Die Blutbuche - Gartenkunst im Zeichen des Klimawandels

Denkmal des Monats März 2021

Abb. 1 Herrenhaus Broock, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Westseite, Pleasureground mit Blutbuche, um 1890.Details anzeigen
Abb. 1 Herrenhaus Broock, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Westseite, Pleasureground mit Blutbuche, um 1890.

Abb. 1 Herrenhaus Broock, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Westseite, Pleasureground mit Blutbuche, um 1890.

Abb. 1 Herrenhaus Broock, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Westseite, Pleasureground mit Blutbuche, um 1890.

Buchen als kulturhistorische Elemente der Gartenkunst

Villengärten und Gutsgärten, die in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in Mecklenburg-Vorpommern angelegt wurden, waren in ihrer Gestaltung maßgeblich auch von der Lenné-Meyer‘schen-Schule geprägt. Johann Heinrich Gustav Meyer (1816 - 1877), ein Schüler von Peter Joseph Lenné, verweist in dem 1859/60 erstmals erschienen und danach weit verbreiteten Lehrbuch der schönen Gartenkunst darauf, dass ein Garten […] durch eine entsprechende Auswahl an sich schöner Natur- und Kunstgegenstände – besonders schöner Blumen, Sträucher und Bäume - und deren Anordnung zu einem wohlgefälligen Ganzen […] wird.1

Die Gärten dieser Zeit wurden in landschaftlich sehr reizvollen Lagen angelegt, unter Ausnutzung der vorhandenen Topographie. Das Haus stand in der Regel auf dem höchsten Punkt des Geländes und der Garten breitete sich darum wie ein unregelmäßig geformter Teppich aus. Die Gärten waren im landschaftlichen Stil gestaltet, das heißt, es gab geschwungene Wegeverläufe, kleinere Parkarchitekturen in den Parks, naturhaft geformte Teiche und eine üppige Vegetation, die in ihrer bildhaften Setzung ganz der Topographie und der Charakteristik des oft parkartig angelegten Ortes folgte.

Ein weiteres markantes Gestaltungsmerkmal dieser Gärten ist die Pflanzung einer Buche Fagus sylvatica, oft auch Blutbuche "purpuea" gewesen. Diese wurde gerne direkt am Haus gepflanzt, als vegetatives Pendent zum Haupthaus. Die ausladenden Kronen waren und sind bis heute oft schon von weitem zu erkennen, gerade im Herbst mit ihrer leuchtenden Blätterfärbung. Johann Heinrich Gustav Meyer spricht von einem Farbencontrast2, bzw. von den Herbstscenen [… der Buchen …], deren Laub verschiedene brillante Färbungen durchmacht.3 Diese Bäume sind somit als eine zusätzliche Markierung des Anwesens bzw. der Architektur des Hauses zu verstehen, die den Besucher schon frühzeitig auf den Ort aufmerksam machen soll. Meyer weist hier darauf hin, dass Rotbuchen […] eine sorgfältige Vertheilung [verlangen] und [sollten] so gestellt sein, [dass sie] eine selbstständige und wohlgeordnete Gruppierung ausmachen.4

Zahlreiche Beispiele in Mecklenburg-Vorpommern belegen diesen Gestaltungsanspruch, so zum Beispiel die Buche am Gutshaus von Renz auf Rügen. Die Blutbuche (Fagus sylvatica ‚Atropurpurea‘) im Garten des Gutshauses wurde sehr wahrscheinlich Ende des 19. Jahrhunderts nach einem Besitzerwechsel gepflanzt, unübersehbar in der dort flachen Landschaft. Es ist der älteste Baum im Park, der in der direkten Sichtachse des Haupthauses steht.

Auch auf dem Gutshof und ehemaligen Gestüt Broock (Landkreis Vorpommern-Greifswald) hat es südwestlich des Haupthauses eine Blutbuche gegeben, die aber nach mündlicher Aussage einem Sturm bzw. Blitzschlag bereits in den 1980er Jahren zum Opfer fiel (Abb. 1).

Die Buche im Schlosspark von Neetzow (Landkreis Vorpommern-Greifswald) steht südwestlich vor dem Hauptgebäude (Abb. 2). Vermutlich geht ihre Existenz auf eine Planung von Peter Joseph Lenné zurück.

In Basedow (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) stehen gleich drei Blutbuchen vor dem schlossartigen Herrenhaus, in direktem Anschluss an den ehemaligen Pleasureground, ebenfalls geplant durch P.J. Lenné (Abb. 3).

So lassen sich im ganzen Land Beispiele der Akzentuierung durch diese Solitärbäume wie eine Art Landmark finden: Im Landkreis Vorpommern-Greifswald u.a. am Gutshaus in Kartlow, in Wietzow, Battinsthal und Blesewitz; im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte u.a. am Gutshaus in Tützpatz, in Marihn, in Mallin, in Alt Rehse und in Below oder im Landkreis Rostock in Appelhagen. Weitere gibt es beim Gutshaus in Groß Siemen (Landkreis Rostock) (Abb. 4), im Park der Gutsanlage in Renz auf Rügen (Abb. 5) oder am Herrenhaus in Schwerin-Lankow (Abb. 6).


Die Buche in Zeiten des Klimawandels

Die autochthone Buche kommt nur schwer mit den derzeit sich abzeichnenden Temperaturveränderungen (heiße, trockene Sommer) zurecht. Aufgrund ihres flachliegenden Wurzelsystems hat sie besonders unter den letzten drei Trockensommern 2018, 2019 und 2020 gelitten. Obwohl das Jahr 2020 etwas feuchter gewesen ist, konnten die Schädigungen aus den Vorjahren nicht mehr ausgeglichen werden. Die Resilienz, die Widerstandskraft der Bäume, hat im Laufe dieser drei Jahre deutlich abgenommen. Die Folge ist, dass die Bäume eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Krankheiten zeigen, die letztendlich zu Ausfällen im Baumbestand führen können. Außerdem kommt es zu einer eingeschränkten Stabilität der Bäume, die u.a. in einer erhöhten Bruchgefahr, z.B. bei Starkästen, also Ästen, die einen Durchmesser von mehr als zehn Zentimetern aufweisen, sichtbar wird. Zu einem solchen Astabbruch kam es z.B. 2019 im Schlossgarten in Schwerin, als ein herabstürzender Starkast einer Buche mehrere Personen verletzt hat. Auch eine Zunahme von Trockenschäden ist zu beobachten, die sich in einer schütteren Belaubung, Vergreisung der Krone oder im vorzeitigen Absterben von einzelnen Ästen bzw. des gesamten Gehölzes zeigen. Die Verkehrssicherheit der Bäume kann oft nicht mehr gewährleistet werden, was wiederum einen erhöhten Pflege-bzw. Instandsetzungsaufwand nach sich zieht.

Damit ergeben sich neue Herausforderungen bezüglich der Bewahrung dieser Denkmalsubstanz, die es als Zeugnisse unserer Zivilisation in ihrer Materialität und Bildwirkung zu erhalten gilt, denn besonders die oftmals sehr alten Buchen verweisen auf den hohen authentischen Originalwert in den vielen historischen Gärten des Bundeslandes. Das Erscheinungsbild der historischen Freiräume ändert sich massiv mit dem Absterben der bildgebenden Buchen und die verloren gegangenen Bilder lassen sich nur schwer nachbilden, auch, weil aufgrund der langen Trockenperioden während der Vegetationszeit junge Gehölze nur noch schwer anwachsen.

Zur Lösung des Problems sollten zwei Ansätze im Umgang mit den Bäumen im Mittelpunkt stehen:

  1. Die fachgerechte Verpflanzung und intensive Pflege (insbesondere Bewässerung), die auf die entstehenden Schäden durch die klimatischen Veränderungen reagiert und
  2. die umfassende Analyse und Dokumentation der Schädigungen, um aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen Methoden zum Umgang zu entwickeln.

Darüber hinaus sind folgende Maßnahmen objektbezogen denkbar:

  1. Durch Naturverjüngung aus Sämlingen bereits vor Ort vorhandener Pflanzen können neue Bäume gezogen werden, die oftmals besser an die vorherrschenden Bedingungen bzw. Veränderungen des spezifischen Standortes angepasst sind.
  2. Die Durchführung gezielter meliorativer Maßnahmen wie Düngen, Mulchen und die Einarbeitung organischer Substanz in den Boden. Dies führt zur Stärkung der Pflanzen.
  3. Eine standortgenaue Nachpflanzung durch die gleiche Gattung, Art und Sorte nach dem Verlust der Bäume. Dies gilt insbesondere für die bildprägenden Blutbuchen. Der Ausfall dieser Solitäre bedeutet Einbuße eines wichtigen Gestaltungsmittels. Die entstehenden Fehlstellen zeigen zum einen den Verlust der Substanz jedes einzelnen Exemplars, aber auch den der Gesamtbildwirkungen des Gartens. Gerade die markanten Blutbuchen, als vegetative Solitäre gepflanzt, prägen den Garten durch ihre spezifische Textur, Struktur und Farbe und durch die Eigenart ihres Wuchsbildes und ihres natürlichen Habitus.
  4. Das Belassen von abgestorbenen oder nur noch teillebenden Baumstümpfen, sogenannte Torso, innerhalb der denkmalgeschützten Anlagen dient dem Erhalt der noch vorhandenen Denkmalsubstanz. Allerdings ist in der Regel die Bildwirkung solcher "Baumleichen" zu hinterfragen.

Zu den Anforderungen an den Habitus und die Konstitution der Buchen stellt Johann Heinrich Gustav Meyer schon im 19. Jahrhundert fest: Deswegen müssen zu einzeln stehenden Bäumen […] nicht nur malerische Bäume, sondern zugleich auch solche von langer Lebensdauer gewählt werden. Hierher gehören von unseren heimischen Laubhölzern besonders […] Buchen[…]5.

Prof. Dr. Caroline Rolka


1 Meyer Gustav Lehrbuch der schönen Gartenkunst Dritter Abschnitt Ueber Hausgärten in Städten und Vorstädten. Berlin 1860, 5. Aktualisierte und erweiterte Auflage, Berlin 1985, S. 133.

2 Ebda. S. 103

3 Ebda. S. 54

4 Ebda. S. 100

5 Ebda. S. 171


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