Der vergessene Engel - Der Taufengel von Stolzenburg und seine Restaurierung

Denkmal des Monats Oktober 2010

Abb. 1. Stolzenburg, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Kirche, Taufengel, Fundsituation, 2009.Details anzeigen
Abb. 1. Stolzenburg, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Kirche, Taufengel, Fundsituation, 2009.

Abb. 1. Stolzenburg, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Kirche, Taufengel, Fundsituation, 2009.

Abb. 1. Stolzenburg, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Kirche, Taufengel, Fundsituation, 2009.

In der Dorfkirche Stolzenburg, einem Dorf westlich von Pasewalk, hängt seit 2016 wieder einer der "vergessenen" Engel, der nach jahrelanger Lagerung endlich seiner Nutzung innerhalb der kirchlichen Liturgie zugeführt werden konnte. Eine private Stifterin machte es im Jahr 2009 möglich, eine Restaurierung des Engels zu planen.

Bei einer ersten Besichtigung durch die kirchliche Verwaltung, das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege und eine Restauratorin bot sich auf dem Turmboden ein Bild, das an einem baldigen Erfolg zweifeln ließ (Abb. 1). Dabei zeigte sich neben dem fragmentarischen Engel auch eine Besonderheit in einer auf dem Boden abgestellten Scheibe mit Wolkenkranz (Abb. 2-3), Engelsköpfen und einem zentralen nur noch in Resten erhaltenen Strahlenkranz, welche vermutlich als Deckenabschluß für den Taufengel diente, da ein zentrales Loch vorhanden war. In unserem Bundesland finden wir eine solche Komposition lediglich noch in der Kirche Nehringen, wo der Wolkenkranz mit vier Engelsköpfen außen von einem Strahlenkranz umgeben wird. Auch außerhalb Mecklenburgs gibt es wohl nur noch wenige dieser Kombinationen. So war lediglich eine Notiz über einen geschnitzten Wolkenkranz in der Dorfkirche Falkenhagen in der Uckermark zu finden, allerdings fehlt hier wohl leider der Taufengel.

Der Zustand beider Stücke war erschreckend. Der vorhandene Korpus des Engels war, ebenso wie die Wolkenscheibe, stark verschmutzt, so dass Einzelheiten einer eventuell noch vorhandenen Fassmalerei nur schwer zu erkennen waren. Dem Engel fehlten beide Arme, die Füße, ein Teil eines Flügels und der andere Flügel vollständig (Abb. 4) sowie Teile der aufsitzenden Krone. Vorhanden sind auf der Vorder- und Rückseite eiserne Ösen und Ringe der ehemaligen Aufhängung. Am Wolkenkranz zeigten sich unter der Schmutzauflage stark abgängige Fassungsreste. Die mittleren Brettfugen waren geöffnet und vom Strahlenkranz waren neben einem geschnitzten Strahl lediglich einige Negativabdrücke vorhanden.

Bereits zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich das Dilemma ab, diesen stark fragmentarischen Zustand beider Stücke durch zwingend notwendige aber – wenn auch durch vergleichende Recherchen unterstützte – weitestgehend freie bildhauerische Rekonstruktionen sowie farbliche Ergänzungen bis hin zu Fassungsrekonstruktionen auf den neu angefertigten Teilen zu rekonstruieren, um den Engel wieder als Taufengel nutzen zu können. Aus denkmalpflegerischer und kunsthistorischer Sicht sind solche großen Eingriffe in das historische Erbe immer problematisch, aber für eine sinnvolle Nutzung und damit gegen das endgültige Vergessen und den Totalverlust doch meist ohne Alternative.

In ersten Schritten musste durch eine intensive konservatorische Sicherung und Reinigung der Istzustand des Trägers und der fragmentarisch erhalten gebliebenen Fassmalerei konserviert werden. Gleichzeitig konnte man sich so einen Überblick über die Quantität und Qualität der Fassungsfragmente verschaffen. Während am Engel noch viele, gut ablesbare Reste der originalen Fassung vorhanden waren, hielten sich die Befunde am Wolkenkranz sehr in Grenzen, obwohl trotzdem die Farbigkeiten der einzelnen Bereiche gut ablesbar und für eine Rekonstruktion ausreichend waren. Der Zustand des Trägers der Wolkenscheibe war stabil, wenn auch durch offenliegende Fraßgänge zum Teil stark zerklüftet. Partiell fehlten Nasen und Flügel der Köpfe der Putti, die aber anhand der noch vorhandenen Teile gut nachvollziehbar waren. Offene Fugen wurden mit Kiefernholz geschlossen und kleinere Fehlstellen mit Holzkitt ergänzt.

Aus den oben genannten Gründen hat man sich trotz der geringen Fassungsreste für eine darauf aufbauende Fassungsrekonstruktion entschieden. Unter Einbeziehung der spärlichen Fassungsreste wurden mehrschichtig Temperalasuren aufgetragen, wobei die Fragmente bewusst sichtbar blieben (Abb. 5).

Ein wesentlich größeres Arbeitspensum ergab sich bei der Bearbeitung des Engels selbst. Nach der oben genannten Reinigung und Konservierung der fragmentarischen Fassmalerei mit Hausenblasenleim und partiell mit Kunstharzen (Abb. 6) erfolgten die vorbereiteten Arbeiten für die umfangreichen bildhauerischen Rekonstruktionen. Da selbst umfassende Bildrecherchen bei einer Fülle noch erhaltener Taufengel nur selten eine 1:1 Vorlage ergeben, war auch hier durch zeichnerische Studien (Abb. 7) und ein modellieren in Ersatzmasse ein langsames Herantasten an ein stimmiges Endergebnis, welches durch Abstimmungen zwischen Ausführenden und Auftraggebern letztlich untermauert wurde, erforderlich. Gewisse Zwänge der Armhaltung ergaben sich durch die vorhandenen Schulteransätze, so dass am Ende doch ein befriedigendes Ergebnis, sowohl in der Armhaltung, den Proportionen wie auch in der zum restlichen Korpus passenden, bildhauerischen Ästhetik erreicht wurde (Abb. 8). Die gleiche Vorgehensweise, wenn auch nicht vom selben Schwierigkeitsgrad, fand bei den fehlenden Füßen, den Flügeln und der Krone ihre Anwendung. Nach der Abnahme der Entwürfe wurden die Teile in Lindenholz geschnitzt und mit dem Korpus verbunden. Ebenfalls anhand von Vergleichsbeispielen konnte eine passende Taufschale in Form einer Muschel mit Messingeinsatz gefertigt werden.

Ziel der Fassungsrekonstruktion war die Einbeziehung der erhalten gebliebenen originalen Fassungsreste am Gewand, dem Untergewand und dem Inkarnat der Beine. Die holzsichtigen Bereiche wurden bis auf das Niveau der Fassungsreste mehrlagig mit einem Kreidegrund grundiert und geschliffen. Mit einer Strichretusche im blauen Gewand (Abb. 9) und farbigen Lasuren im Bereich des Inkarnates sowie Perlglanzretuschen innerhalb der Gewandornamente konnten Original und Ergänzung einander angenähert werden (Abb. 10). Geplante Vergoldungen wurden mit einem Ockerton farbig unterlegt. Alle bildhauerischen Ergänzungen wurden in vier bis fünf Lagen mit einem Kreidegrund versehen, welcher geschliffen und mit mehrschichtigen Temperalasuren gefasst wurde. Kleine Reste der originalen Inkarnatfassung im Gesicht wurden überfasst, da diese ein fleckiges Erscheinungsbild zur Folge gehabt hätten. Die sichtbare Diskrepanz zwischen neu gefassten Teilen und den vor allem im Bereich des Gewandes retuschierten Partien, bedingt durch den vorhandenen originalen Fassungsbestand, war zu erwarten und ist zu akzeptieren. Flügel, Muschel und Krone wurden vergoldet und anschließend patiniert, um den frischen Goldcharakter etwas zu reduzieren. Zum Abschluss erhielt die Fassung einen sehr matten, schützenden Dammarüberzug (Abb. 11).

Die Aufhängung sollte ein Auf und Ab des Engels durch die Öffnung im Wolkenkranz ermöglichen. Dazu wurde ganz pragmatisch im Dachboden eine hölzerne Umlenkrolle für das Seil und als Gegengewicht ein mit Sand befüllter Sack befestigt. Dieser muss allerdings vor dem Gebrauch entsichert werden, um die Gefahr eines Absturzes des Engels zu vermeiden.

Frank Hösel

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