„Grad' auf die Felder hinab sah Juno indes von der Höhe…“* - Juno und Ceres, zwei Antikenkopien, vervollständigen das Schweriner Schloss

Denkmal des Monats September 2023

Abb. 01. Landeshauptstadt Schwerin, Schloss, Blick auf den Burgseeflügel.Details anzeigen
Abb. 01. Landeshauptstadt Schwerin, Schloss, Blick auf den Burgseeflügel.

Abb. 01. Landeshauptstadt Schwerin, Schloss, Blick auf den Burgseeflügel.

Abb. 01. Landeshauptstadt Schwerin, Schloss, Blick auf den Burgseeflügel.

Nähert man sich dem Schweriner Schloss von der Schloßstraße aus, so fällt sofort der skulpturale Schmuck der Hauptportalfassade auf. Das überlebensgroße Reiterdenkmal des Obotritenfürsten Niklot in einer eigens dafür geschaffenen Halle prägt sie entscheidend. Aber auch die Figuren Schweriner Grafen und Mecklenburgischer Herzöge verleihen ihr eine hohe Repräsentativität mit einem eigens dafür entwickelten ikonographischen Programm.

Doch nicht nur hier, auch an anderen Fassaden des Schlosses gab es skulpturalen Schmuck, der im Laufe der Zeit zum Teil verloren ging oder beschädigt war. So auch am Burgseeflügel (Abb. 1). Die einstmals hier aufgestellten Figuren wurden wiederhergestellt und damit das ursprüngliche Erscheinungsbild des Bauwerks vervollständigt.

Der Burgseeflügel zeigt sich als sechsgeschossiger elfachsiger Bau mit einem Mittelrisalit von drei Achsen. Das fünfte Obergeschoss springt leicht zurück. Ihm ist ein schmaler Austritt mit Balustrade vorgelegt. Auf dieser stehen nun wieder die Kopien zweier antiker Skulpturen: Juno und Ceres (Abb. 2).

Juno, dargestellt mit ihren Attributen Opferschale und Langszepter, gilt als Vorsteherin des ehelichen Lebens und Beschützerin der Ehefrauen, aber auch als Göttin der Familie und der Fürsorge. Ceres, Göttin des Ackerbaus und der Fruchtbarkeit, erscheint mit einem Ährenbündel und einer Fackel.

Beide Figuren bestanden aus Zinkguss und waren mit einer sandsteinfarbigen Besandelung versehen, um wie Sandsteinplastiken zu wirken. Sie stammten aus der Fabrikation von Moritz Geiss in Berlin, einem der führenden Zinkgussfabrikanten in der Mitte des 19. Jahrhunderts, der seine Produkte ab 1841 in Musterheften vorstellte und sie auf Bestellung an seine Kunden lieferte (Abb. 3). Im 19. Jahrhundert blühte die Zinkgussproduktion. Mit diesem Material konnten im Gussverfahren Architekturdetails, Ornamente und figürliche Plastiken relativ leicht und kostengünstig hergestellt und mit einer entsprechenden Farbfassung versehen werden, sodass sie als Ersatz für Marmor-, Sandstein-, Bronze- und auch Holzobjekte dienten. Die für den Burgseeflügel des Schweriner Schlosses erworbenen Frauengestalten wurden beim Brand des Schlosses 1913 schwer beschädigt. Vermutlich entfernte man sie im Zuge des äußeren Wiederaufbaus bis 1918.

Die Vorbilder für Juno und Ceres fanden sich seinerzeit im Königlichen Museum in Berlin, dem heutigen Alten Museum. Es sind zwei römische Marmorfiguren des 2. Jahrhunderts, die nach griechischen Originalen aus der Mitte beziehungsweise dem letzten Viertel des 5. Jahrhunderts v. Chr. entstanden waren.

Ikonographisch ist zumindest Juno an dieser Stelle schwer zu deuten. Ceres ist als Göttin des Ackerbaus eindeutig auf den großen Speisesaal bezogen, der in der Festetage des Burgseeflügels, dem dritten Obergeschoss, eingerichtet werden und zwei Etagen einnehmen sollte, denn die Früchte des Ackers wären dort in vielerlei Gestalt auf die großherzogliche Tafel gelangt, wäre der Saal je vollendet worden. Doch bis zum verheerenden Schlossbrand war er lediglich im Rohbau fertiggestellt und blieb nach dem Schlossbrand bis zur Abdankung des Großherzogs Friedrich Franz IV. 1918 als beräumte Ruine liegen.

Die Einordnung Junos in diesen Kontext ist hingegen problematischer. Als Göttin der Fürsorge könnte sie hier eine gewisse Rolle spielen, doch Besser passt an dieser Stelle wohl ihre Funktion als Wächterin über die Familie, denn dieser Flügel diente auch der zeitweisen Beherbergung von Familienmitgliedern. So befanden sich in der Beletage, dem zweiten Obergeschoss, die Prinzenzimmer, Wohnräume für die nichtregierenden Nachkommen. Im Geschoss darunter lagen die sogenannten Strelitzer Kammern, eine Wohnung für hohe Gäste, die auch ab und zu von der verwandten Fürstenfamilie Mecklenburg-Strelitz bewohnt wurde und die nach ihr ihren Namen erhalten hat. Dieser Umstand mag erklären, weshalb auch Juno an diesem Flügel erscheint.

Als sich die Verantwortlichen für den Schlossbau vor einigen Jahren dafür entschieden hatten, diese Skulpturen neu anzufertigen, war auch die Frage der Materialität zu klären. Obwohl eine denkmalpflegerische Prämisse darin besteht, Ergänzungen materialgerecht vorzunehmen, was in diesem Fall bedeutet hätte, die Skulpturen wieder aus Zinkguss herzustellen, folgte die Denkmalpflege dem Wunsch der Bauherrin und befürwortete die Herstellung der Figuren als Bronzegüsse. Ausschlaggebend dafür waren die bessere Haltbarkeit des Materials gegenüber immer extremer werdenden Witterungseinflüssen und statische Erfordernisse.

Für die Vervollständigung des Burgseeflügels mit diesen beiden Figuren war es notwendig, geeignete Vorlagen zu finden, die sich für eine Vervielfältigung eigneten. Es gab sie in Neustrelitz. In den 1860er Jahren wurden entlang der Auffahrt zum Schloss Zinkgüsse antiker Götterskulpturen aufgestellt. Unter ihnen befinden sich auch Juno und Ceres. Sie stammen ebenfalls aus der Gießerei von Moritz Geiss und stimmen in der Größe mit den Schweriner Figuren überein. Man nahm jedoch keine Abformung im herkömmlichen Sinne mit einer Abformmasse vor. Stattdessen fertigte eine Spezialfirma 3D-Scans von beiden Figuren an, die später in mehreren Teilen als 3D-Drucke ausgeführt wurden. Diese Drucke bildeten die Grundlage für die Anfertigung der Wachsmodelle für den Guss (Abb. 4).

Schon bei den 3D-Drucken fiel auf, dass die sichtbare Sandalette des linken Fußes der Juno keine Riemen hatte und somit natürlicherweise am Fuß keinen Halt haben konnte. War dieses Detail beim Scannen verloren gegangen? Hatte es der Kopist im 19. Jahrhundert übersehen? Diese Fragen waren vor dem Guss zu klären. Gegebenenfalls müsste er nachmodelliert werden, um dem Original möglichst nahe zu kommen. Ein Abgleich mit der in der Berliner Skulpturensammlung verwahrten Skulptur, die schon Moritz Geiss für seine Zinkgussrepliken im 19. Jahrhundert nutze, offenbarte jedoch, dass auch hier der Riemen an der Sandalette fehlte und es sich somit bereits um einen „antiken Mangel“ handelte, der nicht zu korrigieren war.

Der Guss beider Figuren erfolgte in einer Berliner Gießerei. Eine renommierte Metallrestaurierungswerkstatt war mit der Planung der Maßnahme beauftragt worden, die vom Staatlichen Bau- und Liegenschaftsamt Mecklenburg-Vorpommern, einer freiberuflich tätigen Architektin und dem Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern fachlich begleitet wurden.

Als Gussverfahren hat man das Wachsausschmelzverfahren genutzt. Die Wachsformen entstanden auf der Grundlage der 3D-Drucke. Nach ihnen stellte man zunächst die Silikonformen als Negativformen her (Abb. 5). Durch das Einbringen von Wachs in die Negativformen erhielt man die Wachsmodelle für den Guss der Bildwerke (Abb. 6). Weil von ihnen die Detailtreue der zukünftigen Figuren abhing, sind sie noch intensiv retuschiert worden. Details wurden nach Abgleich mit den antiken Vorbildern sowie mit Hilfe kunsthistorischer Recherchen und Hinweise bildhauerisch nachgearbeitet und geschärft. Am Ende gab es zwei Wachsmodelle, die ihren Vorbildern trefflich entsprachen.

Danach wurden die Einguss- und Entlüftungskanäle mit akribischer Genauigkeit angebracht und anschließend die Formen mit einer Einbettmasse ummantelt (Abb. 7), in Metallbehältnisse verbracht und diese mit einer Gips-Schamotte-Mischung aufgefüllt. Im Ofen schmolz das Wachs aus. Die entstandenen Hohlräume konnten nun mit flüssiger Bronze gefüllt werden (Abb. 8). Aufgrund der Größe der Figuren waren mehrere Gießvorgänge für verschiedene Teile notwendig.

Die Rohgüsse wurden dann ziseliert, das heißt, die Feinheiten der Reliefs waren nachzuarbeiten, bevor die Figuren zusammengesetzt werden konnten (Abb. 09). Am Schluss, nach dem Zusammensetzen aller Teile und innerlich stabilisiert, erhielten Juno und Ceres mittels einer speziellen Spritztechnologie ihre Materialimitation, die ihnen das Aussehen von Sandsteinplastiken verleiht (Abb. 10). Fest mit der Fassade verankert, komplettieren diese Figuren den Burgseeflügel nun schon seit Juni des vergangenen Jahres (Abb. 11-12). Ein Blick nach oben lohnt sich also an dieser Stelle wieder und bald sicher auch am benachbarten Schlossgartenflügel, denn auch dort soll demnächst der Skulpturenschmuck vervollständigt werden.

Dirk Handorf

*Ovid, Metamorphosen, 1. Buch, 601.

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