Die Wandmalereien von Johannes Friedrich Sass in der Kapelle Stretense

Denkmal des Monats November 2021

Abb. 1. Stretense, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Kapelle.Details anzeigen
Abb. 1. Stretense, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Kapelle.

Abb. 1. Stretense, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Kapelle.

Abb. 1. Stretense, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Kapelle.

An der Strecke zwischen Anklam und Friedland, an der Grenze Pommerns zu Mecklenburg, liegt das kleine Dorf Stretense. Das Dorf besitzt seit 1909 in verwunschen schöner Lage eine im neoromanischen Stil erbaute Kapelle (Abb. 1-2), die als Zentralbau mit oktogonalem Grundriss in Backstein mit verputzten Wandflächen (Abb. 3-6) und hölzernem laternenartigen Dachturm (Abb. 7) errichtet wurde. Den Sakralbau ließ die Gutsfamilie von Heyden-Linden anlässlich der kirchlichen Trauung der Tochter Irmgard von Heyden-Linden mit Leopold von Gerlach errichten. Bereits nach drei Monaten war er fertiggestellt. Nach der Trauung wurde die Kapelle der Preußischen Landeskirche übereignet.

Das Innere der Kapelle (Abb. 8) präsentiert bis heute die vollständig erhaltene originale Ausstattung mit Altar (Abb. 9), Antependium, Leuchtern, einem Kruzifix, der Kanzel (Abb. 10), Liedtafeln und dem gut erhaltenen Gestühl. Die Wandfassung mit einer dunkelroten Sockelzone und einer hellblauen Wandzone wird im Rotton des Sockels als Spiegelfläche gerahmt und durch mehrere farbige Begleitbänder und -linien zusätzlich akzentuiert. Die aufwendige Dachkonstruktion der Laterne mit Oberlicht ist wie das Gestühl und die Ausstattung in dunkelbraun gefasst. Bei der Wandfassung zeigten restauratorische Untersuchungen, dass es sich hier partiell um eine Wiederholungsfassung einer ursprünglichen Gestaltung der Wandflächen handelt. Die kleine Apsis, in der sich der Altar befindet, war ursprünglich vermutlich als Sternenhimmel gestaltet und wurde später mehrfach überfasst. Auf den Wandflächen befinden sich verschiedene Spruchbänder mit Bibelzitaten, die aus der Ursprungsfassung überliefert sind (Abb. 11).

Besonders erwähnenswert sind zwei große Wandbilder, die sich an der Nord- und Südwand befinden und 1927 von dem Magdeburger Maler und später als Kunstlehrer in Berlin tätigen Johannes Friedrich Sass (1897-1972) ausgeführt wurden. Aufgrund der Freundschaft seiner Frau mit der damaligen Gutsfamilie von Heyden-Linden und erhielt er den Auftrag für zwei Wandbilder, die in der Tradition christlich-ikonografischer Bildinhalte stehen, jedoch eine moderne künstlerische Handschrift tragen. An der nördlichen Seite wird der Einzug nach Jerusalem dargestellt (Abb. 12-13). Gegenüber auf der Südseite befindet sich die Anbetung der Könige in Bethlehem (Abb. 14-15). Die Wandbilder bestechen durch ihre expressive Farbwirkung, leuchtende ockerfarbige und stark ultramarinblaue Gewänder und orangerote Bodenpartien stehen unmittelbar nebeneinander. Die Figuren, Gewänder und gemalten Landschaften und Architekturen wirken stark grafisch konturiert. Es ist überliefert, dass der Maler den Figuren Gesichtszüge der Familienmitglieder des Auftraggebers gab. So ist die die Darstellung der Maria in der Weihnachtsszene an Margot von Heyden-Linden (1895-1975) angelehnt (Abb. 16) und ihr Mann, Bogislav von Heyden-Linden (1895-1960), stellt einen der drei heiligen Könige dar (Abb. 17). Johannes Sass erscheint selbst vermutlich im Wandbild "Einzug nach Jerusalem" am rechten Bildrand mit Blickrichtung auf den Betrachter aus dem Bild hinaus. Über dem Altar befanden sich möglicherweise zwei Engeldarstellungen, die durch jüngere Anstriche jedoch überdeckt sind. Ihre Gesichtszüge sollten an den Sohn Konrad von Heyden-Linden sowie den adoptierten Sohn Peter von Mossner erinnern.

Johannes Sass legte die Wandbilder sehr durchscheinend in Leimfarbentechnik an, die nur geringe Farbstärke vermittelt partiell einen aquarellähnlichen Eindruck. Durch den starken Bindemittelabbau sind die Wandbilder mittlerweile verblasst und geschädigt. Im Zuge der Sanierungsmaßnahmen an der gesamten Kapelle sind aktuell auch Restaurierungsmaßnahmen an den Wandbildern geplant.

Der Maler Johannes Sass war gelernter Lithograph bevor er die Kunstgewerbeschule in Magdeburg besuchte. Nach dem er als Soldat aus dem ersten Weltkrieg zurückkehrte, arbeitete er ab 1921 freischaffend als Maler und zog 1925 nach Berlin um. Er fühlte sich künstlerisch besonders der Künstlergruppe "Brücke" verbunden. Seit 1928 war er Mitglied im Deutschen Künstlerbund und wurde 1933 mit einem Stipendium ausgezeichnet und konnte bis 1935 an der Villa Romana in Florenz arbeiten. 1932 nahm der an der Ausstellung moderner deutscher Kunst in Oslo teil, 1933 war er in der Ausstellung "30 Deutsche Künstler" in Berlin vertreten. Weitere Ausstellungen folgten im Zuge seines weiteren Schaffens. Er war Mitglied der NSDAP und diente von 1939 bis 1945 als Soldat. Nachdem sein Berliner Atelier und ein Großteil seines Oeuvres durch einen Bombenangriff 1944 zerstört wurde, siedelte er nach Hannover um und lehrte ab 1956 an der Werkkunstschule Hannovers. Außer den Wandbildern in Stretense werden ihm auch Wandbilder in der Magdalenenkapelle Magdeburg von 1929 zugeschrieben sowie ein Wandbild im Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport.

In die Kapelle in Stretense fügen sich seine modernen und teilweise expressiven Wandbilder in den in Kapelleninnenraum von 1909, der in sich sehr ausgewogen und geschlossen wirkt, harmonisch und qualitätsvoll ein.

Elke Kuhnert

Kartendarstellung Stretense

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