tollenseniederung ebenso einbezogen wie Teile der heute noch kahlen Hochflächen.

Leider ist die Gutsanlage in ihrem baulichen Bestand seit Jahren akut in Gefahr. Das nach 1945 in Volkseigentum übergegangene Gutshaus war zuletzt in den Jahren 1970-72 mit einem großem Aufwand restauriert worden und kam 1975 in der Besitz der VEB Kranbau Eberswalde mit der Zielsetzung, es für Schulungen und als Ferienheim zu nutzen. Diese Nutzung unterblieb und das Gutshaus steht seitdem ungenutzt. (Abb. 9-11). Nach 1990 erfolgte eine Privatisierung. Durch den Eigentümer, im Rahmen einer Studentenarbeit und durch diverse Kaufinteressenten wurden Nutzungsideen für die Anlage entwickelt, die aber leider nicht realisiert wurden. Auch Sicherungsmaßnahmen unterblieben abgesehen von dem Aufbringen eines neuen Daches auf der Reithalle. Ein Abriss des Gutshauses stand zwischenzeitlich zu befürchten.

In diesem Sommer wurde die Anlage an einen neuen Eigentümer, der Erfahrungen in der Projektentwicklung großer Komplexe und im Umgang mit Baudenkmalen aufweist, verkauft. An Maßnahmekonzepten zur Gebäudesicherung und an Nutzungskonzepten wird derzeit intensiv gearbeitet. Der Gebäudezustand macht ein schnelles Handeln notwendig. Es wird von einer Bauzeit von 6-7 Jahren ausgegangen. Für die bedeutende Gutsanlage bietet sich damit wohl die letztmögliche Chance einer Rettung. Die geplante Nutzung wird von der Projektleitung folgendermaßen beschrieben: " Es ist geplant Broock zu einem nachhaltigen Zentrum für Festivals, Events und Veranstaltungen unterschiedlicher Größenordnung auszubauen und somit einen Motor für den regionalen Tourismus zu etablieren, von dem nicht nur die Gemeinde Alt Tellin, sondern alle angrenzenden Gemeinden profitieren können. Regionale Firmen werden am Aufbau beteiligt, Arbeitsplätze entstehen. Broock soll ein fester Bestandteil des kulturellen Lebens in der Region und ein zentraler Anlaufpunkt für die Bewohner der Umgebung werden. Das kulturelle Angebot richtet sich aber auch an Gäste und Besucher der Ostseebäder, der Mecklenburgischen Seenplatte sowie an ein Publikum aus Hamburg, Berlin oder grenzübergreifend aus Polen. Die aktuelle Planung sieht u.a. Veranstaltungen mit bis zu 5.000 Besuchern vor. Neben den verschiedenen Sälen im Schloss soll vor allem der Komplex Marstall-Reithalle-Stutenstall zum multifunktionalen Veranstaltungsbereich ausgebaut werden, wo Indoor-Veranstaltungen mit bis zu 1.000 Besuchern realisiert werden können. Im Schlossgebäude sollen Fremdenzimmer mit insgesamt 100 Betten entstehen, in den Nebengebäuden sind vorläufig weitere 120 Betten geplant. In Zusammenarbeit mit dem Verein Kulturgut Freiland e.V. können auf den Wirtschaftsflächen in Broock und im Bereich der angrenzenden ehem. Kiesgrube Zeltplätze für bis zu 2.500 Personen realisiert werden. Die notwendige Infrastruktur, entsprechende Sanitäreinrichtungen, Verpflegungs- und Versorgungsstützpunkte sind Bestandteil der geplanten Investitionen. Künftigen Besuchern soll ermöglicht werden, bequem und ohne PKW per Bahn anzureisen. Der Bahnhof Sternfeld wurde hierzu erworben und soll zum Empfangsgebäude für Broock-Touristen werden, die bei Veranstaltungen einen Shuttle-Service in Anspruch nehmen können."3

Es ist für das neue Jahr und die Zukunft zu wünschen, dass die Rettung und Nutzung dieser kulturlandschaftlich und landesgeschichtlich sowie überregional bedeutenden Gutsanlage in Broock gelingen wird.

Beatrix Dräger- Kneißl

Anmerkungen

1 In der handschriftlich tagesaktuell geführten Gutschronik wird F.A. Stüler genannt: Gentzkow, Carl Wilhelm von (Gutsbesitzer)/Witting, Friedrich (Gutssekretär): Memorial. Chronik/Handschriftliches Manuskript, Broock, 1808-1832 und 1835-1883, Privatbesitz (Repro: Neues Broocker Gutsarchiv);
Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker, hrsg. von Hans Vollmer, Bd.32, Leipzig S.238/239; Börsch-Supan, Eva und Müller-Stüler, Dietrich: Friedrich August Stüler 1800-1865, Berlin 1997, S. 812.

2 Günther, H.: Peter Joseph Lenné- Gärten, Parks, Landschaften, Berlin 1985 u. ders.: Peter Joseph Lenné - Pläne für Stadt und Land, Staatliche Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci 1990.

3 Klinkenberg Architekten, Berlin - Entwurf Nutzungskonzept, 2017

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