Die städtebauliche Gestalt der Gutsanlage in Bristow und ein originelles Geflügelhaus

Denkmal des Monats Februar 2023

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Schwarz-weiß Foto von Bristow, Landkreis Rostock - Ortsansicht um 1900 aus der Fotosammlung des LAKD MV

Abb.1. Bristow, Landkreis Rostock, Ortsansicht um 1900.

Abb.1. Bristow, Landkreis Rostock, Ortsansicht um 1900.

Südlich von Teterow am Malchiner See liegt das Dorf Bristow. Der Ort ist kein Kirchdorf mittelalterlichen Ursprungs, sondern die 1598 fertiggestellte Kirche ist eine Stiftung des Gutsbesitzers Werner Hahn aus dem Hause Basedow, der sich der Lutherischen Lehre zugewandt hatte. Sie wurde unter seinem Sohn Hans Hahn vollendet. Es handelt sich um den frühesten protestantischen Kirchenbau auf dem Land in Mecklenburg, architektonisch angelehnt an mittelalterliche Dorfkirchenbauten (Abb. 1).

Bei der städtebaulichen Disposition der in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts erbauten Gutsanlage, die sich nach Norden, Osten und Süden erstreckt, wurde städtebaulich und formal auf die Kirche Bezug genommen. Den Sakralbau integrierte man in die Gesamtanlage. Das ehemalige Gutshaus stand südöstlich der Kirche und war mit dieser mittels eines gerade geführten Weges durch eine symmetrische und gärtnerisch gestaltete Hoffläche verbunden. Zwischen beiden Gebäuden bestand eine Blickbeziehung. Dieses ist heute vor Ort nicht mehr unmittelbar nachzuvollziehen, denn das im klassizistischen Stil errichtete Gutshaus wurde 1919 durch einen Brand vernichtet und danach nicht wiederaufgebaut. Bis heute ist das Grundstück unbebaut, es blieb nur eine Säule übrig (Abb. 2). Um 1874/75 entstand neben der Kirche und ebenfalls in Blickbeziehung zum Gutshaus ein Mausoleum für den 1873 verstorbenen Grafen Carl August Ludwig von Bassewitz-Levetzow, der seit 1845 in Besitz des Gutes und der Auftraggeber für die Neubauten auf der Gutsanlage war. Der entwerfende Architekt Georg Daniel bezog sich in seinem architektonischen Entwurf auf den Kirchenbau. Das Mausoleum steht mit dem Ostgiebel parallel zur Ostseite der Kirche und beide Giebelseiten werden somit zusammen wahrgenommen (Abb. 3-4).

Bei der Neuerrichtung der Gutsanlage in den 1860/70er Jahren löste man sich von der seit dem 18. Jahrhundert üblichen städtebaulichen Figur, die charakterisiert war durch das zentral an der Schmalseite stehende Gutshaus und vorgelagerte und um eine Hoffläche angeordnete Ställe, Speicher, Scheunen des Wirtschaftshofes (Abb. 5). Auch die in der 2. Hälfte des 19. Jahrhundert aufkommende räumliche Trennung von Gutshaus und Wirtschaftshof, bei der ein Gutshausneubau abseits von der Hofanlage und eingebunden in eine Parkanlage erbaut wurde, gibt es in Bristow nicht. Die Gutsgebäude umschließen eine rechteckige Hoffläche, die Schmalseiten liegen nach Norden und Süden. Das im Osten stehende und um 1830 erbaute Gutshaus wurde nun in eine Reihe gestellt mit den nordöstlich liegenden Gutsgebäuden. Es blieb mit dem Betriebsbereich räumlich verbunden und war allein durch seine klassizistische Architektur sowie die Gartenflächen vor dem Gutshaus mit der zentralen Wegeführung hervorgehoben. In unmittelbarer Nähe neben dem ehemaligen Gutshaus steht das 1865 erbaute Inspektoren- und Wirtschaftshaus, das der Gutsfamilie nach dem Brand des Gutshauses als Wohnhaus diente (Abb. 6). Daran angebaut ist ein eingeschossiges Haus, das ehemalige sog. Leutehaus, an welches wiederum der 1866 datierte Pferdestall angesetzt ist (Abb. 7). Neben diesem stehen Schweineställe, die auch den Abschluss der Hofanlage an der Nordostecke bilden. Hinter dieser Kette von Gutsgebäuden liegt ein schmales Gartengrundstück, das an einen großen Teich mit Baumbestand grenzt. Eine gartenkünstlerisch gestaltete, ausgedehnte Parkanlage gab es nicht. Eine zentrale und dominante Position auf der Hofanlage kommt dem 1868 erbauten Speicher zu, der die Mitte der Nordseite einnimmt und welcher der Kopfbau eines angebauten, großen Kuhstalls war (Abb. 8). Westlich von diesem stand parallel ein großer Stallbau, der wie der Kuhstall auch, nicht erhalten ist. Hier stehen heute jüngere Gebäude. Mit dem großen verlorenen Stallgebäude ehemals verbunden war das kleine Gebäude der Stellmacherei, welches an die Südseite der Feldsteinscheune angebunden ist, die an der Kirchhofmauer steht. Die Scheune ist 1855 erbaut worden. Heute stehen nur noch die Umfassungswände, das Rohrdach und die Binnenkonstruktion sind nicht erhalten (Abb. 9). Auf der Hoffläche davor liegen die ehemalige Pferdeschwemme und ein Geflügelhaus, ein Gebäude auf einem runden Grundriss, das ursprünglich direkt am Wasser lag. Den Abschluss des Wirtschaftshofes nach Südwesten bildet das stattliche Gebäude der sogenannten Kutscherremise, die 1872 nach Entwurf von Georg Daniel errichtet worden ist (Abb. 10). Dem Preußischen Urmesstischblatt zufolge standen auf der östlichen Südseite als Pendant nur zwei kleinere Gebäude im direkten Umfeld des Gutshauses. Dazwischen befand sich eine Nutzgartenfläche. Die in der Bedeutung als höherwertig angesehen Gebäude wie das Inspektor- und Wirtschaftshaus, der Pferdestall und die Kutscherremise sind aus hellgelbem Backstein über einem hohen Feldsteinsockel errichtet. Die anderen Gebäude sind aus rotem Backstein gemauert. Die erhaltenen Gutsgebäude sind keine typisierten Bauten, sondern zeigen jeweils einen individuellen Architektenentwurf, der sich insbesondere in den prägenden Giebelgestaltungen im Stil der Neorenaissance zeigt. Der Pferdestall und die Kutscherremise werden dem Baukondukteur Georg Daniel zugeschrieben. Er nahm stilistisch Bezug auf den Kirchenbau, dessen Restaurierung er leitete. G. Daniel war ein hoher Beamter in der großherzoglichen Bauverwaltung und ein ausgeprägter Vertreter historistischen Bauens in verschiedenen Stilen.

Von einer besonderen Originalität und dekorativen Wirkung ist das zuletzt errichtete Gebäude der Gutsanlage, ein 1891 datierter Geflügelturm (Abb. 11-12). Der Architekt ist nicht bekannt. Das Gebäude beherbergte Nutztiere wie Hühner und Enten, Gänse und möglicherweise auch Ziervögel wie Mandarinenten, Pfauen und andere exotische Tiere. Der Aufsatz auf dem Dach diente als ein Taubenschlag. Das Geflügelhaus ist ein Rundbau von ca. 7 m im Durchmesser mit einem hohen Sockelgeschoss aus behauenen Granitblöcken, darüber zwei Geschossen in Backsteinbauweise und darauf eine Art Tambour. Das Sockelgeschoss war den Wassertieren vorbehalten, die durch senkrechte Fensterschlitze in das Gebäude gelangten. Der Zugang für Menschen erfolgt von der Südseite durch einen risalitartig gestalteten Eingang, der über drei Stufen zugänglich ist. In der Mitte des Gebäudes führt eine gusseiserne Wendeltreppe nach oben. Seitlich des Eingangs sind Eisenstäbe in das Mauerwerk eingelassen, darüber können Vögel ins Obergeschoss gelangen. Der Baukörper ist durch einen Fries in Höhe des Türsturzes sowie einen Zierfries mit Gesims unterhalb der Traufe horizontal gegliedert. Oberhalb des Gesimses alternieren halbrunde Öffnungen mit gleich großen Blendfenstern mit einem Putzfeld mit floralem Motiv. Das Dach ist mit Akroterien verziert, der zurückversetzte Aufbau hat nur einen Durchmesser von ca. 2 m, schlitzartige Öffnungen und ebenfalls einen abschließenden Zierfries. Auf dem flachen Zeltdach steht eine kleine Säule.

Durch den infolge des Brandes vorgenommenen Abriss des Gutshauses und später auch der beiden Kuhstallbauten hat die Gutshofanlage große Verluste erlitten. Ihre ursprüngliche Disposition ist ohne die Zuhilfenahme von Karten und historischen Fotografien nicht gleich zu begreifen. Veränderungen sind die Errichtung des Neubaublocks im Jahr 1964 auf der ehemaligen südlichen Beetfläche vor dem Gutshaus, die Nutzung der Grünfläche als Sportplatz und insbesondere die angepflanzten Bäume, die die ursprüngliche Sichtbeziehung zwischen Gutshaus und Kirche verunklären. Dennoch ist festzustellen, dass die städtebauliche Struktur und ein guter Bestand an architektonisch bedeutenden historistischen Wirtschaftsbauten nachvollziehbar geblieben sind. Es handelt sich bei der Gutshofanlage einschließlich des Ensembles der Kirche mit Mausoleum und Kirchhofsmauer um eine bauliche Gesamtheit von einer hohen künstlerischen und geschichtlichen Bedeutung. Sie wurde demzufolge als Gesamtheit in die Denkmalliste des Landkreises Rostock eingetragen.

Beatrix Dräger-Kneißl

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