Denkmal des Monats Juni 2025

Griechische Mythologie am Alten Garten in Schwerin - Der Portikusgiebel des Galeriegebäudes

Abb. 1: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Galeriegebäude, Zustand 1882Details anzeigen
Abb. 1: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Galeriegebäude, Zustand 1882

Abb. 1: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Galeriegebäude, Zustand 1882.

Abb. 1: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Galeriegebäude, Zustand 1882.

In der Baubeschreibung für das ab 1877 nach Plänen von Hofbaurat Hermann Willebrand im Bau befindliche Großherzogliche Galeriegebäude heißt es zunächst: „Das Giebelfeld über den 6 jonischen Säulen des Hauptportals – in der griechischen Baukunst für den erhabensten Bilderschmuck des Gebäudes bestimmt, der sich auf den Mythos der betreffenden Gottheit bezog – möchte hier mit einer figürlichen Darstellung aus der Mythologie zu schmücken sein. Zum Thema dieser Darstellung würde man etwa den Apoll, in der Mitte sitzend, wie er den Menschen die Künste lehrt, wählen können.“

Zunächst fehlten dafür jedoch die finanziellen Mittel. Durch eine geschickte Weiterverwendung der Fundamente und Grundmauern, die bis zur Einstellung des zuvor an gleicher Stelle geplanten Palaisbaus ausgeführt wurden, sparte man 22.000 Mark ein. Die plastische Ausschmückung des Portikusgiebels, die vordem zurückgestellt worden war, wurde nun möglich. Großherzog Friedrich Franz II. willigte ein und im April 1879 erhielt der Bildhauer Albert Wolff (geb.1815 in Neustrelitz; gest. 1892 in Charlottenburg) den Auftrag für die Schaffung eines Giebelreliefs. Friedrich Schlie, Direktor der Großherzoglichen Kunstsammlungen, hatte das Thema ausgearbeitet. Von ihm erhielt Wolff sehr detaillierte Vorgaben für die plastische Umsetzung des ikonographischen Programms (Abb. 1-2).

Abb. 2: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Portikusgiebel, 2020Details anzeigen
Abb. 2: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Portikusgiebel, 2020

Abb. 2: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Portikusgiebel, 2020

Abb. 2: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Portikusgiebel, 2020

Zur Ausführung kam ein anderes bedeutendes Thema der antiken Mythologie: Die Liebesgeschichte von Eros (Amor) und Psyche. Diese ist insbesondere durch die literarische Verarbeitung des römischen Schriftstellers und Philosoph Apuleius aus dem zweiten Jahrhundert n. Chr. in seinem lateinischen Roman „Metamorphosen“ bekannt geworden, sodass dort die griechischen von den römischen Götternamen abgelöst werden.

Der Gott Eros (Amor) verliebt sich in die sterbliche Königstochter Psyche. Sie wird als von solcher Schönheit beschrieben, dass sie selbst die Göttin Aphrodite (Venus) übertraf - ganz zu deren Missfallen. Die Göttin sann auf Bestrafung und beauftrage ihren Sohn Eros, Psyche an eine widerwärtige Kreatur zu verheiraten. Jedoch verliebte sich Eros in Psyche, die in der Folge viele Prüfungen durchleiden muss, jedoch zuletzt die Unsterblichkeit und legitim mit Eros vermählt ist. Der Mythos kann als Sinnbild der Vereinigung der menschlichen Seele mit dem göttlichen Geist gelten.
Der Begriff „Psyche“ kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet Atem, Hauch, Seele, jedoch auch Schmetterling. Der Schmetterling wird als Verkörperung der Seele angesehen. Daher wird Psyche gerne als menschlicher „Seelenvogel“ mit Schmetterlingsflügeln dargestellt.

Abb. 3: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Galeriegebäude, Rösser des Helios, fertiger Zustand Mai 2025Details anzeigen
Abb. 3: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Galeriegebäude, Rösser des Helios, fertiger Zustand Mai 2025

Abb. 3: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Galeriegebäude, Rösser des Helios, fertiger Zustand Mai 2025

Abb. 3: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Galeriegebäude, Rösser des Helios, fertiger Zustand Mai 2025

In der Mitte der bildhauerischen Komposition von Albert Wolff thront der Gottvater Zeus (Jupiter), der Amor und Psyche zusammenführt. Sie werden von Zeus im Beisein mehrerer Götter miteinander vermählt. Diese Verbindung von Geist und Sinnlichkeit führt zum Wesen der Kunst, für die das Gebäude bestimmt ist. Zeus thront im Zentrum der Darstellung, kenntlich an seinen Attributen, dem Zepter, welches er mit der Linken hält und dem Adler am Fuße seines Throns. Mit der Rechten ergreift er Psyches Hand, die links von ihm steht, um sie Eros zuzuführen. Dieser nähert sich mit bittender Geste, links seinen Bogen haltend, von rechts Zeus‘ Thron. Hinter Psyche thront Hera, die Göttin der Ehe, Frauen und Familie. Begleitet wird sie von Hebe, der Mundschenkin der Götter, mit einem Krug. Neugierig beugt sie sich etwas nach vorn, um nichts von der Zeremonie zu verpassen. Das Pendant zu diesen beiden Frauengestalten auf der rechten Seiten bilden links Aphrodite und Peitho, die zum Gefolge Aphrodites gehört und als Göttin der Überredungskunst gilt. Hier legt sie jedoch die Finger über ihre Lippen, um nicht vorlaut zu erscheinen. Nach außen schließen sich Apoll mit dem Greif und seiner Kithara auf der rechten und Dionysos, der einen Thyrsosstab in seiner Hand hält, in Begleitung eines Panthers und eines Satyrknaben auf der linken Seite an. In der linken Giebelecke steigt der Sonnengott Helios mit seinem Pferdegespann aus den Fluten auf (Abb. 3), während rechts die Mondgöttin Semele mit ihrem Kuhgespann am Horizont im Weltenmeer versinkt.

Um diese Szene für den Besucher lesbar und verständlich zu machen, ist die klare Wiedererkennbarkeit der einzelnen Figuren von größter Bedeutung. Dem damaligen und heutigen klassisch gebildeten Betrachter kann das gelingen, wenn die Figuren mit ihren typischen Attributen ausgestattet sind, die seit der Antike immer wieder in künstlerischen Darstellungen verwendet worden waren. So gehört zu Apollo die Kithara als Abbild der Weisheit und himmlischer Harmonie dargestellt sowie der Greif als Symbol scharf blickender Klugheit und des Sehertums. Dionysos wird häufig dargestellt mit einem Panther- oder Tigerfell bzw. mit dem Raubtier. Prägnante Attribute mehrerer Figuren sind lange Stäbe als Ausdruck göttlicher Macht.

Die Auswertung historischer Fotos zeigt, dass wohl insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts starke Schäden am Giebelfries auftraten. Die aus gelblicher Terrakotta hergestellten Figuren litten stark unter den Schadstoffen der Kohleverbrennung, unter Undichtigkeiten des Daches und mangelnder Instandhaltung und Pflege. Die Sanierungen am Portikus ab 1988 brachten einige Reparaturen hervor und einen sehr warmtonigen Anstrich der Figuren. Die zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich schon weitgehend verlorenen Zepter und Stäbe der göttlichen Figuren wurden nicht ersetzt.

Abb. 4: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Galeriegebäude, Zeus, Zustand Februar 2025Details anzeigen
Abb. 4: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Galeriegebäude, Zeus, Zustand Februar 2025

Abb. 4: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Galeriegebäude, Zeus, Zustand Februar 2025

Abb. 4: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Galeriegebäude, Zeus, Zustand Februar 2025

Im Jahr 2025 wurde die Sanierung der Fassaden, die sich bis 2019 schon die Hoffassaden umfasst hatte, an Eckhofplatz, Altem Garten und Werderstraße weitergeführt. Die ab 2024 durchgeführten Sanierungsarbeiten an den Fassaden des Galeriegebäudes erlaubten nun nach Jahrzehnten wieder eine nähere Betrachtung des Giebelfrieses. Mit der Erreichbarkeit vom Baugerüst aus wurden gravierende Fehlstellen schmerzlich deutlich, ebenso wie starke Schäden an den Oberflächen der Figuren. Wohl seit einigen Jahrzehnten fehlten die Stäbe von Zeus (Abb. 4) und Hera sowie des Dionysos (Abb. 5), welcher von einem Pinienzapfen bekrönt. Eros fehlte sein ikonischer Bogen.

Abb. 5: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Galeriegebäude, Dionysos, Zustand Februar 2025Details anzeigen
Abb. 5: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Galeriegebäude, Dionysos, Zustand Februar 2025

Abb. 5: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Galeriegebäude, Dionysos, Zustand Februar 2025

Abb. 5: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Galeriegebäude, Dionysos, Zustand Februar 2025

Nach einer Bestandsaufnahme wurden die Maßnahmen abgestimmt, wie mit Oberflächen und Gestalt umzugehen sei. In einer früheren Reparaturkampagne wurden Teile, wie ein Arm der Psyche, in Betonmaterial ersetzt. Hierzu wurde entschieden, bei zufriedenstellender Gestaltqualität diese Reparatur zu erhalten, jedoch die Oberflächen zu glätten. Einige Teile mussten neu hergestellt werden, wie eine Hand der Hera, wofür Sandstein verwendet wurde. Nach Abstimmung mit Bauherr Staatliches Bau- und Liegenschaftsamt Geschäftsbereich Schwerin, Restaurator Andreas Baumgart, Architekten Heidelmann und Klingebiel sowie der Landesdenkmalpflege fiel der Entschluss zur Wiederherstellung auch der Stäbe. Hierfür wurde mit Hochdruck nach geeigneten Bildquellen gesucht, um ein getreues Nachbilden zu ermöglichen. Erste gute Anhaltspunkte lieferte ein Foto von einem Bildhauermodell aus der Plansammlung der Landesdenkmalpflege (Abb. 6). Dieses Modell darf als Entwurf von Albert Wollf angesehen werden, mit dem er sich der Entwurfsaufgabe annäherte. Bis auf kleine Abweichungen stimmt es mit dem, was ausgeführt wurde, überein, jedoch nicht vollständig.

Abb. 6: Albrecht Wolff, Entwurfsmodell des Portikusgiebels, Albuminfoto, vor 1882 Details anzeigen
Abb. 6: Albrecht Wolff, Entwurfsmodell des Portikusgiebels, Albuminfoto, vor 1882

Abb. 6: Albrecht Wolff, Entwurfsmodell des Portikusgiebels, Albuminfoto, vor 1882

Abb. 6: Albrecht Wolff, Entwurfsmodell des Portikusgiebels, Albuminfoto, vor 1882

Abb. 7: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Galeriegebäude, Dionysos, Zwischenzustand Mai 2025Details anzeigen
Abb. 7: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Galeriegebäude, Dionysos, Zwischenzustand Mai 2025

Abb. 7: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Galeriegebäude, Dionysos, Zwischenzustand Mai 2025

Abb. 7: Landeshauptstadt Schwerin, Alter Garten 3, Galeriegebäude, Dionysos, Zwischenzustand Mai 2025

Ein genaues Abbild lieferte dann ein Katalog der Firma Ernst March & Söhne Tonwarenfabrik, die 1846 in Charlottenburg entstanden war. Unter dem Einfluss der Schinkelschen Architektursprache nahm der Sichtziegelbau seit dem frühen 19. Jahrhundert einen gewaltigen Aufschwung, der der Baukeramik zu großer Bedeutung und Nachfrage verhalf. In den Katalogen pries der Fabrikant seine hochwertigen Terrakotten an – so auch die ganze Figurengruppe, wie sie am Schweriner Galeriegebäude entstand.

Auf der Grundlage dieser Abbildungen wurden vier Zepter bzw. Stäbe bei Zeus, Hera, Aphrodite und bei Dionysos sowie der Bogen von Eros wiederhergestellt. Zugunsten der Dauerhaftigkeit an dieser nur mit großem Aufwand zugänglichen Stelle der Fassade wurden die ursprünglich in Terrakotta gefertigten Stäbe in dauerhafterem Material (Messingrohr, Messingblech und Messingguss) hergestellt (Abb. 7). Durch die einheitliche Beschichtung aller Figuren einschließlich ihrer Attribute in einem hellen Sandsteinton ergibt sich ein einheitliches Bild (Abb. 8-9).

Wenn im Oktober die feierliche Wiedereröffnung des Galeriegebäudes ansteht, lohnt also neben dem Besuch der überarbeiteten Ausstellungssäle im Inneren des Museums also auch eine Entdeckungstour an der Vorderseite des Gebäudes mit der antiken Götterwelt über den Köpfen der Menschen am Altem Garten.

Sabine Schöfbeck

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