Digitalisierung wirkt: Das (fast) gelöste Wrack-Rätsel vor Warnemünde

Fund des Monats August 2022

Abb. 1: Rostock-Ost, Ostsee IV. 3D-Modell des Schiffswracks. Seit Bekanntwerden zählt der Schlepper zu den beliebtesten Tauchzielen in der Warnemünder Bucht. Damit einher ging leider auch ein Plünderungs- und Zerstörungsprozess. Die digitale Dokumentation ermöglicht nun zumindest eine virtuelle Konservierung.Details anzeigen
Abb. 1: Rostock-Ost, Ostsee IV. 3D-Modell des Schiffswracks. Seit Bekanntwerden zählt der Schlepper zu den beliebtesten Tauchzielen in der Warnemünder Bucht. Damit einher ging leider auch ein Plünderungs- und Zerstörungsprozess. Die digitale Dokumentation ermöglicht nun zumindest eine virtuelle Konservierung.

Abb. 1: Rostock-Ost, Ostsee IV. 3D-Modell des Schiffswracks. Seit Bekanntwerden zählt der Schlepper zu den beliebtesten Tauchzielen in der Warnemünder Bucht. Damit einher ging leider auch ein Plünderungs- und Zerstörungsprozess. Die digitale Dokumentation ermöglicht nun zumindest eine virtuelle Konservierung.

Abb. 1: Rostock-Ost, Ostsee IV. 3D-Modell des Schiffswracks. Seit Bekanntwerden zählt der Schlepper zu den beliebtesten Tauchzielen in der Warnemünder Bucht. Damit einher ging leider auch ein Plünderungs- und Zerstörungsprozess. Die digitale Dokumentation ermöglicht nun zumindest eine virtuelle Konservierung.

Im März 2009 erreichte eine überraschende Nachricht das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege. Im stark befahrenen Bereich 1,4 km nordwestlich der Warnemünder Molen hatte Dr. Franz Tauber vom Leibnitz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde ein Schiffswrack von etwa 15 m Länge entdeckt, das sich noch etwa 2 m über Grund erhob. Das LAKD bat den Rostocker Verein Gesellschaft für Schiffsarchäologie e.V. (GfS) daraufhin, die Fundstelle näher zu untersuchen. Damit verbunden war der Hinweis, die Position vertraulich zu behandeln – wie sich herausstellen sollte, zu Recht.

Noch im selben Jahr führten erste Tauchgänge am Wrack zu der Erkenntnis, dass es sich um ein gut erhaltenes, unberührtes Arbeitsschiff handelte. Die Schiffsform, die Motorisierung, ein massiver Doppelkreuzpoller und der Umfang des Propellers wiesen auf einen Schlepper hin. Zeitnah angestellte Recherchen deuteten auf einen Hafen- oder Binnenschlepper, vielleicht um die Jahrhundertwende gebaut, dann eventuell von Dampf- auf Dieselmaschine umgerüstet, wegen des typischen H-Pollers möglicherweise holländischer Herkunft. Ein etwa hundert Jahre altes, auf Grund seines Erhaltungszustandes spannendes Objekt für die weitere Erforschung durch die ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger des Vereins.

Ab 2010 gingen dann Gerüchte von einem neuen "Kriegsschiff" vor Warnemünde, aus dem man Geschirr mit Hakenkreuzen, den Kompass und andere Gegenstände entnommen habe, durch die Rostocker Tauchszene. Im Frühjahr 2011 mussten Taucher der GfS bereits erhebliche Schäden am Wrack feststellen. Das gesamte Vorschiff war durchwühlt. Die Veränderungen waren so stark, dass der Eindruck entstehen konnte, ein Anker sei durch das Wrack gezogen worden. Die Eingriffe ließen in den Folgejahren nicht nach, immer wieder wurden Plünderungen am Schlepperwrack dokumentiert und in der regionalen und überregionalen Presse aufgegriffen. Viele Fundzusammenhänge waren bereits zerstört, Hinweise zur Identifizierung des verhältnismäßig jungen Objektes verschwunden. Reste der hölzernen Spinde mit Stiefeln, Spüle und Herd in der Kajüte, Bullaugen, der Dieselmotor oder der Propeller gaben zwar noch Auskunft zum Leben und Arbeiten an Bord, die harten Fakten wie Baujahr und -ort, Zeit und Ursache des Unterganges blieben aber verborgen.

Da sich der Zustand des Wracks über die Jahre weiter verschlechterte, entschloss sich die GfS in Abstimmung mit dem LAKD, den Schlepper als aussagekräftiges Beispiel des Kulturerbes unter Wasser in das 2021 durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern geförderte Digitalisierungsprojekt einzubeziehen. Dafür wurden nach aufwändigen Vorbereitungen über 3000 Einzelfotos unter Wasser aufgenommen und anschließend zu einem 3D-Modell gerechnet.

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Abb. 1: Rostock-Ost, Ostsee IV. 3D-Modell des Schiffswracks. Seit Bekanntwerden zählt der Schlepper zu den beliebtesten Tauchzielen in der Warnemünder Bucht. Damit einher ging leider auch ein Plünderungs- und Zerstörungsprozess. Die digitale Dokumentation ermöglicht nun zumindest eine virtuelle Konservierung. 

Der Ansatz, Bodendenkmale durch 3D-Dokumentation digital zu sichern und dadurch für die Allgemeinheit erlebbar zu machen, zeigte Wirkung. Am Beispiel des Schleppers setzten sich umsichtige Taucher dafür ein, aus dem Wrack geborgene Gegenstände zurückzuholen und der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Für die GfS war es eine große Freude, dass sie auf diese Weise die Übergabe des Kompasses, des Werftschildes und von Geschirr aus der Kajüte an das LAKD vermitteln konnte.

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Abb. 2: Rostock-Ost, Ostsee IV. Das Fabrikschild des 1929 in Alkmaar (Niederlande) gebauten Schleppers war rund zehn Jahre verschollen, bis es kürzlich durch engagierte Taucher ausfindig gemacht wurde.

Dadurch ist jetzt bekannt, dass der Schlepper 1929 mit der Baunummer 676 auf der Werft t`Hondsbosch im nordholländischen Alkmaar gebaut wurde. Vergleichsfotos von anderen auf der Werft hergestellten Schleppern aus den 1930er Jahren zeigen die typische Bauform mit H-Poller, Dieselmotor und Anordnung der Aufbauten, wie sie auch das Wrack vor Warnemünde aufweist. Leider wurde die Werft 1951 abgewickelt, Unterlagen sind nicht erhalten oder jedenfalls nicht auffindbar.

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Abb. 3: Rostock-Ost, Ostsee IV. Der Radiofunkempfänger der Firma "Roland Brand Berlin" wurde während der Sicherungsmaßnahmen am Fundplatz des Schleppers geborgen. Nähere Informationen zu Röhrenradios dieses Typs finden sich z.B. auf www.radiomuseum.org. 3D-Scan: LAKD M-V, Jens Auer

Die Aufdrucke auf Tellern und Kanne geben jedoch klare Hinweise auf die letzte Nutzung durch die Deutsche Kriegsmarine. Anfragen bei niederländischen Archiven und Fachleuten, aber auch im Bundesarchiv oder dem Wehrgeschichtlichen Ausbildungszentrum der Marine laufen und führen im besten Fall zu sicheren Informationen zur Nutzung und Untergangsursache.

Abb. 4: Das dreidimensionale digitale Abbild macht den Schlepper von jedem Ort aus erlebbar. In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-IGD entstand auch eine Rekonstruktion der Aufbauten.Details anzeigen
Abb. 4: Das dreidimensionale digitale Abbild macht den Schlepper von jedem Ort aus erlebbar. In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-IGD entstand auch eine Rekonstruktion der Aufbauten.

Abb. 4: Das drei­dimen­sionale digi­tale Abbild macht den Schlep­per von jedem Ort aus erleb­bar. In Zusam­men­arbeit mit dem Fraun­hofer-IGD entstand auch eine Re­kon­struktion der Aufbauten.

Abb. 4: Das drei­dimen­sionale digi­tale Abbild macht den Schlep­per von jedem Ort aus erleb­bar. In Zusam­men­arbeit mit dem Fraun­hofer-IGD entstand auch eine Re­kon­struktion der Aufbauten.

Digitalisierung ist keine Einbahnstraße. In diesem Falle hat die Präsentation des „digitalen Schiffswracks“ dazu geführt, dass sich engagierte Taucher erfolgreich um die Wiederbeschaffung von verloren geglaubten Bestandteilen des Wracks bemühten. Nach zehn Jahren konnten so einige Rätsel um den Warnemünder Schlepper gelöst werden. Diese Informationen, aber auch die durch das LAKD angefertigten 3D-Scans der Funde, stehen jetzt Interessierten zur Verfügung.

Martin Siegel, 1. Vorsitzender der Gesellschaft für Schiffsarchäologie e. V., Rostock

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