Arboretum oder kein Arboretum – Der Blücherhof bei Klocksin

Denkmal des Monats November 2023

Abb. 2. Blücherhof, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Gutshaus nach seiner Überformung im Neorokoko-Stil, um 1955Details anzeigen
Abb. 2. Blücherhof, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Gutshaus nach seiner Überformung im Neorokoko-Stil, um 1955

Abb. 2. Blücherhof, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Gutshaus nach seiner Überformung im Neorokoko-Stil, um 1955

Abb. 2. Blücherhof, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Gutshaus nach seiner Überformung im Neorokoko-Stil, um 1955

Im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, nur wenige Kilometer südlich von Klocksin, liegt ein kleines gartenkünstlerisches Kuriosum Mecklenburg-Vorpommerns: Der Blücherhof mit dem dazugehörigen Park, der mehr ist als ein Landschaftspark.

Das Gut Blücherhof wurde 1791 von Ludwig von Blücher errichtet, als Brautgabe an seine Tochter, die den Hauptmann Hans Heinrich Ludwig von Arnim heiratete, womit das Gut in dessen Besitz fiel. Aus Dankbarkeit für seinen Schwiegervater gab dieser dem Gut 1798 den Namen „Blücherhof“. Nach mehreren Besitzerwechseln ging das Gut in den Besitz des Freiherrn Karl Axel von Maltzahn über. 1900 wurde das Gut zusammen mit weiteren Ortschaften und Gütern zwangsversteigert und ging zunächst an einen Hamburger Kaufmann, der es schließlich im Jahr 1904 an den Bonner Ornithologen und Naturforscher Alexander Koenig verkaufte. Er zahlte den stattlichen Preis von 990.000 Mark für das Gut und ließ in den folgenden Jahren noch einen Teil seines geerbten Vermögens in den Besitz einfließen. So baute er Blücherhof zu einem Mustergut aus. Modernste Einrichtungen und landwirtschaftliche Techniken kamen hier zum Einsatz. Das Gut galt bald als eines der modernsten in Mecklenburg, mit fließendem Warmwasser selbst in den Arbeiterwohnungen und einem eigenen Schienensystem, auf dem die Ernte vom Feld zum Wirtschaftshof transportiert wurde.1

Neben dem Ausbau des Wirtschaftsgutes widmete sich A. Koenig der Umgestaltung von Herrenhaus und Gutspark. Das klassizistische Gutshaus ließ er aufwendig im Neorokoko mit Elementen des Jugendstils umbauen. Ein fünfseitiger Mittelrisalit dominiert die Mittelachse des Hauses, das mit einem Mansardendach ausgestattet wurde (Abb. 1-2). Auch die Wirtschaftsgebäude des Gutes entstanden unter A. Koenig neu, lediglich die Schmiede ist noch der barocken Zeitschicht zuzuordnen.

Als Vorläufer des heutigen Gartendenkmals existierte auf dem Parkgelände ein Hudewald, der den ansässigen Bewohnern als Futterstelle für ihr Vieh diente. Von dieser Zeit zeugen heute noch Eichen und Buchen von besonders hohem Alter. So sind im Park mehrere gut 500 Jahre alte Eichen zu bestaunen2 (Abb. 3). Zurzeit seiner Gründung im 18. Jahrhundert wurde mit dem Gut auch ein erster Park angelegt. Die Messtischblätter des ausgehenden 19. Jahrhunderts zeigen einen Park mit einem kleinen, landschaftlich gestalteten Bereich und einem ebenso großen, barock gehaltenen Garten (Abb. 4). Zu dieser Zeit existierte eine Zufahrt zu Blücherhof, die von Nordwesten kommend, durch den Park, auf das Herrenhaus hin orientiert war. Sie fungierte als Raumteiler und betonte die dichotome Struktur zwischen dem englisch geprägten Landschaftspark auf der einen, und dem Barockgarten auf der anderen Seite der Achse. Der Buchenbestand und das auf einer Erhebung stehende Lindenrondell sind Überreste dieser spätbarocken/klassizistischen Zeitphase.3

Mit dem Erwerb des Gutes durch A. Koenig sollte sich auch der Park stark verändern: Der neue Besitzer selbst war ein leidenschaftlicher Naturforscher, Ornithologe und Sammler, mit einem eigenen Museum in seiner Heimatstadt Bonn. Blücherhof sollte ein Sommersitz sein, der dem neuen Gutsherrn Betätigungsmöglichkeiten bot. Er beobachtete Enten und Schildkröten auf den Gutsteichen, jagte auf den zum Gut gehörigen Seen Wasservögel und betrieb wissenschaftliche Beobachtungen im eigens eingerichteten Wildgatter, das südwestlich des Gutes lag.4

Um den Landschaftsgarten nach seinen Vorstellungen umzugestalten, engagierte A. Koenig den erfahrenen Gartenarchitekten Georg Kuphaldt, der es als Stadtgartendirektor in Riga zu einigem Renommee gebracht hatte.

Bei aller gestalterischen Planung, die er G. Kuphaldt überließ, hatte der Besitzer von Blücherhof immer den Anspruch, seine Sammlung exotischer Gehölze und Pflanzen in den Park miteinzubringen. G. Kuphaldt selbst beschreibt den Park später als „einen Gemeinschaftstyp zwischen Kunst und Wissenschaft“5. Ganz dem Geschmack des Historismus folgend will A. Koenig vor allem Nadelhölzer und Koniferen in den Park pflanzen. Dabei soll der Garten kein Sortimentgarten werden, also kein wissenschaftliches Arboretum im Sinne einer reinen geordneten Sammlung sein. Vielmehr verlangt A. Koenig von G. Kuphaldt den Spagat eines Landschaftsgartens, in den sich die Sammlung harmonisch einfügte aber gleichzeitig einen hervorgehobenen Charakter hatte. So sind Gehölzgruppen so arrangiert und gepflanzt, dass sie eine besondere Betrachtung erfahren können aber ein Teil der gartenkünstlerischen Gestaltung bleiben. Den Grundstock des Landschaftsparks bildete der bereits vorhandene und alte Bestand an Laubbäumen, die G. Kuphaldt in seine Gestaltung mit aufnahm und quasi als vorbemalte Leinwand für seine weitere Komposition nutze. So machte der Park schon direkt nach seiner Fertigstellung den Eindruck eines seit Jahren gewachsenen Gartens. Die neu gepflanzten Nadelhölzer sollten mit der Zeit den Anblick erweitern und neue Hauptansichten und Blickpunkte ausbilden.6

Ein weiteres von G. Kuphaldt genutztes Gestaltungselement war die Einbringung kleiner Staffagebauten. In Blücherhof gab es mehrere dieser Kleinodien, die zum Unterhaltungswert des Parks beitragen sollten. Neben dem Sonnentempel, der auf einer künstlichen Erhöhung, dem sogenannten „Guckaus“, lag (Abb. 5), waren da noch das am südwestlichen Rand des Parks gelegene Teehaus (Abb. 6) sowie das schmückende Lindenrondell in der Parkmitte. Diese Bauten sollten weniger der Nützlichkeit dienen, sondern einen verzierenden Charakter einnehmen. Die an japanische und chinesische Stilelemente angelehnten Gestaltungen der Bauten von Teehaus und Sonnentempel nehmen hier den exotischen Charakter der von A. Koenig gesammelten Gehölze auf und verstärken so den für den Zeitgeist typischen Geschmack mit seiner Begeisterung für die kolonialen Besitztümer des Kaiserreiches.

Die Bauten lagen zudem nicht direkt am den Park einfassenden Hauptweg, sondern standen häufig versteckt am Ende von Nebenwegen. So wurde die „Erforschung“ des Landschaftsgartens gefördert und der Besucher am Ende mit einem Schmuckbau oder auch einer besonderen Aussicht belohnt. Diese points de vue spielten in der Parkgestaltung eine wichtige Rolle. Der Park in Blücherhof ist mit nur knapp sieben Hektar Fläche ein eher kleiner Gutspark. Die Pläne zur Gestaltung des Parks griffen daher auf einen Kniff in der Gartenbaukunst zurück, um den Park für den Besucher größer erscheinen zu lassen. Der Blick des Besuchers wurde immer wieder über die Parkgrenzen hinweg in die Landschaft geleitet, so erschien sich der Park bis weit hinter seine eigentlichen Grenzen zu erstrecken. Die wellige Topografie sowie einzeln in den Feldern stehende, mächtige Eichen eignen sich hervorragend, den Blick ins Weite zu leiten.7 Eine dazu im Kontrast stehende Eigenschaft des Blücherhofparks ist nur die teilweise bis zu zwei Meter hohe Mauer, die den gesamten Park umgibt und die einen Bruch für das Auge bedeutet.

Abschließend kann gesagt werden, dass es Alexander Koenig und Georg Kuphaldt gelungen ist, hier einen hinsichtlich seiner Gestaltungsmerkmale einzigartigen Garten in Mecklenburg zu schaffen. Kein Arboretum, aber eben auch kein gewöhnlicher Landschaftspark. Für ein Arboretum fehlen die konstruierenden Merkmale, wie eine wissenschaftliche Anordnung und Sammlung der Gehölze im Parkgelände. Allerdings wird der reichhaltigen immergrünen Gehölzsammlung Vorschub geleistet, vor der Gestalt des Gartens. So dient die Bepflanzung nicht der Präsentation des gesamten Gartens und seiner Gestalt, sondern der Garten in seiner Gestalt dient als Ausstellungsfläche, in die die seltenen Gehölze und Pflanzen kunstvoll integriert werden.8 Im weitesten Sinne spiegelt sich hier A. Koenigs Tätigkeit im musealen Bereich wider. Ähnlich der Dioramen, die im Museum Koenig in Bonn zur Präsentation und naturräumlichen Einordnung der gesammelten und präparierten Tier- und Pflanzenarten dienten, diente der Landschaftspark in Blücherhof als Kulisse für die exotische dendrologische Sammlung A. Koenigs.

Nach dessen Tod im Jahr 1940 weckte das Gut einige Begehrlichkeiten, konnte sich einem Zugriff durch lokale, nationalsozialistische Größen jedoch entziehen. Mit dem Tod von A. Koenigs Frau Margarethe erhielt die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft Berlin Gelegenheit die Räumlichkeiten des Gutshauses zu mieten. Diese nutzte das Gut zur Unterbringung der Sammlungs- und Ausstellungsobjekte sowie der Bibliothek des Deutschen Entomologischen Institutes aus Berlin-Dahlem. 1945 wurde das Gut enteignet und 1950 ein Jugendwerkhof eingerichtet. 1961 befand sich hier ein sogenanntes „Spezialkinderheim“.

In jener Zeit wurden auch tiefgreifende Veränderungen an Haus und Park vorgenommen. So wurde das Mansarddach zugunsten eines zweiten Stocks in ein flaches Walmdach umgebaut, die Räume den Bedürfnissen der Unterbringung vieler Personen angepasst und der Garten so umgestaltet, dass die Kinder und Jugendlichen sich dort betätigen konnten9.

Das Kinderheim wurde erst 2003 aufgelöst. Hiernach wurden die vorgelagerten Wirtschaftsgebäude unabhängig vom Herrenhaus und dem erhaltenen Landschaftspark verkauft, sodass sich heute eine Zweiteilung des Gutes ergibt. Das Wirtschaftsgut wurde in den letzten Jahren aufwendig saniert und in Stand gesetzt. Herrenhaus und Park sind vielmehr seit 2004 in Privatbesitz. Eine Besichtigung des Parks ist jedoch für die Öffentlichkeit wieder möglich.

Die schlechte Pflege in der DDR-Zeit sowie eine nicht fachgerechte Aufforstung und viel Wildaufwuchs haben dem Park in den letzten Jahrzehnten stark zugesetzt. Sonnentempel und Teehaus sind in ihrer bauzeitlichen Struktur nicht mehr vorhanden. Während der Sonnentempel rekonstruiert wurde (Abb. 7), sind vom Teehaus nur noch Fundamentreste übriggeblieben. Gehölze und Strukturen benötigen einen fachkundigen Schnitt und müssen wieder freigestellt werden. Die Verlandung der wasserführenden Kanäle sowie die zunehmend trockeneren Jahre bedeuten für die alten Bäume zusätzlichen Stress. Wie jedes Denkmal benötigt auch der Park in Blücherhof eine fachgerechte Pflege, um in voller ehemaliger Pracht wirken zu können.

Frauke Pixberg


1 Rainer Hütterer, Blücherhof in Mecklenburg: Mustergut, Sommersitz und Gästehaus Alexander Koenigs von 1904-1940. In: Tier und Museum, 1998, S. 4-5, 9.

2 https://www.baumkunde.de/baumregister/ => Suchfilter Klocksin + Stiel-Eiche; Stand: 16.10.2023, 15:19 Uhr.

3 Heiko Zerwer, Der Park Alexander Koenigs in Blücherhof. In: Tier und Museum, 1998, S. 19.

4 Rainer Hutterer, Blücherhof in Mecklenburg. In: Tier und Mensch, 1998, S. 3.

5 Georg Kuphaldt, Die Praxis der angewandten Dendrologie in Park und Garten. Berlin 1927, S. 371.

6 Heiko Zerwer, Der Park Alexander Koenigs in Blücherhof. In: Tier und Museum, 1998, S.24f.

7 Heiko Zerwer, Der dendrologische Park Blücherhof. Berlin 1998, S. 24, 26-27.

8 Heiko Zerwer, Der dendrologische Park Blücherhof. Berlin 1998, S. 28.

9 Heiko Zerwer, Der dendrologische Park Blücherhof. Berlin 1998, S. 15-17.

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