Denkmal des Monats Juli 2025

Raumwirkung und Wirkungsraum von Gedenkstätten

Vor 80 Jahren fand für mehr als zehntausend Männer und Frauen ein mehrtägiges Martyrium ein Ende, das sich einreihte in Tage, Monate und Jahre des Martyriums.

Kurz vor Kriegsende und mit dem Anrücken der alliierten Armeen erging von Heinrich Himmler der Befehl, die KZ-Häftlinge in den deutschen Lagern nicht den alliierten Kräften zu überlassen. Stattdessen sollten die Konzentrationslager, im Falle des unmittelbar bevorstehenden Eintreffens der alliierten Streitkräfte, „evakuiert“ werden. Diese euphemistische Beschreibung eines letzten Versuchs, so viele Häftlinge wie möglich zu ermorden, mündete in die sogenannten Todesmärsche.

Abb. 1. unterschiedliche Gedenksteine, Gedenktafeln und Gedenkstelen zu Ehren der Opfer des Todesmarsches.Details anzeigen
Abb. 1. unterschiedliche Gedenksteine, Gedenktafeln und Gedenkstelen zu Ehren der Opfer des Todesmarsches.

Abb. 1. unterschiedliche Gedenksteine, Gedenktafeln und Gedenkstelen zu Ehren der Opfer des Todesmarsches.

Abb. 1. unterschiedliche Gedenksteine, Gedenktafeln und Gedenkstelen zu Ehren der Opfer des Todesmarsches.

Abb. 2a. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, die Plastik „Mutter“, ehemals die „Trauernde“.Details anzeigen
Abb. 2a. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, die Plastik „Mutter“, ehemals die „Trauernde“.

Abb. 2a. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, die Plastik „Mutter“, ehemals die „Trauernde“.

Abb. 2a. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, die Plastik „Mutter“, ehemals die „Trauernde“.

Am 20. und 21. April begann so auch die Räumung des KZ Sachsenhausen. Diejenigen unter den Häftlingen, die noch kräftig genug waren um zu laufen, wurden ohne ausreichende Versorgung oder Ausrüstung auf einen tagelangen Todesmarsch in Richtung Nordwesten getrieben. Ziel waren die Ostseehäfen, wo die überlebenden Gefangenen auf Schiffe verladen werden sollten. Die Häftlinge, die zu schwach oder krank waren, um selbst zu gehen, wurden noch im Konzentrationslager ermordet oder aber zur „Vernichtung“ in andere Lager verlegt, wenige wurden schlicht zurückgelassen1.

Für die überlebenden dieses Todesmarsches endete ihre Tortur zwischen dem 2. und 4. Mai zwischen Schwerin und Crivitz. Die verbliebenen SS-Wachmannschaften flohen vor den amerikanischen Truppen im Norden und der Roten Armee im Süden. Ohne Bewacher setzten die vorderen Marschkolonnen ihren Weg in Richtung Schwerin fort, wo sie am Übergang über den Störkanal von amerikanischen Soldaten in Empfang genommen wurden. Etwa zur gleichen Zeit wurden die Häftlinge der hinteren Marschkolonnen, die sich noch im Raum Crivitz und östlich davon aufhielten, von der sowjetischen Armee eingeholt. Das unmenschliche Leiden unter den SS-Bewachern hatte somit ein Ende gefunden, wie auch der Krieg in Europa wenig später sein Ende fand.2

Entlang der Route des Todesmarsches wurden zwischen 1953 und 1996 mehrere Gedenksteine, -tafeln und -stelen errichtet, die an die Opfer erinnern und den zukünftigen Generationen als Mahnung dienen sollen (Abb. 1). Der für Schwerin und Umgebung wohl prominenteste dieser Gedenkorte ist das Mahnmal „Die Mutter“, direkt an der B 321 zwischen Raben Steinfeld und Schwerin. Die Gedenkstätte markiert den Ort, an dem die von Hunger, Entbehrung und Gewalt gezeichneten Häftlinge am Übergang über die Stör zwischen Raben Steinfeld und Mueß auf die amerikanischen Truppen stießen, die Schwerin erst einen Tag zuvor eingenommen hatten.

Abb. 2b. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, die Plastik die „Mutter“ mit den vier Relieftafeln.Details anzeigen
Abb. 2b. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, die Plastik die „Mutter“ mit den vier Relieftafeln.

Abb. 2b. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, die Plastik die „Mutter“ mit den vier Relieftafeln.

Abb. 2b. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, die Plastik die „Mutter“ mit den vier Relieftafeln.

1973 wurde an dem heute noch erhaltenen Stück historischer Asphaltstraße das Denkmal einer knienden Frauengestalt auf einem mit Sandstein verkleideten Betonsockel errichtet. Die Bronzeplastik des Künstlers Gerhard Thieme war zunächst unter dem Titel „Trauernde“ bekannt, hieraus wurde im Laufe der Jahre die Bezeichnung „Die trauernde Mutter“, bis die Plastik heute nur noch unter dem Namen „Die Mutter“ bekannt ist (Abb. 2a-2b).3 1976 wurden ergänzend vier Bronzerelieftafeln aufgestellt, die den Leidensweg sowie die Befreiung der Häftlinge zeigen (Abb. 3-6). Von rechts nach links zeigen die Platten zunächst den Zug von Häftlingen, der aus dem Eingangsgebäude des Konzentrationslagers führt. In kleinen Marschgruppen dargestellt, zeigt das Relief gezeichnete Gesichter von Männern und Frauen (Abb. 7). Die zweite Platte von rechts zeigt das Grauen und den Tod während des Marsches. Neben den im Relief dargestellten Häftlingen sind, wesentlich flacher, die Toten dargestellt, die von den Überlebenden betrauert werden (Abb. 8). Links der Statue zeigt das Relief die von der SED-Führung interpretierte „Befreiung“ der Häftlinge. Auf der rechten Reliefseite ist eine scheinbar bis zum Horizont reichende Menge an Häftlinge zu sehen, während auf der linken Seite Soldaten der Roten Armee heraneilen. In der Bildmitte treffen die Gruppen aufeinander, ein Häftling fällt einem sowjetischen Soldaten in die Arme (Abb. 9). Das vierte und letzte Relief ist eher eine sozialistische Hoffnung, mit dem darauf dargestellten Zusammenhang zwischen der Befreiung durch die Sowjetarmee, dem antifaschistischen Widerstand und dem Aufbau durch die sozialistische Partei in der jungen DDR (Abb. 10).4

Abb. 11. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, Erklärungstafel, die die Gedenkstätte und die gezeigte Darstellung in den historischen Kontext setzt.Details anzeigen
Abb. 11. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, Erklärungstafel, die die Gedenkstätte und die gezeigte Darstellung in den historischen Kontext setzt.

Abb. 11. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, Erklärungstafel, die die Gedenkstätte und die gezeigte Darstellung in den historischen Kontext setzt.

Abb. 11. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, Erklärungstafel, die die Gedenkstätte und die gezeigte Darstellung in den historischen Kontext setzt.

Die Darstellung der Ereignisse war stark politisch motiviert. Eine solche Umschreibung oder Geschichtsklitterung war kein seltenes Phänomen innerhalb der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR. Wo sowjetische und westliche Alliierte vor kurzem noch zusammen gegen das faschistische deutsche Regime kämpften, setzte bald nach der vollständigen Besetzung Deutschlands eine starke Antipathie zwischen den ehemaligen Verbündeten ein: der sozialistische Osten und der kapitalistische Westen gerieten in einen weiteren Konflikt, der Kalte Krieg begann und teilte Deutschland und die Welt in zwei Lager. Unter dieser politischen Situation entsprachen die historischen Tatsachen nicht der Linie der Parteiführung und des sowjetischen „großen Bruders“. Die Rolle der Amerikaner wurde aus der Geschichte gestrichen, während die Rolle der sowjetischen Soldaten für das Ende des Todesmarsches überhöht dargestellt wurde. Der zeitliche Ablauf und die Aussagen von Zeitzeugen belegen jedoch das Aufeinandertreffen von US-Soldaten und Häftlingen vor Ort. 2011 wird die Gedenkstätte darum um eine Hinweistafel erweitert, die die historischen Ereignisse nach den Erinnerungen der überlebenden Zeitzeugen ergänzt (Abb. 11).

 

Abb. 14. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, Gesamtanlage der Gedenkstätte nach der Fertigstellung 1973, noch ohne die Relieftafeln, die die „Mutter“ heute flankieren.Details anzeigen
Abb. 14. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, Gesamtanlage der Gedenkstätte nach der Fertigstellung 1973, noch ohne die Relieftafeln, die die „Mutter“ heute flankieren.

Abb. 14. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, Gesamtanlage der Gedenkstätte nach der Fertigstellung 1973, noch ohne die Relieftafeln, die die „Mutter“ heute flankieren.

Abb. 14. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, Gesamtanlage der Gedenkstätte nach der Fertigstellung 1973, noch ohne die Relieftafeln, die die „Mutter“ heute flankieren.

Möglich wurde die Gedenkstätte erst mit dem Bau der neuen Zufahrt nach Schwerin. Bis zum Bau der Fernstraße 321 führte die Straße aus Crivitz kommend über eine Drehbrücke über die Stör und durch Mueß hindurch nach Schwerin hinein. Erst mit der Verlegung der Fernverkehrsstraße 321 weiter südlich um Mueß herum wurde die Fläche für eine Gedenkstätte geschaffen. Ein Stück der historischen Asphaltstraße wurde erhalten (Abb. 12) und ein erster Gedenkstein aus den 1950er Jahren an das Westende dieses historischen Straßenabschnitts versetzt. So wurde Platz gewonnen, um 1972 „Die Mutter“ aufzustellen. Im Jahr 1976 wurde die Plastik um vier Relieftafeln erweitert, die den Leidensweg der Häftlinge bis zu ihrer Befreiung darstellen. Bereits als die Plastik aufgestellt wurde, wurde auch eine gestaltete Grünanlage angelegt (Abb. 13).5 Während hinter den Kunstobjekten und als nördliche Begrenzung dichtes Buschwerk und Gehölze eine grüne Kulisse boten, erstreckte sich zwischen der Ortseinfahrt nach Raben Steinfeld Oberdorf als östliche Begrenzung und dem ersten Gedenkstein als westliche Begrenzung eine weitläufige Fläche. Bauzeitlich war diese Grünfläche mehrere Meter tiefer, als sie es heute ist (Abb. 14). Zwischen der Fernverkehrs-, heute Bundesstraße, und dem historischen Straßenabschnitt erstreckte sich eine durch Terrassen abgestufte Rasenfläche mit einer breiten Freitreppe und mehreren Gehölzstreifen. Optisch stand die Anlage in der Tradition von Aufmarschorten, die durch die Parteiführung, Ortsverbände und die SED-Jugendgruppen zum Gedenken aber auch zu politischen Zwecken genutzt wurden (Abb. 15). Selbst Hochzeitspaare erwiesen dem Mahnmal die Ehre (Abb. 16).

Abb. 18. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, das Buswartehäuschen neben der Gedenkstätte.Details anzeigen
Abb. 18. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, das Buswartehäuschen neben der Gedenkstätte.

Abb. 18. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, das Buswartehäuschen neben der Gedenkstätte.

Abb. 18. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, das Buswartehäuschen neben der Gedenkstätte.

Seit der Errichtung wurde das Denkmal mehrfach saniert bzw. geändert. Die tiefgreifendste Umformung erlebte die Gedenkstätte durch den vierspurigen Ausbau der Kreis- bzw. Bundesstraße in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren. Zunächst sahen die Planungen und auch die Wünsche der Anwohner eine Verlegung der Gedenkstätte auf die Südseite der Straße vor. Mehrere Gründe wurden hierfür angeführt, wie der bessere Lärmschutz der Anwohner oder der größere Raum, der der Gedenkstätte so zu Teil würde. Letztendlich überwogen jedoch die denkmalfachlichen Gründe für eine Beibehaltung der Gedenkstätte an Ort und Stelle. Neben der historischen Asphaltstraße zählte hierzu auch die Erlaubnis des Künstlers die zum Versetzten der Kunstwerke notwendig gewesen wäre sowie die schlechte Erreichbarkeit der Gedenkstätte auf der gegenüber liegenden Straßenseite. Die Straße wurde daher sowohl nach Süden als auch nach Norden verbreitert. Hierbei fiel der überwiegende Teil der oberen Terrassenstufe dem Ausbau der Straße zum Opfer (Abb. 17). Zudem wurde der Fußweg bzw. Radweg am Ostende der Anlage sowie eine Bushaltestelle mit Buswartehäuschen auf das Gelände der Gedenkstätte verlegt (Abb. 18) . Der Wirkungsraum der Anlage wurde so in den letzten Jahrzehnten immer weiter beschnitten und eingegrenzt. Sehr zum Leidwesen der gesamten Anlage, denn so dicht am vierspurigen Verkehrsgeschehen sind der Gedenkort und seine einzelnen Bestandteile kaum noch wahrnehmbar. Ampeln, Verkehrsschilder, Hinweisschilder und Buswartehäuschen dominieren heute sowohl den optischen Eindruck, als auch den Raum. Dabei gehen die Gedenkstätte mit ihren künstlerisch äußerst wertvollen Plastiken aus Bronze, dem ersten Gedenkstein in Form eines einfachen Findlings mit Inschrift, der Abschnitt der historischen Asphaltstraße mit den Panzerspurrillen und die Tafel zur politischen und historischen Einordnung der Anlage unter. Die wenigsten derer, die täglich an dem Bereich vorbeirauschen, dürften diesen tatsächlich noch als eine Gedenkstätte wahrnehmen, geschweige denn seine historische Bedeutung kennen (Abb. 19).6

Abb. 19. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, die Verkehrssituation vor der Gedenkstätte heute.Details anzeigen
Abb. 19. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, die Verkehrssituation vor der Gedenkstätte heute.

Abb. 19. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, die Verkehrssituation vor der Gedenkstätte heute.

Abb. 19. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, die Verkehrssituation vor der Gedenkstätte heute.

Unter welchem Druck die Gedenkstätte steht, zeigt auch ein Vorgang aus dem Jahr 2003: ein Unternehmen für Werbetechnik erstritt sich vor Gericht die Genehmigung zwischen der Gedenktafel aus den 1970er Jahren und der Gedenkstätte eine ca. 2,5 Meter hohe Werbewand für Gewerbeanzeigen aufzustellen. Trotz der Hinweise aus der Landesdenkmalpflege, dass mit dieser Werbetafel der inhaltliche und visuelle Zusammenhang zwischen der Gedenkstätte „Die Mutter“ und der Gedenktafel verloren ginge und auch die räumliche Wirkung der Gedenkstätte durch die Werbung signifikant unter Druck geriete, erhielt die Werbefirma die gerichtliche Genehmigung zur Aufstellung der Anzeigenfläche (Abb. 20). Die Auswirkungen sind heute gut erkennbar, der Zusammenhang zwischen der Gedenkstätte und der Gedenktafel sowie der Wirkungsraum der Gedenkstätte selbst leiden spürbar unter der Menge an optisch einwirkenden Objekten, die den Straßenraum beherrschen.7

Abb. 22. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, die ursprüngliche Planung und Ausführung der Anlage sah eine weitläufige Fläche mit zwei Freitreppen, Rasen und niedrigen Gehölzstrukturen vor.Details anzeigen
Abb. 22. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, die ursprüngliche Planung und Ausführung der Anlage sah eine weitläufige Fläche mit zwei Freitreppen, Rasen und niedrigen Gehölzstrukturen vor.

Abb. 22. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, die ursprüngliche Planung und Ausführung der Anlage sah eine weitläufige Fläche mit zwei Freitreppen, Rasen und niedrigen Gehölzstrukturen vor.

Abb. 22. Raben Steinfeld, Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Todesmarsches, die ursprüngliche Planung und Ausführung der Anlage sah eine weitläufige Fläche mit zwei Freitreppen, Rasen und niedrigen Gehölzstrukturen vor.

Solche einzeln betrachtet geringen Beeinträchtigungen haben jedoch auf lange Zeit gesehen einen Gewöhnungseffekt, der dazu führt, dass der durchschnittliche Betrachter die Bedeutung des Wirkungsraums immer weniger wahrnimmt und diesen darum als weniger bedeutend für das Objekt empfindet, auch wenn die ursprüngliche Intention eine weitreichende Raumwirkung beabsichtigt hat. Das dies auch bei der „Mutter“ in Raben Steinfeld der Fall ist, wird deutlich, wenn man bedenkt, dass in diesem Jahr bereits zwei großformatige Plakate auf dem Gelände der Gedenkstätte und in unmittelbarer Nähe zu der „Mutter“ aufgestellt wurden (Abb. 21). Ein Zurückdrängen oder Zerstören des Wirkungsraumes führt jedoch immer auch zu einem Bedeutungsverlust des Objekts. Bei der Errichtung der Gedenkstätte waren der weiträumige Bezug und eine prominente Raumwirkung beabsichtigt (Abb. 22). Eine visuell wahrnehmbare Erinnerungsstätte entsprach dem Wunsch, würdig an die Opfer zu erinnern und zu mahnen. Sie entsprach aber auch der politischen Vorstellung der SED-Führung, sich die Geschichte anzueignen und die Erzählweise zu steuern. Die Erinnerung an die Opfer des Todesmarsches sollte eine dominante und sichtbare Rolle im öffentlichen Raum spielen, die Ausformung der Gedenkstätte die Überlegenheit des sozialistischen Systems über den Faschismus verdeutlichen.8

Das Narrativ der sozialistischen Überlegenheit hat sich heute überholt. Die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen machen es jedoch dringend notwendig, Gedenkorten wieder mehr Aufmerksamkeit und Raum, sowohl in unserem Bewusstsein als auch in unserem Lebensumfeld, zu ermöglichen.

Frauke Pixberg

Fußnoten

1 https://www.below-sbg.de/geschichte/april-1945-todesmarsch-und-waldlager/ (abgerufen am 26.06.2025; 10:57 Uhr)

2 Kurt Schliwski: Mein Leben. Autobiografischer Bericht, aufgezeichnet von Regina Scheer, Hrsg.: von der VVN.BdA Landesvereinigung MV, Schwerin, 2014, S. 32

3 vgl. Objektakte Raben Steinfeld, Mahn- und Gedenkstätte „Die Mutter“ An der Crivitzer Chaussee, Objektaktenarchiv LAKD

4 vgl. Mahn- und Gedenkstätte Raben Steinfeld, Hrsg.: Historisches Museum Schwerin, Schwerin, 1978, S. 10, 12, 20, 22.

5 vgl. Objektakte Raben Steinfeld, Mahn- und Gedenkstätte „Die Mutter“ An der Crivitzer Chaussee, Objektaktenarchiv LAKD

6 vgl. Objektakte Raben Steinfeld, Mahn- und Gedenkstätte „Die Mutter“ An der Crivitzer Chaussee, Objektaktenarchiv LAKD

7 ebenda

8 vgl. Mahn- und Gedenkstätte Raben Steinfeld, Hrsg.: Historisches Museum Schwerin, Schwerin, 1978, S. 21 sowie S. 23 ff.

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