Der Alte Hafen in Wismar im Wandel der Zeit

Denkmal des Monats November 2019

Abb. 1. Wismar, Lkr. Nordwestmecklenburg, Alter Hafen, Hafenbecken und Kai-Areal von Süden, 2015.Details anzeigen
Abb. 1. Wismar, Lkr. Nordwestmecklenburg, Alter Hafen, Hafenbecken und Kai-Areal von Süden, 2015.

Abb. 1. Wismar, Lkr. Nordwestmecklenburg, Alter Hafen, Hafenbecken und Kai-Areal von Süden, 2015.

Abb. 1. Wismar, Lkr. Nordwestmecklenburg, Alter Hafen, Hafenbecken und Kai-Areal von Süden, 2015.

Der Alte Hafen, nordwestlich der Altstadt Wismars gelegen, beeinflusste die städtebauliche und wirtschaftliche Entwicklung der Stadt erheblich und ist als Ausgangspunkt der Stadtentstehung das eigentliche Rückgrat der Hansestadt. Bemerkenswerterweise hat sich das mittelalterliche Hafenbecken in seiner Lage und Form weitestgehend erhalten (Abb. 1). Östlich davon schiebt sich das Kai - Areal als Landzunge in die Wismarbucht, das über das letzte von ehemals fünf mittelalterlichen Stadttoren, das Wassertor, direkt zu erreichen ist. Insofern ist der Alte Hafen auch Bindeglied zwischen der Altstadt und dem Landschaftsraum der Wismarbucht (Abb. 2–3).

Sein Charakter war durch die großen Getreidespeicher des 19. Jahrhunderts und der 1930er Jahre sowie die Hafeninfrastruktur wie Gleise und Förderanlagen hafenindustriell geprägt (Abb. 4). Die letzte Blüte hatte er als Großumschlagplatz der DDR für Getreide in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine Funktion und Bedeutung erloschen mit der politischen Wende und eine Neubestimmung dieses historisch und städtebaulich exponierten Areals wurde notwendig.

Bei den erwähnten Speichern handelt es sich von Süd - Ost nach Nord - West um einen 1862 für die Wismarer Firma J. C. Thormann errichteten Bodenspeicher und einen 1935 direkt dahinter aufgeführten Silospeicher (Silo I) für die Getreidehandelsfirma G. W. Löwe (Abb. 5). In den Jahren 1936 - 1938 entstanden zwei weitere Großsilos, einer für die Firma P. Kruse (Silo II) (Abb. 6) und einer für die Schweriner Getreidehändler Ohlerich & Sohn (Silo III) (Abb. 7). Aus der letzten Hochzeit des Hafens haben sich außerdem das 1967 errichtete Werkstatt- und Sozialgebäude des VEB Getreidewirtschaft zwischen Silo I und Silo II sowie ein Transformatorenhaus aus der Mitte der 1950er Jahre nordwestlich des Silos II erhalten. Weitere hafengeschichtlich bedeutsame Gebäude sind das Zollhaus von 1868 im Süden und das so genannte Baumhaus aus der Mitte des 18. Jahrhunderts im Nordwesten des Hafenareals (Abb. 8–11).

Unübersehbar ist die überlieferte Hafenbebauung vielschichtig und spiegelt so die sich wandelnden Anforderungen an den Hafen ab der Mitte des 18. Jahrhunderts wider. Darüber hinaus prägen vor allem die Speicherbauten wegen ihrer Lage, Gestalt und Monumentalität das Erscheinungsbild und die Silhouette der Hansestadt deutlich.

Gemeinsam ist ihnen die ziegelsichtige, rote Fassadenausbildung, die mit dem mittelalterlichen Stadtkern auffallend korrespondiert und dessen wichtigstes Baumaterial der rote Backstein war (Abb. 2, Abb. 12).

Zumindest für die Silos I und III ist aktenkundig, dass angesichts der wertvollen Stadtansicht die staatliche Denkmalpflege damals ihre Mitwirkung bei den Neubauprojekten auf dem Kai - Areal einforderte (Abb. 13). Besonderes Gewicht legten die Denkmalpfleger auf die farbige Behandlung der Fassade, die „nicht durch fremde Farbtönung aus dem Stadtbild herausplatzen“ dürfe, und die Dachausbildung, für die ein „steiles Dach“ gefordert wurde. Auf vergleichbare Bauvorhaben im Stadthafen Rostock wurde beispielhaft verwiesen.1 Wie heute ersichtlich, konnte sich die Denkmalpflege nur bei der Fassadenfarbe oder vielmehr der Fassadenmaterialität durchsetzen.

Seinerzeit gab die neu hinzutretende Bebauung Anlass zu kontroverser Diskussion. Ein damals erstrebenswerter Verzicht war jedoch wegen der starken wirtschaftlichen und politischen Interessen nicht realistisch, denn der hafenwirtschaftliche Getreideumschlag machte Mitte der 1930er Jahre circa 75 % des Gesamtexportvolumens Wismars aus. Zu der mittelalterlichen Stadtsilhouette sind somit die mächtigen Silospeicher des Alten Hafens hinzugetreten. Inzwischen sind auch sie denkmalgeschützt und zählen zu einem der bedeutendsten Ensembles dieser Art.

Wie in den 1930er Jahren muss sich außer der Hansestadt Wismar auch die Denkmalpflege hier wieder den Herausforderungen eines Strukturwandels stellen. Damals sollte der Standortvorteil gesichert und mittels modernster Speicherbauten ausgebaut werden. Seit den 1990er Jahren gilt es, den Standort vollkommen neu zu definieren und zu entwickeln.

Beispielhaft früh, nämlich 1990/1991, schrieb die Hansestadt Wismar im Rahmen der Bauleitplanung hierfür die Nutzung für Tourismus, Erholung, Gewerbe und Wissenschaft mit dem Ziel fest, die großräumige Gebietsstruktur mit den monumentalen Speichern zu erhalten und mit einer adäquaten, zeitgemäßen Nutzung zu verbinden. Das historische Hafenmilieu und die neue Nutzung sollten optimal zusammengeführt werden.

Die praktische Umsetzung dieses denkmalgerechten Ziels ist naturgemäß komplex und schwierig. Frühzeitig verschwanden die funktionslos gewordenen Getreideförder- und Gleisanlagen vom Gelände, so dass keine Chance bestand, an ausgewählten Teilen Abläufe des Güterumschlags und damit den hafenindustriellen Charakter, quasi das Hafenmilieu, beispielhaft zu erhalten. Hierfür steht nun allein die historische Hafenbebauung (Abb. 14).

Wegen ihrer hochfunktionalen Bauart sind auch dort erhebliche Eingriffe und Veränderungen bei einer Nutzungsänderung unvermeidlich, die erhebliche Investitionen erfordern, aber auch zu einem spürbaren Zeugniswertverlust führen. Demzufolge mussten und müssen allseits Kompromisse gesucht und gefunden werden, was abschließend beispielhaft am bereits fertig gestellten und für Ferienwohnzwecke um genutzten Silo III skizziert werden soll.

Der 1935 vom Kieler Architekt Heinrich Hansen entworfene Silo wurde als Stahlbetonkonstruktion mit vorgeblendeter Klinkerfassade erbaut. Der unterkellerte, 34 Meter hohe Bau besitzt sieben Speichergeschosse sowie 17 Silozellen und hat ein Speichervolumen von 5.000 t. Die äußere Gestalt ist monumental und geschlossen. Einzig der Redlerturm, der die vertikale Fördertechnik sowie die Reinigungs- und Waagtechnik beherbergte, und der als horizontales Verteilergeschoss dienende Dachaufbau durchbrechen den blockhaften Baukörper. Schmucklose Rechtecköffnungen liegen nur dort, wo ein Zugang oder eine Belichtung erforderlich waren. Lediglich die Eingangstore und der Auslass für die pneumatische Förderung an der Westseite sind durch einen schlichten Rundbogen betont. Die Außenwandflächen der Silozellen sind vollständig geschlossen (Abb. 15-17).

Nur circa 25 % der Grundfläche besitzen geschossweise eingezogene Böden, die weitgehend mit der erforderlichen Speichertechnik ausgefüllt waren, zu der außer der Fördertechnik Trocknungsanlagen, Reinigungsmaschinen, Waagen und vieles mehr zählten. Der übrige Teil wird von den vertikalen Silozellen eingenommen.

Für die Umnutzung waren das segmentweise Einziehen von Geschossböden in die Silozellen, das Durchbrechen von Silowänden für die Herstellung von Wohnungsgrundrissen, die Schaffung zusätzlicher Fenster, das Einbringen einer Innendämmung und die Herstellung der Barrierefreiheit unumgänglich. Wegen der Höhe fiel der Speicher unter die Hochhausrichtlinie, so dass ein Sicherheitstreppenhaus einschließlich Fahrstuhl mit entsprechender Dimensionierung erforderlich wurde. Darüber hinaus ist fast die gesamte noch im Objekt befindliche Technik entfernt worden, was die Denkmalpfleger schließlich akzeptierten, da im Zuge der Abwägung auch die wirtschaftliche Zumutbarkeit berücksichtigt werden muss. Weitere sehr kontrovers diskutierte Kompromisse stellen die bauliche Erneuerung und Erweiterung des Dachgeschossaufbaus sowie die Anbringung von Balkonen dar (Abb. 18).

Demgegenüber wurden die ziegelsichtige Gebäudehülle und Fassadenstruktur des Silospeichers weitgehend authentisch erhalten, wobei in einer Geschossebene der Westseite auch die bauzeitlichen Fenster überliefert sind (Abb. 19). Die neu hinzutretenden Fenster und Türen setzen sich hinsichtlich ihrer Größe, Sturzausbildung und reduzierten Binnengliederung als solche erkennbar vom historischen Bestand ab. Weiterhin bestand die denkmalpflegerische Anforderung, eine Idee der ursprünglichen Geschlossenheit von Wandpartien im Bereich der Silozellen zu vermitteln, was am ehesten noch an der Ostseite erkannt werden kann (Abb. 20).

Die Geschossböden des Lagerbodenbereichs, das Traggerüst der Silos und zum Teil die Silowände sind bauzeitlich erhalten. Technische Relikte, wie ein Teil der Horizontalförderstrecke, der Pumpensumpf, Silotrichter und Auslässe im Kellergeschoss und teilweise die Schüttauslässe in den Lagerböden wurden am angestammten Platz in die neue Nutzung integriert. Der historische Raumeindruck ist durch die jetzt kleinteiligen Nutzstrukturen jedoch komplett verändert (Abb. 21).

Die neuen Aufbauten, die das historische Gebäude im wahrsten Sinne des Wortes beschweren, setzen sich infolge der Verwendung moderner Materialien vom historischen Baukörper als zeitgenössische Zutat ab. Die bauzeitliche Kubatur und Erscheinung sind weiterhin ablesbar und die Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds bleibt zumindest unterhalb der Schwelle der Erheblichkeit, da der Neubauanteil das historische Gebäude noch nicht dominiert (Abb. 22).

Die Umnutzung des Silos führte also zu einer spürbaren Überprägung des Erscheinungsbildes und im Inneren zu einem hohen Strukturverlust und wegen des äußerst reduzierten Erhalts technischer Ausstattung zum Verlust seiner technischen Dimension. Letzteres trifft auf das gesamte Hafenareal zu, auf dem die ehemals bestehende Hafenindustrie momentan durch die Tourismus- und Dienstleistungsindustrie ersetzt wird.

Bei der Bewältigung eines solch gravierenden Wandlungsprozesses sind offenkundige Überprägungen des denkmalgeschützten Areals und der geschützten Einzelgebäude schwer zu vermeiden. Nicht zuletzt deshalb, weil der Erhalt von Denkmalen in der Regel durch eine sinnvolle Nutzung zu gewährleisten ist, die sich - von wenigen Ausnahmen abgesehen - selbst tragen muss.

Infolge des aktuellen Strukturwandels wird dem historisch gewachsenen Hafenareal deshalb gerade eine weitere gestaltprägende Zeitschicht hinzugefügt, die aufgrund des Denkmalschutzes gegenüber dem baulichen Erbe so weit wie möglich zurückhaltend ausfällt. Die historische Bebauung wird in ihrer Substanz und Erscheinung weitgehend authentisch gewahrt. Sie wird in der Gegenwart und auch zukünftig dem Alten Hafen sein Gepräge geben (Abb. 23).

Annette Krug


1 Schreiben des Oberbaurats Lorenz an den Rat der Stadt Wismar vom 10. Januar 1935, in: LAKD M-V/LD, Registratur, Objektakte Wismar, Am Hafen, Silo I, Mp. 01


Quellen

LAKD M-V/LD, Registratur, Objektakte Wismar, Alter Hafen, Silo I, Mappe 01

LAKD M-V/LD, Registratur, Objektakte Wismar, Alter Hafen, Silo III, Mappen 01 und 02

LAKD M-V/LD, Registratur, Objektakte Wismar, Alter Hafen, Allgemein, Mappe 01

Literatur

Bardua, Sven: Getreideumschlag am Alten Hafen in Wismar. In: SVZ vom 18.10.2002.

Mayerhofer, Brigitte: Die historischen Altstädte Stralsund und Wismar. Welterbeantrag, Dez. 2000.

Daebritz, Rainer: Hiev an! 800 Jahre Wismar, Wismar 2010.

Karte Alter Hafen der Hansestadt Wismar

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