Profis am Werk, Teil 2: Drehscheibenkeramik aus Bad Doberan, Lkr. Rostock

Fund des Monats Januar 2021

Abb. 1. Bad Doberan, Lkr. Rostock. Insbesondere an der Gefäßinnenseite sind die Drehrillen zu erkennen, die durch die Fertigung auf einer schnell rotierenden Töpferscheibe entstanden sindDetails anzeigen
Abb. 1. Bad Doberan, Lkr. Rostock. Insbesondere an der Gefäßinnenseite sind die Drehrillen zu erkennen, die durch die Fertigung auf einer schnell rotierenden Töpferscheibe entstanden sind

Abb. 1. Bad Doberan, Lkr. Rostock. Ins­beson­dere an der Gefäß­innen­seite sind die Dreh­rillen zu er­ken­nen, die durch die Fer­ti­gung auf einer schnell rotie­ren­den Töpfer­scheibe ent­standen sind.

Abb. 1. Bad Doberan, Lkr. Rostock. Ins­beson­dere an der Gefäß­innen­seite sind die Dreh­rillen zu er­ken­nen, die durch die Fer­ti­gung auf einer schnell rotie­ren­den Töpfer­scheibe ent­standen sind.

Der Ausgrabungsort der kürzlich vorgestellten bronze­zeitlichen Hinter­lassen­schaften in Bad Doberan (siehe Fund des Monats Oktober 2020) hat durchaus weitere Überraschungen zu bieten. So wurde dieser Platz auch in der jüngeren römischen Kaiserzeit intensiv genutzt. Im 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. erstreckte sich hier eine ausgedehnte Siedlung, deren Überreste auf einer Fläche von knapp 2 Hektar freigelegt wurden. Nach Auswertung der Grabungs­ergebnisse lässt sich das Bild eines aus mehreren Gehöften bestehenden Dorfes mit landwirt­schaftlicher Wirtschafts­weise zeichnen, in dessen Randbereich jedoch auch spezielle Verfahren wie die Verhüttung von Raseneisenerz betrieben wurden, so dass von einer weitgehend autarken Wirtschaftsweise auszugehen ist.

Insbesondere der Blick auf die Keramikgefäße der Siedlung offenbart interessante Aspekte: 65 Fragmente unterscheiden sich erheblich von der übrigen, freihändig geformten und im typischen Stil des 3. und 4. Jahrhunderts hergestellten und verzierten Ware. Diese 65 Scherben sind grau oder orange und glattwandig, sehr gut gebrannt und weisen überwiegend an den Gefäßinnenseiten Rillen auf, wie sie signifikant für auf der schnell rotierenden Töpferscheibe gefertigte Keramik sind (Abb. 1). Aufgrund dieser Beschaffenheit wirkt sie deutlich feiner und hochwertiger als die übrige Siedlungskeramik, so dass wir hier von feinem Tischgeschirr ausgehen müssen. Als Gefäße lassen sich überwiegend Schalen mit Standringen rekonstruieren (Abb. 2). Wie solche Gefäße ausgesehen haben, verdeutlicht ein Gefäß aus Verchen, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, dessen bei der Begradigung der Peene geborgene Fragmente sich wieder vollständig zusammensetzen ließen (Abb. 3).

Auch wenn die 65 Scherben aus Bad Doberan in ihrer Menge lediglich ein Prozent des dort geborgenen keramischen Fundmaterials ausmachen, so repräsentieren sie damit dennoch den größten Fundkomplex scheibengedrehter Ware aus Mecklenburg-Vorpommern. Andere untersuchte Siedlungen erbrachten bisher lediglich Einzelscherben, mengenmäßig annähernd vergleichbar sind lediglich die Funde einer Ausgrabung bei Rollwitz, Lkr. Vorpommern-Greifswald, und – fast in Sichtweite der hier vorgestellten Funde – das Material einer bereits in den 1990er Jahren untersuchten Siedlung in Bad Doberan. So bleibt Drehscheibenkeramik an der südlichen Ostseeküste zwischen unterer Elbe und Oder nach wie vor die Ausnahme, doch führt die relativ große Anzahl nun bekannter Scherben aus Bad Doberan unweigerlich zu der Überlegung, ob diese Gefäße Handelsgut waren oder ob sich hier nicht doch eine Spezialisierung lokalen Handwerks zu erkennen gibt, wie sie andernorts im Barbaricum durchaus zu beobachten ist. Vorerst bleibt die Datenbasis für solche Rückschlüsse aber noch zu gering, zumal bislang jegliche Hinweise auf eine lokale Herstellung scheiben­gedrehter Gefäße auch bei der relativen Fundhäufung in Bad Doberan fehlen.

Ungleich leichter lässt sich die Herkunft zweier kleiner Scherben aus rot engobiertem, orangem Ton ermitteln (Abb. 4): Bei diesen handelt es sich um Fragmente von Terra sigillata-Gefäßen, dem feinen römischen Tischgeschirr, das im Römischen Reich und vor allem in den Rheinprovinzen in erheblicher Anzahl hergestellt wurde. Im Norden muss diese Keramik eine besondere Wertschätzung erfahren haben. Wie die wenigen bekannten Funde zeigen, fand sie aber nur selten ihren Weg hierhin, so dass selbst Kleinstfragmente eine Besonderheit sind.

Dr. Lars Saalow

Literatur:

Abegg-Wigg et al. 2014: A. Abegg-Wigg, M. Hegewisch, L. Saalow und H.-U. Voß, Kaiserzeitliche Siedlungskeramik in Mecklenburg-Vorpommern und anderen Regionen des mitteleuropäischen Barbaricums: Aspekte handgefertigter und Drehscheibenware. – Germania 92, 2014, 171–190.

Bemmann et al. 2011: J. Bemman, M. Hegewisch, M. Meyer, M. Schmauder (Hrsg.), Drehscheibentöpferei im Barbaricum – Technologietransfer und Professionalisierung eines Handwerks am Rande des Römischen Imperiums. – Bonner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichtlichen Archäologie 13 (Frankfurt a. M. 2011).

Saalow 2017: L. Saalow, Völschow. Eine siedlungsgeschichtliche Studie zur jüngeren vorrömischen Eisenzeit und römischen Kaiserzeit in Mecklenburg-Vorpommern. – Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mecklenburg-Vorpommerns 52 (Schwerin 2017).

Schmidt 1999: V. Schmidt, Untersuchungen auf einem spätgermanischen Siedlungsplatz bei Rollwitz, Lkr. Uecker-Randow. – Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern, Jahrbuch 47, 1999, 181–200.

Schmidt 2001: V. Schmidt, Siedlungsarchäologie zur Völkerwanderungszeit in Mecklenburg-Vorpommern. – In: M. Meyer (Hrsg.), "… Trans Albim fluvium": Forschungen zur vorrömischen, kaiserzeitlichen und mittelalterlichen Archäologie [Festschrift. A. Leube]. Studia Honoraria 10 (Rahden/Westf. 2001) 387–402.

Schmidt 2005: J.-P. Schmidt, Weiß getünchte Häuser und reich verzierte Töpfe in Rollwitz, Lkr. Uecker-Randow. – In: H. Jöns, F. Lüth, T. Terberger (Hrsg.), Die Autobahn A 20. Norddeutschlands längste Ausgrabung. Archäologie in Mecklenburg-Vorpommern 4 (Schwerin 2005) 137–140.

Ulrich 1995: J. Ulrich, Ein spätgermanischer Siedlungsplatz im Gewerbegebiet "Eikboom" bei Bad Doberan. – Ausgrabungen und Funde 40, 1995, 157–161.

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