Das Residenzensemble Schwerin – seit dem 27. Juli 2024 UNESCO-Welterbe

Denkmal des Monats September 2024

Abb. 02. Landeshauptstadt Schwerin, Schloss und Orangerie im Burggarten, 2010.Details anzeigen
Abb. 02. Landeshauptstadt Schwerin, Schloss und Orangerie im Burggarten, 2010.

Abb. 02. Landeshauptstadt Schwerin, Schloss und Orangerie im Burggarten, 2010.

Abb. 02. Landeshauptstadt Schwerin, Schloss und Orangerie im Burggarten, 2010.

Auf seiner 46. Sitzung, die vom 21. bis zum 31. Juli 2024 in Neu-Delhi stattfand, beschloss das Welterbekomitee, das Residenzensemble Schwerin in die Liste des UNESCO-Welterbes aufzunehmen. Es bescheinigte ihm einen außergewöhnlichen universellen Wert, weil es ein hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden bzw. architektonischen Ensembles ist, die einen oder mehrere bedeutsame Abschnitte der Geschichte der Menschheit versinnbildlichen. Es bildet in seiner städtebaulichen Struktur ein Musterbeispiel für eine deutsche Residenz mit Planungsbeginn im frühen 18. Jahrhundert und einem Schwerpunkt im 19. Jahrhundert. Damit erfüllt es das Kriterium (iv) der von der UNESCO festgelegten Kriterien für die Aufnahme einer Stätte in die Welterbeliste.

Das Residenzensemble fügt sich aus 38 Bestandteilen – Gebäuden und Gärten – zusammen, die die Infrastruktur einer fürstlichen Residenz abbilden und über die gesamte Schweriner Innenstadt verteilt sind. Im Zentrum steht das Schweriner Schloss. Das von 1843-1857 durch einen groß angelegten Um- und Neubau entstandene Bauwerk stellt einen Höhepunkt in der europäischen Schlossbaukunst des 19. Jahrhunderts dar. Seine Lage auf einer Insel und die malerische Inszenierung des Gebäudes prägen das Umfeld nachhaltig. Erlesene Raumschöpfungen haben sich erhalten, von denen das Thronappartement am bedeutsamsten ist (Abb. 1).

Der Burggarten, der das Schloss auf der Insel umgibt, besticht durch seine abwechslungsreiche gartenkünstlerische Gestaltung (Abb. 2). Im anschließenden Schlossgarten findet man sowohl barocke Elemente wie auch Elemente des Landschaftsgartens. Kernstück ist der 1748-1756 angelegte Kreuzkanal, den Rasenflächen, Boskette und Skulpturen aus der Werkstatt Balthasar Permosers (seit 1960/63 durch Kopien ersetzt) flankieren (Abb. 3).

Das Alte Palais am Alten Garten, ein zweigeschossiger Fachwerkbau vom Ende des 18. Jahrhunderts, diente zunächst dem Thronfolger Friedrich Ludwig und später Großherzog Paul Friedrich als Wohnung und bildet somit einen wesentlichen Bestandteil des Residenzensembles (Abb. 4). Gleiches gilt für das Neustädtische Palais in der Puschkinstraße (Abb. 5). Das mehrfach umgebaute Gebäude nutzte Großherzog Friedrich Franz II. als Interimswohnsitz während des Schlossumbaus. Später diente es seiner dritten Gemahlin, Großherzogin Marie, als Witwensitz. Besonders hervorzuheben ist der hier befindliche Goldene Saal.

Am östlichen Ende des Schlossgartens liegen das Greenhouse und das Kavaliershaus, zwei Bauten aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die einen der Sommersitze des Großherzogspaares Paul Friedrich und Alexandrine bildeten (Abb. 6).

Zu den Kultur- und Sakralbauten, die das Residenzensemble prägen, gehört das Hoftheater mit dem Kulissenmagazin und dem Maschinenhaus. Gemeinsam mit dem Museum, zu dem auch das Direktorenwohnhaus gehört, rahmt es den Alten Garten, den zentralen Platz der Residenz (Abb. 7).

Von den Kirchen steht der Schweriner Dom an erster Stelle (Abb. 8). Er beherbergt die fürstliche Grablege. Im Chorbereich wurden unter anderem die Großherzöge Paul Friedrich und Friedrich Franz II. bestattet. Auch die barocke St. Nikolai- oder Schelfkirche kann eine fürstliche Grablege aufweisen (Abb. 9). Von 1712 bis 1813 wurden hier die Herzöge von Mecklenburg-Schwerin beigesetzt. Die St. Paulskirche zeigt als programmatischer Bau des Neuluthertums und nach den Vorgaben des Eisenacher Regulativs von 1861 die enge Verbindung zwischen dem Landesherrn und der Kirche in Mecklenburg auf (Abb. 10).

Wichtig für eine Residenz ist deren Verwaltung. Davon zeugen mehrere Bauwerke, so die beiden Ministerpalais in der Puschkinstraße 6 und Münzstraße 8 (Abb. 11-12). Ersteres diente, nachdem es Großherzog Friedrich Franz I. erworben hatte, als Dienstwohnung für den Kammerpräsidenten und Zweiten Minister, letzteres war Dienstwohnsitz des Präsidenten des Großherzoglichen Staatsministeriums.
Das Staatsgebiet des Großherzogtums war in mehrere Ämter unterteilt. In der Alexandrinenstraße 19-21 befindet sich das Amtsgebäude für das Großherzogliche Amt Schwerin, die Verwaltung des Dominiums (Abb. 13).

Das Gebäude der Großherzoglichen Hausverwaltung, von dem aus die Schlösser und Villen des Großherzogs verwaltet wurden, steht in der Schloßstraße 5 (Abb. 14). Gegenüber befinden sich die beiden Regierungsgebäude (Abb. 15-16). Das Kollegiengebäude I, ein klassizistischer Bau, den Georg Adolph Demmler 1825 bis 1834 errichtete, fiel 1867 einem Brand zum Opfer, wurde aber kurz darauf von Hermann Willebrand in der herkömmlichen Form wiederaufgebaut. Veränderungen erfuhren in dieser Zeit der Kabinett- und der Kollegiensaal sowie das Treppenhaus, welches eine repräsentative gusseiserne Treppe erhielt. In den Jahren 1890 bis 1892 errichtete man nach Plänen von Georg Daniel das Kollegiengebäude II als Erweiterung und verband beide mittels eines triumphbogenartigen Brückenbauwerks.

Um auch künftig die Verwaltung gut aufstellen zu können, bedarf es einer entsprechenden Bildungseinrichtung. Das Gymnasium Fridericianum am Pfaffenteich war eine solche. Entstanden in den Jahren 1868 bis 1870 im Johann-Albrecht-Stil, einer regionalen Ausprägung der Neorenaissance, war die Schule Bildungsstätte für zukünftige Beamte, Militärs und Kleriker (Abb. 17).
Die von der Verwaltung produzierten Akten verwahrt das Geheim- und Hauptarchiv der Residenz. Der Baukomplex entstand zwischen 1909 und 1911 an der Graf-Schack-Allee und nahm die bis dahin im Schloss und im Kollegiengebäude gelagerten Aktenbestände auf (Abb. 18). Die sichtbare selbsttragende stählerne Magazinkonstruktion im Magazinturm trägt neben den eingehängten Regalen zudem die Stahlbetondecken der einzelnen Stockwerke und ist eine moderne ingenieurtechnische Lösung.

Östlich des Schlossgartens befinden sich die Wohnhäuser der für die Gärten verantwortlichen Beamten. Das Alte Hofgärtnerhaus in der Schlossgartenallee 2 war das Domizil von Hofgärtner Christian Daniel Friedrich Klett (Abb. 19). Sein Sohn Theodor, der ihm als Hofgärtner folgte und später als Gartenarchitekt wirkte, bezog das von Hermann Willebrand errichtete Hofgärtner-Etablissement in der Schlossgartenallee 3 (Abb. 20).

Drei backsteinsichtige Gebäude in der Johannes-Stelling-Straße 2-6, die eine Hofanlage bilden, beherbergten den Jägerhof. Sie boten Wohnraum für die Hofjäger und den Hundewärter, hatten Zwinger für die Jagd- und Spürhunde sowie ein Zeughaus für diverse Jagdutensilien. Der Jägerhof zeugt vom hoheitlichen Jagdrecht des Landesherrn (Abb. 21).

Wichtigstes Fortbewegungsmittel war das Pferd. Im Marstall in unmittelbarer Schlossnähe waren die Stallungen für die Reit- und Kutschpferde, Wagenremisen, eine Reithalle und Wohnungen für Bedienstete untergebracht (Abb. 22). Ihm gegenüber, im heutigen Wohnhaus Großer Moor 53 befand sich der Krankenpferdestall (Abb. 23). Auf der anderen Seite der Straße im Haus mit der Nummer 52-54 war die Großherzogliche Leinen- und Bettenkammer angesiedelt (Abb. 24). Gleich daneben, im Gebäude Großer Moor 54, welches als reiner Zweckbau die zeittypische Gestaltung von Funktions- und Industriebauten dokumentiert, arbeitete die Großherzogliche Dampf-Waschanstalt (Abb. 25).

Weitere Reisen unternahmen der Landesherr und der Großherzogliche Hof mit der Eisenbahn, ebenso, wie auch Staatsgäste von weither mit dem Zug anreisten. Davon zeugen der Bahnhof (Abb. 26) und das erhaltene Fürstenzimmer, das anlässlich eines Besuchs von Kaiser Wilhelm II. eingerichtet wurde.

Zwischen Schloss und Marstall entstand auf Initiative des Großherzogs ab 1858 eine geschlossene Häuserzeile villenartiger Gebäude in historistischen Stilformen für hochrangige Beamte und Militärs (Abb. 27). Einzige Ausnahme ist die Villa Werderstraße 141 für den Großherzoglichen Hausmarschall Adolf von Stenglin, welche als freistehendes Gebäude erbaut wurde (Abb. 28).
Am Südufer des Pfaffenteichs errichtete Hofbaumeister Georg Adolph Demmler 1842-1844 sein eigenes Wohnhaus und verwendete dabei eine Vielzahl von Stilformen, die ihn bei seiner potentiellen Kundschaft als flexiblen Architekten ausweisen sollte (Abb. 29).

Wichtig für eine Residenz waren auch deren Hoflieferanten, die nur vom Fürstenhaus ernannt wurden. Zu ihnen gehörte das Weinhaus von Johannes Uhle in der Schusterstraße 13-15 (Abb. 30). 1914 erhielt das Weinhaus Wöhler, Fischerstraße 2, ebenfalls diesen Titel (Abb. 31). Auch die Konditorei Krefft besaß dieses Prädikat, ansässig in der Schloßstraße 17 (Abb. 32).

Einen weiteren Stützpfeiler für die Residenz bildete das Militär. Südlich von Schloss und Schlossgarten entfaltete sich ein weiträumiges Militärgelände, welches von der Alten - und der Neuen Artilleriekaserne sowie dem Offizierscasino geprägt wird. Während sich die Alte Artilleriekaserne burgartig geschlossen zeigt (Abb. 33), griff man bei den Gebäuden der Neuen Artilleriekaserne (Abb. 34) wie auch beim Offizierskasino (Abb. 35), welches in direkter Sichtbeziehung zum Schloss steht, auf den Johann-Albrecht-Stil zurück.

Als Kaserne diente auch das Arsenal am Pfaffenteich. Das Bauwerk sollte die Aufbewahrung und Pflege der Waffen und militärischen Ausrüstung gewähren, war Arrestanstalt, militärisches Gerichts- und Stabsgebäude (Abb. 36).

Für den Kommandanten der mecklenburgischen Brigade wurde in der Arsenalstraße 2, unweit des Arsenals, nach Plänen von Georg Adolph Demmler ein Dienst- und Wohnsitz errichtet (Abb. 37). Auf seine militärische Verwendung weisen die Fensterverdachungen mit römischen Helmen im ersten Obergeschoss hin.

Insgesamt zeigt das Ensemble in beeindruckender Weise die vielfältigen Funktionen einer Residenz anhand authentisch erhaltener Gebäude und Anlagen auf. „Mit dem Zusammenspiel von Funktion und Reprä­sentation ist das Residenzensemble Schwerin ein herausragendes Beispiel eines baulich und funktionell hochdifferenzierten und umfassend erhaltenen Residenzensembles des 18. und 19. Jahrhunderts.“ (Nominierung für die UNESCO Welterbeliste. Nominierungsdossier, Schwerin o.J. [2022], S. 9)

Dirk Handorf

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