Die Fachwerkstadt Parchim

Denkmal des Monats Januar 2022

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Abb. 2. Parchim, Lindenstraße 6, 2021.

Abb. 2. Parchim, Lindenstraße 6, 2021.

Abb. 2. Parchim, Lindenstraße 6, 2021.

Die Stadtgestalt der 1170 erstmals erwähnten, an der Elde gelegenen Stadt Parchim entstand durch den Zusammenschluss von Altstadt und Neustadt mit Burg um 1282. Sie zählte um 1600 neben Rostock und Wismar zu den bedeutendsten Handelsstädten im Herzogtum Mecklenburg. Zahlreiche Fachwerkbauten haben sich im Stadtbild aus dieser Zeit der wirtschaftlichen Prosperität erhalten, die Zeugnis vom künstlerischen Einfluss Mitteldeutschlands ablegen. Nirgendwo sonst in Mecklenburg sind zudem aus dieser Zeit noch so viele Gebäude mit Fachwerkinschriften zu finden, die vom Stolz ihrer damaligen Eigentümer erzählen.

Zahlreiche Giebelhäuser, wie das Kontorhaus Lindenstraße 3 von 1583 (Abb. 1), das Haus Lindenstraße 6 von 1604 (Abb. 2) oder das sog. Zinnhaus in der Langen Straße 24 von 1612 (Abb. 3) folgen der im Mittelalter und in der frühen Neuzeit üblichen Geschoßständerbauweise wie wir sie etwa auch aus Wismar oder Schwerin kennen. Die Hauslandschaft, die nach Stadtbränden von 1586 und 1612 entstand, ist eng verbunden mit der Prignitz, namentlich finden sich Vergleichsbauten vor allem in Perleberg. Sonderbauten, wie der Speicher in der Mittelstraße 12/Rosenstraße 9 von 1588 (Abb. 4), ein als Hochständer mit Zapfenschlössern konstruierter Fachwerkbau, der dem Speicher Schuhmarkt 1 in Perleberg verwandt ist, sind in Mecklenburg in dieser Form sonst nicht mehr erhalten. Er zeigt eine mittige Spitzsäule im Giebeldreieck und eine Besonderheit auch an einzelnen Gebinden des Dachstuhls, wo sich die Sparren an die Spitzsäule anlehnen. Ein seltener Gebäudetyp, ein als Doppelwohnhaus errichtetes Giebelhaus von 1659 in der Apothekerstraße 2/3, ist heute leider nicht mehr vorhanden (Abb. 5).

Von 1667 bis 1708 war Parchim Sitz des Hof- und Landgerichts in Mecklenburg. Von 1733 bis 1788 befand sich Parchim als Folge des Nordischen Krieges unter preußischer Pfandbesetzung.

In dieser Zeit entstand das laut Inschrift 1691 in Geschoßständerbauweise mit seitlicher Durchfahrt errichtete traufständige Wohnspeicherhaus Mühlenstraße 38 mit Inschrift, Perlstab und Fußbändern als Zier der nach einer Rekonstruktion der 1980er Jahre noch heute erhaltenen Fassade (Abb. 6). Wohl noch vor 1733 und der Einführung entsprechender Bauverordnungen ist das Eckwohnhaus Wockerstraße 1 zu sehen (Abb. 7). Dieser Hochständerbau weist an der Traufseite den für Parchim üblichen Abbund mit eingefügten kürzeren Stielen und Riegeln zwischen den mit durchlaufenden Riegeln verbundenen Hochstielen auf. Die Deckenbalken liegen auf der mittigen Riegellage, das Rähm ist vergleichsweise schlank ausgebildet.

Gerade aus der Zeit der Preußischen Pfandbesetzung haben sich aber vor allem zahlreiche traufständige Doppelhäuser in Parchim erhalten, die an dieser Stelle vorgestellt werden sollen. Diese zweigeschossigen, meist nur sechsachsigen Fachwerkbauten mit Satteldach sind in unterschiedlicher Fachwerkkonstruktion überliefert. Sie sind in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sowohl als älterer Hochständerbau wie auch als Geschossbau zu finden. Die mit schmaler Tüsche ausgeführten Handwerkerhäuser weisen noch heute zumeist die Zugänge seitlich der trennenden Mittelwand auf. Die Innenstruktur mit durchlaufender Diele und Stiege ins Obergeschoss wiederholt sich als Stube-Kammer-Küche-Abfolge, diente also zwei Familien als Unterkunft. Lindenstraße 40/41 sowie Auf dem Brook 30/31 (Abb. 8) sind hierbei Beispiele für die Hochständerkonstruktion. Mittelstraße 7/8 (Abb. 9) oder Rosenstraße 24/25 (Abb. 10) zeigen den geschossweisen Abbund, letzteres mit einem wenn auch wohl jüngeren, als Stall und erweiterter Wohnfläche genutzten Seitenflügel.

Die Beispiele belegen die Vielzahl der in Parchim anzutreffenden unterschiedlichen Fachwerkkonstruktionen und Gebäudetypen. Sie geben einerseits Aussagen über die Zimmermannskunst der jeweiligen Zeit, so etwa hinsichtlich der sparsamen Verwendung von Zierformen wie Fächerrosetten oder der Vielzahl der nur noch in Grabow zahlenmäßig anzutreffenden Inschriften. Anderseits lassen sich wertvolle Informationen über die Stadtstruktur und die wirtschaftliche Prosperität der Stadt durch die große Zahl kleiner zweigeschossiger Typenbauten, die als Handwerkerhäuser anzusprechen sind, ablesen. Es sei erwähnt, dass auch in Parchim in den beiden Mauerstraßen am Rande der Stadt die soziale Hierarchie abzulesen ist.

Giebelständige Dielenhäuser als Kaufmannshäuser dominieren das Erscheinungsbild an Lindenstraße und Lange Straße. Auch am Ziegenmarkt und am Alten Markt sind Fachwerktraufenhäuser und Giebelhäuser im 17. Jahrhunderts gleichzeitig vorhanden.

Häuser mit seitlicher Durchfahrt wie in der Lindenstraße 6 sind ungewöhnlich und hier offenbar der geschlossenen historischen Parzellenstruktur und Nutzung als Dielenspeicherhaus geschuldet, vergleichbar etwa der Situation in Perleberg, Schuhstraße 23. Üblicher sind eher Giebelhäuser mit Mittelportal, wie das Haus Lindenstraße 3 in Parchim.

Die historische Nutzungsstruktur und Ausstattung der Häuser in Parchim ist angesichts der wenigen gut dokumentierten und bauhistorisch untersuchten Beispiele und der geringen Befunddichte nur noch schwer nachzuvollziehen. So konnten aber in der Lindenstraße 6 dank einer restauratorischen Untersuchung erstmals hölzerne Gesimsprofile und in mehreren Räumen Begleitstrichmalereien nachgewiesen werden. Im Raum über der Durchfahrt hat sich ein aus quadratischen Bodenplatten bestehender Ziegelboden erhalten. Ähnlich dem ebenfalls um 1600 entstandenen Derz’schen Haus in Güstrow. Bezüglich der Erschließung der oberen Etage mittels Galerie muss zur Verdeutlichung etwa auf Wismarer Beispiele oder die Puschkinstraße 36 in Schwerin verwiesen werden. Jener bald nach 1572 errichtete Fachwerkbau bietet den engsten Vergleich zum Parchimer Giebelhaus. Die Innenstruktur mit Diele, Kontorzimmer und Galerie weist sehr vergleichbare Elemente auf.

Über dekorative Ausstattungen der Häuser des frühen 18. Jahrhunderts ist aufgrund fehlender restauratorischer Untersuchungsergebnisse und entsprechender Befunde, anders als etwa in Wismar oder Sternberg, bisher nichts bekannt.

Volkskundlich und sozialgeschichtlich stellen die Fachwerkbauten der Stadt Parchim in ihrem Erscheinungsbild somit eine Besonderheit unter den Landstädten Mecklenburgs dar. Städtebaulich ist an ihnen die historische Entwicklung nach den Stadtbränden und in der Zeit der Preußischen Pfandbesetzung abzulesen. Parchim weist damit Qualitäten eines wertvollen Flächendenkmals ähnlich den Altstädten von Grabow oder Güstrow auf. Die Aufnahme Parchims als Teil der Deutschen Fachwerkstraße sollte nun alsbald erfolgen.

Jan Schirmer


Literatur:

  • Fachwerkbauten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen, Berlin 1992.
  • Parchimer Bürgerhäuser, „Pütt“-Sonderheft“, Schriftenreihe des Heimatbundes e.V. Parchim in Mecklenburg, Parchim 2001.

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