Die Dorfkirche Buchholz in der Mecklenburgischen Seenplatte - ein bau- und kunsthistorisches Kleinod in mehrfacher Hinsicht

Denkmal des Monats Juni 2021

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Abb. 1. Buchholz, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Kirche von Südosten, 2016.

Abb. 1. Buchholz, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Kirche von Südosten, 2016.

Abb. 1. Buchholz, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Kirche von Südosten, 2016.

Unser Bundesland Mecklenburg-Vorpommern besitzt einen Schatz von über eintausend, oft noch mittelalterlichen Dorfkirchen. Darunter befinden sich gleich drei Buchholzer Kirchen: Buchholz bei Dobin (Lkr. Ludwigslust-Parchim) und Buchholz bei Röbel (Lkr. Mecklenburgische Seenplatte) – beide aus dem 14. Jahrhundert – sowie Buchholz bei Ziesendorf (Lkr. Rostock), ein Bau von Georg Daniel von 1878. Alle drei haben ihre bau- und kunsthistorischen Besonderheiten. So besitzt z.B. die Kirche in Buchholz bei Röbel einen klar strukturierten gotischen Bau mit Langschiff und polygonalem fünfseitigen Chor. Die Kirche Buchholz bei Ziesendorf zeigt eine programmatische neugotische Architektur im Außenbau und eine besondere Art-Déco-Fassung von 1925 im Inneren. Doch ist die mittelalterliche Dorfkirche in Buchholz bei Röbel – gelegen in der malerischen Landschaft der mecklenburgischen Seenplatte – gleich in mehrfacher Hinsicht von besonderer bau- und kunsthistorischer Auffälligkeit (Abb. 1).

Die Kirche ist ein Backsteinbau aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts (Dehio Mecklenburg-Vorpommern, 2016, S. 91). Nach jüngerer bauhistorischer Betrachtung wird sie bauzeitlich auch in die Zeit um 1315/20 eingeordnet (Gordon Thalmann, Bauhistorisches Gutachten, 2020). Es handelt sich um eine Saalkirche mit hohem Satteldach, Blendengiebeln und einem quadratischen Westturm. Der Turm besteht aus einem Turmschaft aus Backstein, der bis etwa zu zwei Dritteln in die Höhe des Schiffdaches ragt und einem leicht eingerückten Obergeschoss aus verschaltem Fachwerk mit flacher Haube. Im Erdgeschoss besitzt er eine zu drei Seiten mit Spitzbögen geöffnete Laube (Abb. 2). So ergibt sich eine dem Westportal vorgesetzte Halle. Nachträglich – wahrscheinlich im 19. Jahrhundert – wurden westlich gestufte Stützpfeiler vorgesetzt (Abb. 3). Diese Art einer Kirchturmöffnung mit Laube ist für Mecklenburg-Vorpommern von absoluter Seltenheit. Zwar treten Turmöffnungen zur Bildung einer Vorhalle im Turmerdgeschoss von westlicher Seite hin und wieder auf, so z.B. an der St. Petrikirche in Altentreptow oder der St.-Marienkirche in Greifswald, doch handelt es sich hier um Stadtkirchen mit entsprechendem kirchenhistorischen Hintergrund. So wird z.B. der Vorhalle der Marienkirche in Greifswald die Bedeutung einer mittelalterlichen Gerichtshalle zugeordnet. Die Funktion der Laube in Altentreptow bleibt dagegen unbekannt (Abb. 4). Die Bildung einer von den Seiten geöffneten Laube im Turm deutet sich allenfalls noch bei der Kirche in Kirchgrubenhagen (Lkr. Mecklenburgische Seenplatte) aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts an. Hier sind die Bögen aber vermauert, so dass keine offene Laube mehr besteht (Abb. 5). An der Kirche im vorpommerschen Reinkenhagen befindet sich eine eindrucksvolle, dem Kirchenportal vorgesetzte Vorhalle mit Spitzbogenöffnungen dagegen an der Südseite der Kirche (Abb. 6). Die Bedeutung derartiger Lauben ist unbekannt und bedarf der weiteren bauhistorischen Erforschung.

Eine weitere Besonderheit weist der Ostgiebel der Kirche auf. Er zeigt einen typischen Blendengiebel mit im Dreiecksgiebel aufsteigend angeordneten Spitzbogenblenden, wie er vielfach im mittelalterlichen Stadt- und Dorfkirchenbau Mecklenburg-Vorpommerns vorkommt (Abb. 7). Doch sitzen jeweils mittig auf den Blendenbrüstungen fünf halbplastische Köpfe aus Terrakotta. Im oberen Giebelbereich sind noch einmal zwei Köpfe in Mauerwerksnischen eingelassen und eine Plastik unter den Spitzbogen der mittleren Blende. Bedeutung und Symbolik der Plastiken sind unbekannt. Die beiden Köpfe im oberen Giebeldreieck weisen einen Nimbus auf, der sie als Heiligenfiguren auszeichnet (Abb. 8-9). Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass auch die anderen Köpfe früher einen Nimbus, und sei es in gemalter Form auf Putz besaßen (Abb. 10-14). Zumindest deuten sich diese Strukturen bei dem obersten Kopf im Giebeldreieck an (Abb. 15).

Das Dachwerk der Kirche ist ein barockes Kehlbalkendach mit zweifach stehendem Stuhl. An den Hauptgebinden sind queraussteifende Kreuzstreben angeblattet (Abb. 16-17). Hier wurde das Konstruktionsprinzip mittelalterlicher Kehlbalkendächer tradiert – auch eine Besonderheit innerhalb der barocken Kirchendachwerke des Landes. Eine Inschrift "Ano 1704", eingeritzt in einer der Stuhlsäulen, deutet auf die Errichtung des Dachwerkes hin – es handelt sich um eine äußerst seltene bauhistorische Datierungsquelle im Objekt selbst (Abb. 18). Die dendrochronologische Untersuchung bestätigte die Bauzeit 1704 (G. Thalmann 2020 mit Beschreibung und Kartierung des Dachwerkes). Die Dachdeckung der Kirche wies zuletzt eine Biberschwanz-Kronendeckung auf. Dabei handelte es sich um eine Mischung aus Handstrichbibern und Strang gepressten Bibern, was bereits auf eine frühere Umdeckung hinweist.

Im Jahre 2020 wurde das Dachwerk der Kirche zimmermannsmäßig instand gesetzt und das Dach wurde komplett neu in Biber gedeckt (Abb. 19). Die frühere denkmalpflegerische Zielstellung zur Bergung und Wiederverwendung der historischen Dachdeckung konnte bedauerlicherweise nicht eingehalten werden, jedoch konnte ein Teil der Biber geborgen werden. Bestandteil der Maßnahme war auch die Restaurierung des Blendengiebels einschließlich der Sicherung der Terrakotten.

Zuletzt sein noch ein Blick in den Kircheninnenraum gegönnt. Der insgesamt schlicht gehaltene Innenraum ist mit einer Holzbalkendecke flach überdeckt. Wandvorlagen deuten aber darauf hin, dass der Kirchenraum eine frühere Überwölbung besaß oder eine Wölbung vorgesehen war (Abb. 20). Zur Ausstattung gehört einen Schnitzaltar aus dem Ende des 16. Jahrhunderts. Das Retabel zeigt einen Triumphbogen in typischen Renaissance-Architekturformen, wobei Figuren aus dem 15. Jahrhundert in die Felder integriert wurden. Der Altar trägt heute eine Fassung als Holzimitation – wohl aus dem 19. Jahrhundert (Abb. 21). Mit der gleichen Überfassung wurden die an der Südwand aufgestellte Kanzel und der Pfarrstuhl versehen. Die übrigen noch vorhandenen Ausstattungsstücke, eine Empore an der Nordwand mit Kastengestühl, das Bankgestühl im Schiff sowie die Westempore, stellen sich heute hellgrau, dunkel abgesetzt dar (Abb. 22). Diese Fassung stammt noch aus der Renovierungsphase von 1933/35, als man den Innenraum in großen Bereichen neu verputzte, Wände und Decke in einem hellen Ocker und die Deckenbalken der Kirche in einem Graubraun farbig fasste. Die Innenwände wurden dabei mit den Bibelsprüchen versehen: "Kommet her zu Mir alle, die ihr mühselig und beladen sein, Ich will euch erquicken", "JESUS CHRISTUS, gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit." (Abb. 23, "Niemand hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben läßt für seine Freunde", "Land! Land! Land! Höre des HERRN Wort" (Abb. 24). Letzterer steht in Verbindung mit einem Wandbild der "Seepredigt" (Mk 4, 1-2): Jesus in Begleitung eines Jüngers auf dem Wasser in einem Boot stehend und zu einer am Ufer und auf einem Bootssteg versammelten Volksmenge, die teils andächtig und teils nachdenklich sein Wort vernimmt, predigend (Abb. 25). Die ausdrucksvolle und sehr grafisch wirkende Malerei sowie die Bemalung mit den Sprüchen stammen von der Berliner Malerin und Grafikerin Hildegard Kohnert-Michaelis (geb. 1899, gest. unbekannt, Quelle: www.dorfkirche-buchholz.jimdofree.com).

Jens Amelung

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