Römer diesseits der Elbe?

Fund des Monats August 2017

Abb. 1. Wittenburg, Lkr. Ludwigslust-Parchim. Bügelfragment einer Fibel Almgren 22. L. 3,9 cm; H. 3,2 cm; Gewicht 12,8 g.Details anzeigen
Abb. 1. Wittenburg, Lkr. Ludwigslust-Parchim. Bügelfragment einer Fibel Almgren 22. L. 3,9 cm; H. 3,2 cm; Gewicht 12,8 g.

Abb. 1. Wittenburg, Lkr. Ludwigslust-Parchim. Bügelfragment einer Fibel Almgren 22. L. 3,9 cm; H. 3,2 cm; Gewicht 12,8 g.

Abb. 1. Wittenburg, Lkr. Ludwigslust-Parchim. Bügelfragment einer Fibel Almgren 22. L. 3,9 cm; H. 3,2 cm; Gewicht 12,8 g.

Dem aufmerksamen Blick des ehrenamtlichen Bodendenkmalpflegers Stefan Fuge verdanken wir dieses kleine, 13 g leichte und auf den ersten Blick recht unscheinbare Fundstück aus Bronze (Abb. 1). Doch obwohl es offensichtlich beschädigt und an der Oberfläche recht stark verwittert ist, lässt es sich genau bestimmen: Es handelt sich um den Bügel einer Gewandspange, wie sie um die Zeitenwende in Gebrauch war. Der im Querschnitt rundstabige Bügel zeigt unterhalb einer Verdickung den Ansatz des Nadelhalters, der ebenso wie die Spirale mit Nadel abgebrochen ist. Von letzteren sind noch die Ansätze von Spirale und Sehnenhaken vorhanden, der Bügel bildet an diesem Ende zwei lappenartige Fortsätze.

Fibeln dieser Form schenkte bereits Oscar Almgren in seiner wegweisenden Studie zu den Fibelformen der ersten nachchristlichen Jahrhunderte von 1897 Beachtung, wobei er sie seiner Form 22, den „spezifisch provinzialrömischen Fibelformen, die nur sporadisch in Nordeuropa vorkommen“, zuordnete. Diese Einschätzung hat nach wie vor Bestand, wie jüngere Untersuchungen dieser Gewandschließen zeigen. Demnach liegt ihre Hauptverbreitung an Niederrhein, Maas und Lippe, wo sie in großer Zahl in den römischen Militärlagern gefunden wurden, sowie – wenn auch mit bereits deutlich geringerem Fundaufkommen – weiter bis an Mittel- und Oberweser. Östlich der Elbe gehören solche Spangen zu den Ausnahmeerscheinungen und so verwundert es nicht, dass auch aus Mecklenburg-Vorpommern nur wenige Vergleichsfunde bekannt sind (Abb. 2). Auffällig ist ihr bislang ausschließliches Auftreten östlich der Warnow, wogegen Funde aus dem westlichen Landesteil fehlten. Diese Lücke vermag der Neuzugang aus Wittenburg nun zu schließen.

Fibeln der Form Almgren 22 wurden häufig mit der römischen Militärtracht in Verbindung gebracht, waren sie doch aufgrund ihrer recht massiven Gestalt gut zum Verschließen des Militärmantels geeignet – zumal sie darüber hinaus auch noch häufig in römischen Militärlagern auftreten. Gesichert ist diese als ausschließliche Verwendung jedoch keineswegs. Auch die Hauptverbreitung der Fibeln in den römischen Rheinprovinzen muss nicht zwingend auf ein originär römisches Fabrikat schließen lassen, eine Entstehung der Fibelform im freien Germanien und ihr vermehrtes Auftreten auf provinzialrömischem Gebiet durch die Rekrutierung germanischer Söldner ist durchaus erwogen worden.

Folglich ist das Fundstück nach wie vor kein Beleg für eine römische Präsenz östlich der Elbe, zumal derartige Gewandschließen im Barbaricum nicht einmal alleiniges Merkmal der Männertracht sind: Auf dem Begräbnisplatz von Reppentin, Lkr. Ludwigslust-Parchim, wurden Fibeln der Form Almgren 22 sogar Kindern mit ins Grab gegeben (Abb. 3). Die eingangs gestellte Frage bleibt deshalb zu verneinen. Neufunde wie dieser zeigen aber immer wieder, dass in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten die Bewohner auf dem Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommern Anteil an überregionalen Entwicklungen hatten.

Dr. Lars Saalow

Literatur:

O. Almgren, Studien über Nordeuropäische Fibelformen der ersten nachchristlichen Jahrhunderte mit Berücksichtigung der provinzialrömischen und südrussischen Formen. 1897. Stockholm.

A. Böhme-Schöneberger, Die provinzialrömischen Fibeln bei Almgren. In: J. Kunow (Hrsg.), 100 Jahre Fibelformen nach Oscar Almgren [Internationale Arbeitstagung Kleinmachnow 1997]. Forschungen zur Archäologie im Land Brandenburg 5, 1998, 351–366. Wünsdorf.

H. Grimm, Anthropologische Aufschlüsse aus den kaiserzeitlichen Leichenbränden aus Reppentin, Kreis Lübz. –Bodendenkmalpflege in Mecklenburg, Jahrbuch 32–1984, 227–239.

K. Hirsch/R. Lehmphul/N. Kuhlmann/L. Saalow/E. Schanz/J.-P. Schmidt/J. Schuster/I. Sudhoff/W. Virk/H.-U. Voß, „Römisches“ aus Mecklenburg-Vorpommern – Nachträge zur Lieferung D 3 des „Corpus der römischen Funde im europäischen Barbaricum“. – Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern, Jahrbuch 54–2006, 53–105.

H. Keiling, Ein germanischer Urnenfriedhof von der Feldmark Reppentin, Kreis Lübz. –Bodendenkmalpflege in Mecklenburg, Jahrbuch 32–1984, 153–225.

K. Peschel, Germanien in augusteischer Zeit und der römische Vorstoß zur Elbe. In: W. Budesheim/H. Keiling (Hrsg.), Zur Geschichte und Archäologie der Germanen zwischen Rhein und Oder um die Zeitenwende. – Beiträge für Wissenschaft und Kultur 6, 2003, 49–86. Wentorf bei Hamburg

H. Stange, Frühkaiserzeitliche Grabfunde von Schwandt, Kr. Altentreptow. – Ausgrabungen und Funde 25, 1980, 138–146.

T. Völling, Germanien an der Zeitenwende. Studien zum Kulturwandel beim Übergang von der vorrömischen Eisenzeit zur älteren römischen Kaiserzeit in der Germania Magna. – BAR International Series 1360, 2005. Oxford.

H.-U. Voß (Bearb.), Corpus der römischen Funde im europäischen Barbaricum. Deutschland, Band 3. Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. 1998. Bonn.

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