Das Beste kommt zum Schluss! Einzelgräber in Serie

Fund des Monats Mai 2018

Abb. 1. Bad Doberan, LRO, Fpl. 60. Blick auf den Steinrahmen von Befund 39. Foto: LAKD M-V, Landesarchäologie, S. Wigbrand Details anzeigen
Abb. 1. Bad Doberan, LRO, Fpl. 60. Blick auf den Steinrahmen von Befund 39. Foto: LAKD M-V, Landesarchäologie, S. Wigbrand

Abb. 1. Bad Doberan, LRO, Fpl. 60. Blick auf den Steinrahmen von Befund 39.

Abb. 1. Bad Doberan, LRO, Fpl. 60. Blick auf den Steinrahmen von Befund 39.

Der "Kammerhof" gehört zu den beliebtesten Wohnlagen von Bad Doberan, Lkr. Rostock – und das nicht erst in der Neuzeit, wie zahlreiche Oberflächenfunde zeigen. Grabungen konnten schon in den 1990er Jahren die sehr intensive vorgeschichtliche Nutzung des Geländes bestätigen. Herausragend war seinerzeit die Entdeckung eines Kultbezirks der jüngeren vorrömischen Eisenzeit, auf dem unter anderem ein zerstörtes Götzenbild aus Holz geborgen wurde.1

Als im April 2016 die archäologischen Voruntersuchungen für die weitere Erschließung des "Kammerhofs" begannen, war es deshalb keineswegs überraschend, dass erneut zahlreiche Befunde zutage kamen. Die Voruntersuchungen erstreckten sich auf mehr als 30 Hektar bislang ackerbaulich genutzter Flächen. Zur Sicherung der Bodendenkmale wurden nicht nur Voruntersuchungsschnitte angelegt, sondern auch baubegleitende Untersuchungen im Verlauf der Erschließungstrassen sowie partielle Flächengrabungen durchgeführt. Bei Abschluss der Grabungsarbeiten im Dezember 2017 waren durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesarchäologie insgesamt 30 Bodendenkmale mit mehr als 1600 Befunden dokumentiert worden.

Beendet wurde die Gesamtmaßnahme mit einem wissenschaftlichen Paukenschlag: Unmittelbar vor Abschluss aller Grabungen kam am westlichen Rand des Gebietes ein spätneolithischer Bestattungsplatz (Bad Doberan, Fundplatz 60) zutage. Unter den rund 30 Befunden, die auf der etwa 20 x 30 m großen Grabungsfläche ermittelt wurden, gab es nicht nur sechs Gräber und einzelne Gruben, sondern auch sechs Feuerstellen und zwölf Pfostengruben, von denen einige offenbar Bezug auf die Gräber nehmen. So standen beispielsweise vier Pfosten, die eine 2 x 2 m große, quadratische Baustruktur markieren, unmittelbar südwestlich einer Grabanlage.

Herausragend waren jedoch die Grabanlagen selbst, die vornehmlich im zentralen Teil der Untersuchungsfläche aufgedeckt wurden. Es handelte sich in der Regel um rahmenförmige Steinsetzungen, die ursprünglich nach oben durch eine partielle Steinpackung abgeschlossen waren, wie die besser erhaltenen Befunde zeigen. Die Größe der mehrlagig aufgebauten Steineinfassungen reichte von 1,65 x 0,8 m bis 2,08 x  1,18 m, wobei der vom Rahmen umschlossene Innenraum zwischen 1,3 x 0,5 m und 1,6 x 0,6 m erreichte (Abb. 1). Die wannenförmigen Grabgruben waren bis zu 0,6 m tief erhalten. Ein Grab mit zentraler Steinpackung ohne Rahmen, das mit einer Größe von 1,3 x 0,9 m zudem deutlich kleiner war (Abb. 2), und ein 2,3 x 0,7 m großes, langrechteckiges Steinpflaster stellen Sonderformen dar.

Die Hälfte der Gräber war annähernd Ost-West ausgerichtet, während die Ausrichtung der übrigen variierte. Skelettreste waren nicht erhalten, doch bargen vier Befunde Gefäßbeigaben, die meist an einer der beiden Langseiten deponiert worden waren. Es handelte sich um kleine, S-förmig profilierte Becher, wie sie typisch für die Einzelgrabkultur in Mecklenburg-Vorpommern sind. Zwei Gefäße waren intakt überliefert, ein drittes zwar zerdrückt, aber vollständig erhalten, während das vierte nur teilweise geborgen werden konnte. Alle Becher sind relativ klein und nur etwa 11–14 cm hoch mit einem Randdurchmesser von 10–12 cm. Der Gefäßkörper ist meist kugelig, der kaum abgesetzte, leicht ausbiegende Hals stets flächig verziert. Eines der Gefäße trägt ein eingeritztes Fischgrätmuster (Abb. 3), auf anderen finden sich umlaufende Hohlkehlen oder Schrägstrichbänder. Das vierte Stück weist umlaufende Schnureindrücke auf, die am Rand und am Halsansatz durch jeweils ein Querstichband eingefasst sind.

Die Grabbeigaben erlauben eine Datierung des Bestattungsplatzes in die Einzelgrabkultur und machen eine Einordnung in deren älteren Abschnitt wahrscheinlich, in dem Steinpackungsgräber das Befundbild dominieren.2 Vermutlich handelt es sich um Flachgräber, doch ist nicht auszuschließen, dass die Gräber ehemals durch einen oder mehrere flache Hügel überdeckt waren. Da größere Grabgruppen kaum belegt sind, wird Fundplatz 60 der Gemarkung Bad Doberan für die Erforschung der Einzelgrabkultur in Mecklenburg-Vorpommern eine besondere Bedeutung haben.

Marlies Konze/Jens-Peter Schmidt


1 C.-M. Schirren, Astgabelidol und Rinderopfer. Einige Aspekte eisenzeitlicher Kultpraktiken im Lichte der Grabungen 1994 in Bad Doberan (Mecklenburg-Vorpommern). – Germania 73, 1995, 317–336; C.-M. Schirren, Archäologie am Stadtrand - Erste Ergebnisse archäologischer Untersuchungen von 1994-1995 auf dem Kammerhof, Stadt Bad Doberan. – Archäologische Berichte aus Mecklenburg-Vorpommern 2, 1995, 73–80.

2 I. Nilius, Beitrag zur Stellung der Einzelgrabkultur in Mecklenburg. – Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte 64, 1981, 63–74. J. Jacobs, Die Einzelgrabkultur in Mecklenburg-Vorpommern. – Beiträge zur Ur- und Frühge­schichte Mecklenburg-Vorpommerns 24. Schwerin 1991, 12 ff..

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