„Masel tov“ dem neuen Eigentümer der ehemaligen Synagoge in Bützow

Denkmal des Monats Dezember 2023

Erste bauhistorische Erkenntnisse auf dem Weg zur Sanierung und Modernisierung

Abb. 2. Bützow, Mantzelstraße 10, ehemalige Synagoge, Nordansicht.Details anzeigen
Abb. 2. Bützow, Mantzelstraße 10, ehemalige Synagoge, Nordansicht.

Abb. 2. Bützow, Mantzelstraße 10, ehemalige Synagoge, Nordansicht.

Abb. 2. Bützow, Mantzelstraße 10, ehemalige Synagoge, Nordansicht.

Glück, das heißt Masal auf Hebräisch. Dieser jüdische Glückwunsch, Bestandteil einer fragmentarischen hebräischen Inschrift wurde jüngst auf einem der Fachwerkständer der ehemaligen Bützower Synagoge entdeckt. Er bezieht sich wohl auf die frühere jüdische Gemeinde und ihr Gotteshaus, verbunden mit der Jahreszahl 1856 und den Namen Feibel, Sohn des Sch… und Michael, Sohn des Herrn Ch … Wahrscheinlich haben sich damals jüdische Handwerker dort verewigt1 (Abb. 1).

In dem benannten Jahr wurden Umbauarbeiten vorgenommen, denn die Synagoge wurde bereits einige Jahrzehnte früher im ausgehenden 18. Jahrhundert in Bützow errichtet. Neben der archivalischen Quelle2 gibt es durch dendrochronologische Untersuchungen über die Entstehungszeit der Synagoge gute Kenntnisse. So konnten das Fachwerk und das Dachwerk mit 1786-1789 und eine innere östlich vor der Fassade gelegene Fachwerkwand mit 1788 datiert werden.3

Die Bützower Synagoge wurde in der ehemaligen Faulen Grube 10, der heutigen Mantzelstraße 10 somit um 1789 (d) als Fachwerkbau mit Ziegelausfachung in einer der typischen Bauweisen mecklenburgischer Synagogen im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert errichtet4 (Abb. 2). Die durch Foto und Zeichnung in ihrer Gestaltung überlieferte gemauerte Ostfassade besaß eine neobarocke-neoklassizistische Architektur mit Pilastern, einem großen Tympanon mit Überbau und rundbogig geschlossenen hohen Fenstern im oberem Fassadenbereich. Sie dürfte dem Bau allerdings erst im 19. Jahrhundert vorgesetzt worden sein (Abb. 3). Heute ist die Fassade ihrer architektonischen Gestaltung beraubt und besitzt lediglich einen glatten Putz mit noch angedeuteten, vorspringend gemauerten Pilastern und einen geschwungenen, spitz zulaufenden Giebel als Restbestand des ehemaligen Giebeldreieckes (Abb. 4).

Die erhaltenen ursprünglichen Fachwerkwände der Nord-, West- und Südseite sind durch von der Schwelle bis zur Traufe durchgehende Ständer gekennzeichnet. In diese sind drei durchgehende Riegelketten und Eckverstrebungen eingezapft und die Wände wurden ziegelsichtig ausgefacht. Ein Kehlbalkendach mit zweifach stehendem Stuhl als Walmdach schließt das Gebäude nach oben hin ab und ein kräftiges Profil prägt die überkragende Traufe (Abb. 5-6).

Im Jahre 1920 gab die jüdische Gemeinde infolge von Abwanderungen die Synagoge auf und das Gebäude wurde verkauft. Danach erfolgte ein Umbau zu einem zweigeschossigen Wohnhaus. Äußerlich ist diese Umbauphase durch neue Fensterlagen im Erd- und Obergeschoss der Ostfassade erkennbar. Innen wurden hölzerne Zangenkonstruktionen zur Auflage der Deckenbalken sowie einer Innenwandstruktur zur Raumaufteilung und zwei Treppenhäuser eingestellt (Abb. 7).

Als der, beruflich in der Altbausanierung erfahrene neue Eigentümer, ein Mecklenburger und diplomierter Landwirt, das Gebäude im Frühjahr 2023 von der Stadt Bützow erwarb, tat er dies mit der Absicht, das denkmalgeschützte Gebäude im Bestand zu bewahren, zu sanieren und zu Wohnzwecken zu modernisieren. Dass es sich um einen historisch bedeutenden Bau als ehemalige Synagoge handelte, war ihm dabei bewusst und so schaltete er sehr frühzeitig die Vertreter der Denkmalbehörden mit ein. Daher konnte das Sanierungsvorhaben im Grundsatz von Anfang an abgestimmt werden. Da das Gebäudeinnere durch den 1920 erfolgten Umbau zu Wohnzwecken die ursprüngliche Nutzung als Synagoge nicht mehr erkennen ließ, wurde aus denkmalfachlicher Sicht schnell klar, dass zunächst eine Bestandserfassung der Strukturen erfolgen musste, bevor eine Sanierungsplanung beginnen konnte. Für diese anspruchsvolle Aufgabe konnte die Fachhochschule Potsdam im Fachbereich Bauingenieurwesen, Fachgebiet Baukonstruktion durch die Denkmalpflege und in Abstimmung mit dem Eigentümer gewonnen werden. Zwei Studierende zeigten sich sehr interessiert, mit dem Thema ihre Masterarbeiten zur Erlangung des akademischen Grades „Master of Engineering“ zu bestreiten. Zunächst sollte ein Raumbuch erstellt werden, um den gegenwärtigen Bestand zu erfassen, bevor erste Beräumungsarbeiten an der Substanz erfolgen konnten. Eine vollständige Bauaufnahme als Aufmaß, verbunden mit Quellenrecherche und bauhistorischer Dokumentation, Substanzuntersuchungen, ein Sanierungsleitfaden sowie ein Entwurfsvorschlag sind außerdem Inhalt der Masterarbeiten.

Die Bestandsaufnahme ist inzwischen weit fortgeschritten, erste bauhistorische Erkenntnisse hinsichtlich der früheren Strukturen und der bauzeitlichen Datierung sind gewonnen. So konnte z.B. die ursprüngliche Frauenempore im Westen des Gebäudes anhand von Bauspuren im Fachwerk nachgewiesen werden. Erfreulich ist, dass neben der Fachwerkhülle auch die bestehende Dachkonstruktion als ursprünglich bestätigt werden konnte. Die Bedeutung einer filigranen Fachwerkwand, die zum Ursprungsbau gehört und der gemauerten Ostfassade innen in geringem Abstand vorgesetzt ist, ist dagegen noch nicht ausreichend geklärt. Auch ob es sich bei dem westlich gelegenen Keller möglicherweise um bauliche Reste einer ursprünglichen „Mikwe“5 handelt, bedarf noch der näheren Untersuchung (Abb. 8-11).

Parallel zur Bestandserfassung erfolgten bereits Beräumungsmaßnahmen im Gebäudeinneren. Zurzeit beginnen die architektonischen Entwurfsplanungen. Statisch-konstruktive Untersuchungen an der bestehenden Tragwerkstruktur sowie Holzschutzuntersuchungen sind aus denkmalfachlicher Sicht ebenfalls erforderlich, um das Maß der Substanzerhaltung abschätzen zu können (Abb. 12). Schließlich gilt es, insbesondere die originale Fach- und Dachwerksubstanz in größtmöglicher Vollständigkeit zu erhalten und gerade der Zustand der Konstruktion ist momentan noch schwer einschätzbar (Abb. 13). Denkmalpflegerische Maßstäbe und das Modernisierungsinteresse des Eigentümers müssen dabei miteinander verbunden werden. Bereits jetzt ist aber festzustellen, dass es auch aus denkmalpflegerischer Sicht gar nicht hoch genug einzuschätzen ist, wenn unser jüdisch-kulturelles Erbe möglichst konstruktiv bewahrt und so weiterhin überliefert wird – gerade in der heutigen Zeit!

Jens Amelung


1 Auf einem der Fachwerkständer wurde 2023 vom heutigen Besitzer bei Sicherungsarbeiten eine hebräische Inschrift in Fragmenten entdeckt. Entziffert wurde sie von Prof. Dr. em. Michael Brocke, ehemaliger Direktor des Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte an der Universität Duisburg-Essen.

2 Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft Umwelt und Arbeit Bützow und Umland e.V. (Hrsg.): Vom Leben und Sterben Bützower Juden von 1737 bis 1945, Bützow 2000, S.14.
Vgl. auch Joachim Steinmann, maschinenschriftlichen Typoskript (undatiert), verwahrt in der „Bibliothek, Museum und Dokumentationsstätte zum politischen Missbrauch des Strafvollzuges Krummes Haus“.
Dort werden Umbauarbeiten innerhalb des Synagogengebäudes 1854 benannt.

3 Dr. Karl-Uwe Heußner, Wissenschaftslabor-Dendrochronogie, Petershagen, Nov. 2023, es wurden drei Holzproben im Dach- und Fachwerk entnommen: 1786, 1788 und 1789

4 Dr. Ulf Heinsohn: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland, Synagogen in Mecklenburg, Ausstellung im Max-Samuel-Haus in Rostock. Vgl. auch Denkmal des Monats Dezember 2013, Jan Schirmer: Fast aufgegeben und doch gerettet – die ehemalige Synagoge in Stavenhagen (um 1820). Erhaltene jüdische Synagogen in Fachwerkbauweise sind z.B. auch Boizenburg (1799) als zweigeschossiger Fachwerkbau mit späterer, neuromaischer Ziegelfassade, Hagenow (1828) mit Fachwerkobergeschoss auf gemauertem Erdgeschoss und Röbel (1831) als Ständerbau, am ehesten mit Bützow vergleichbar.

5 In der Synagoge Hagenow ist z.B. eine gemauerte Mikwe (jüdisches rituelles Bad) in gutem Zustand erhalten.

Die ehemalige Synagoge in Bützow

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