Die Richtfunkfeuerstation in Mukran – eine Infrastruktur­maßnahme der frühen DDR an der Ostseeküste

Denkmal des Monats Mai 2022

Abb.1. Mukran, Ortsteil der Gemeinde Sassnitz, Lkr. Vorpommern-Rügen, Richtfunkfeuerstation, von Süden, 2021.Details anzeigen
Abb.1. Mukran, Ortsteil der Gemeinde Sassnitz, Lkr. Vorpommern-Rügen, Richtfunkfeuerstation, von Süden, 2021.

Abb.1. Mukran, Ortsteil der Gemeinde Sassnitz, Lkr. Vorpommern-Rügen, Richtfunkfeuerstation, von Süden, 2021.

Abb.1. Mukran, Ortsteil der Gemeinde Sassnitz, Lkr. Vorpommern-Rügen, Richtfunkfeuerstation, von Süden, 2021.

Seezeichen sind Hilfsmittel, um den Verkehr von Schiffen sicherer zu machen, ihnen auf hoher See die Richtung zu weisen. Leuchttürme sind die bekanntesten von ihnen, befinden sich in herausgehobener Lage und stehen seit der Antike als Zeichen für Sicherheit. Die jüngste Aufnahme in die Denkmalliste des Landkreises Vorpommern-Rügen betrifft ein solches Seezeichen, das zu seiner Zeit eine moderne Neuerung des Leuchtturms darstellte und als staatliche Infrastrukturmaßnahme errichtet wurde, um nach der Teilung Deutschlands die Neustrukturierung der Wirtschaft der DDR zu gewährleisten.


Die Station an der Steilküste

Die ehemalige Richtfunkfeuerstation Mukran namens "Sassnitz", erbaut in den Jahren 1953 bis 1954, liegt an der Ostküste der Insel Rügen an einem exponierten Standort. Vom Zentrum der Hafenstadt Sassnitz ist die Station in südwestliche Richtung ca. fünf Kilometer entfernt, in nordöstliche Richtung liegt unweit der Fährhafen von Mukran. Eine funktionelle Beziehung besteht zu letzterem nicht, da er erst 1986 fertig gestellt worden ist.

Ein Wohnhaus, ein Maschinenhaus und ein Stallgebäude sind die bis heute erhaltenen Bauten der Richtfunkfeuerstation, angeordnet parallel zum Küstenverlauf und gelegen an einer knapp 20 Meter hoch aufragenden Steilküste, von der Teile abgebrochen und als Sandmassen an den Strand gerutscht sind. (Abb. 1-2).

Das zentrale Element der ursprünglichen Anlage, der hohe und nach mehreren Seiten abgespannte Funkmast, ist nicht mehr vorhanden. Er setzte ursprünglich die Reihe der Bauten in nordöstliche Richtung fort. Eine historische Aufnahme vermittelt die ursprünglichen Dimensionen (Abb. 3). Auch das Fundament des Mastes ist nicht mehr erhalten beziehungsweise derzeit nicht erkennbar. Hingegen sind zwei Betonquader, die vorher als Fundamente der Abspannungen dienten, heute im Strandbereich nahe des Wassers erhalten. Es handelt sich offensichtlich um vormals östlich gelegene Fundamente, die mit dem Abbruch der Steilküste an den Strand gestürzt sind (Abb. 4). Ein weiteres Fundament der Abspannungen ist im Boden unweit des Maschinenhauses erhalten.


Richtfunkfeuer

Ein Richtfunkfeuer trägt zwar das Wort Feuer im Namen, doch ist es kein optisches Seezeichen. Es gibt seine Signale durch Richtfunk ab. Auch bei schlechter Wetterlage und unzureichender Sicht ist das Seezeichen einsatzbereit. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wurde, ermöglicht durch die Einrichtung von Küstenfunkstationen und vorangetrieben durch militärische Erwägungen, die neue Funktechnik für die Navigation zum Einsatz gebracht. Nach der Entwicklung des Richtfunks, erstmals zur Anwendung gekommen in den 1930er Jahren, stellten nach Ende des Zweiten Weltkriegs Richtfunkfeuer einen Fortschritt bei der Ausrüstung der Küsten mit Seezeichen dar.

Die Station gehörte zum Seehydrographischen Dienst (SHD) der DDR, der unter anderem die Aufgabe hatte, die Ausrüstung der Küste mit Seezeichen sicher zu stellen. Der 1950 gegründete SHD war anfangs als Teil der Seepolizei beziehungsweise Volkspolizei-See dem Innenministerium und später als Teilbereich der Volksmarine dem Verteidigungsministerium zugeordnet.

Der SHD war auch für die Herausgabe von Seekarten zuständig. In der 1957 erschienenen Karte von Sassnitz ist die Richtfunkfeuerstation nahe Mukran unter der Abkürzung RD und dem zugehörigen Symbol eines Kreises mit eingeschriebenem Kreuz eingetragen (Abb. 5). RD steht für die offizielle, international gültige Bezeichnung Radiophare directionelle.

Die Richtfunkfeuerstation war bis 1974 in Betrieb. Da nun moderne Schiffsradaranlagen die Aufgaben zur Sicherung der Seefahrt übernahmen, waren der große Sendemast und die technischen Anlagen in der Folge abgebaut worden. Genutzt wurden die Bauten danach bis 1990 durch die Nationale Volksarmee (NVA). Nach der politischen Wende erfolgte die Privatisierung.


In der Nachkriegszeit

Die starken Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges und die Spaltung Deutschlands brachten für den Norden der DDR – wie auch für andere Teile des Landes – eine grundsätzlich neue Ausgangslage für den Aufbau von Infrastruktur und Wirtschaft mit sich. So lagen die für den Handel bis dahin genutzten Seehäfen Hamburg und Stettin nun außerhalb des Landes. Auch die Sicherung der Staatsgrenze an den Küsten wurde neu organisiert.

Der Aufbau einer eigenen Industrie war nicht nur eine ideologische Zielsetzung des Staates, sondern eine Notwendigkeit und Existenzfrage der DDR. Der Norden sollte daran unter anderem durch den Aufbau einer maritimen Wirtschaft, durch Werften, Häfen und Fischfangindustrie, teilhaben.


Die neue Ausrichtung der Wirtschaft

Nach sowjetischem Vorbild erfolgte ab 1949 in Sassnitz und Rostock der Aufbau von Fischkombinaten, die jeweils eine eigene Flotte für die Hochseefischerei erhielten. Durch die Kombinate sollte die Versorgung der Bevölkerung mit Fisch erreicht werden.

Das Fischkombinat Sassnitz erwirtschafte 1975 mit 66.100 Tonnen das höchste Fangergebnis seiner Geschichte. Die Schiffsflotte des Kombinats umfasste in dieser Zeit 48 Kutter von 26,5 Meter Länge, 15 Frosttrawler und 2 Kühl- und Transportschiffe. Zum Ende der DDR erfolgte über 90 Prozent der Fischproduktion auf dem Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommerns, wo in diesem Bereich ca. 10.000 Menschen beschäftigt waren. Im Fischkombinat Sassnitz arbeiten knapp 1.600 Menschen, von denen 450 zu See fuhren.

Um den sicheren Schiffsverkehr zum Hafen Sassnitz zu gewährleisten, wurden Seezeichen wie das Richtfunkfeuer in Mukran eingerichtet. Der Hafen war nicht nur Stützpunkt der Fangflotte des Fischkombinats, sondern diente auch dem regelmäßigen Fährverkehr nach Trelleborg in Schweden und den Schiffen der Marine. Das Richtfunkfeuer war ein notwendiger und bedeutender Teil bei der neuen Ausrichtung von Politik und Wirtschaft unter den Bedingungen des veränderten Staatsgebiets und der zentralen Steuerung der Lebensmittelproduktion.


Hinweise

Eine ausführliche Fassung zu dem Thema, einschließlich dem Nachweis von Literatur und Quellen, erscheint in der Zeitschrift "Kulturerbe in Mecklenburg und Vorpommern", Heft 12, 2021. Die Baugeschichte ist zusammengefasst in Sabine Kahle, Friederike Thomas, Bauhistorisches Gutachten, unveröffentlichtes Manuskript 2021.

Dr. Jörg Kirchner

Karte Mukran

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