Der Mann mit der Schüssel – Ein ungewöhnliches Grab und seine ungewöhnliche Beigabe aus Groß Markow, Lkr. Rostock

Fund des Monats August 2023

Horst Maischeider aus Dargun gehört zu den erfolgreichsten Bodendenkmalpflegern unseres Landes. In den vergangenen fünf Jahrzehnten entdeckte er zahlreiche Siedlungen und Gräberfelder auf Flächen, wo dies heute durch die oft pfluglose Landwirtschaft nicht mehr möglich ist. Große Verdienste erwarb er sich auch bei der Bergung der Funde, die bei den Flussbaggerungen an Peene, Trebel und Tollense im tiefen Schlamm der Spülfelder landeten. Wer einige seiner bedeutendsten Entdeckungen sehen will, dem sei die Lektüre der „Kurzen Fundberichte“ im Jahrbuch Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern 2018 empfohlen.

Flüsse werden aber heute kaum mehr ausgebaggert und die Flusstäler sind weitgehend verschilft, was Horst Maischeider dann wieder auf die Äcker trieb. Als ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger darf er für die Erfassung der Bodendenkmale einen Metalldetektor benutzen. Ein Platz in der Gemarkung Groß Markow, auf dem er vor Jahrzehnten einen zeitlich nicht einzuordnenden Bronzering und einige germanische Scherben entdeckte, war im August 2021 sein Ziel – und wieder einmal hatte er Glück: An einer Stelle ließ das Signal des Detektors einen größeren Metallgegenstand im Boden vermuten, so dass Horst Maischeider sich zu einer Sondage entschloss. Schnell war klar, dass das Signal von einem Metallgefäß stammte. Bei dessen Freilegung stieß er auf ein vom Grünspan verfärbtes menschliches Schulterblatt und unterbrach sofort die Arbeiten, obwohl der Forscherdrang auch bei älteren Herrschaften nur schwer zu bändigen ist. Der Anruf bei seinem zuständigen Grabungstechniker der Landesarchäologie brachte diesen am nächsten Tag auf den Acker, wo beide zusammen ein richtig reich ausgestattetes Grab eines germanischen „princeps / Fürsten“ ausgruben (Abb. 1) – dachten sie jedenfalls.

Abb. 1. Groß Markow, Lkr. Rostock. Das freigelegte Körpergrab. Im Bereich des Unterkörpers ist der Befund durch eine alte Eingrabung oder einen Baumwurf gestört.Details anzeigen
Abb. 1. Groß Markow, Lkr. Rostock. Das freigelegte Körpergrab. Im Bereich des Unterkörpers ist der Befund durch eine alte Eingrabung oder einen Baumwurf gestört.

Abb. 1. Groß Markow, Lkr. Rostock. Das freigelegte Körpergrab. Im Bereich des Unterkörpers ist der Befund durch eine alte Eingrabung oder einen Baumwurf gestört.

Abb. 1. Groß Markow, Lkr. Rostock. Das freigelegte Körpergrab. Im Bereich des Unterkörpers ist der Befund durch eine alte Eingrabung oder einen Baumwurf gestört.

Der in gestreckter Lage mit dem Kopf im Südosten beigesetzte Tote, dessen irdisches Dasein im Alter von 40 bis 60 Jahren irgendwann im späten 3. oder frühen 4. Jahrhundert n. Chr. endete, und der, wovon er mit Sicherheit nichts wusste, eine Knochenanomalie in Form eines Loches im Brustbein hatte, war offenbar ohne weitere Beigaben beigesetzt worden – jedenfalls ohne solche aus Metall. Hölzerne sind schwer, aber nicht unmöglich nachzuweisen, doch ließen sich nicht einmal Reste eines Sarges ausmachen, sodass wir davon ausgehen können, dass es weder das eine noch das andere gegeben hat. Um die archäologische Datierung abzusichern, wurden die Knochenreste mittels der 14C-Methode in Poznań datiert, wobei das Ergebnis in die späte römische Kaiserzeit fällt (Poz-154885: 1745 ± 30 BP; 242–401 cal. AD).

Der Mann von Groß Markow hat zwei Besonderheiten: Zum einen wurde er nicht verbrannt beigesetzt. 99 % aller der Archäologie bekannten Germanen Norddeutschlands liegen in Form kleiner und kleinster Leichenbrandreste vor, denen Rudolf Virchow noch jeglichen Aussagewert absprach. Inzwischen hat die Wissenschaft nicht nur seine Neandertalerthese, sondern auch seine Meinung zum Leichenbrand widerlegt und kann nun Alter, Geschlecht und Krankheiten unserer Urahnen durch die sorgfältige Analyse des Leichenbrandes feststellen. Bei unverbrannten Knochen geht das natürlich viel besser, vielleicht findet sich genetisches Material auch noch an der Wurzel des Schneidezahnes des Toten von Groß Markow. Hieran erkennt man, wie wichtig es ist, auch unscheinbare Dinge zu archivieren, die die Forscher vielleicht erst in ferner Zukunft nutzen werden.

Die zweite Besonderheit des Grabes ist das Bronzebecken. Es stammt wohl aus einer der römischen Nordwestprovinzen und wurde irgendwann zwischen den Jahren 200 und 280 n. Chr. hergestellt. Genaueres ist mangels Herstellerstempel nicht herauszufinden. In die „Germania“ gelangte es entweder über den regen Handel der Römer mit den Germanen, als Geschenk für verbündete Stämme oder aber als Kriegsbeute. Die Übergänge zwischen diesen Möglichkeiten waren zu allen Zeiten fließend.

Abb. 2. Groß Markow, Lkr. Rostock. Das Bronzebecken.Details anzeigen
Abb. 2. Groß Markow, Lkr. Rostock. Das Bronzebecken.

Abb. 2. Groß Markow, Lkr. Rostock. Das Bronzebecken.

Abb. 2. Groß Markow, Lkr. Rostock. Das Bronzebecken.

Hergestellt aus Bronzeblech – so die Röntgenfluoreszenz-Oberflächenanalyse – und versehen mit angelöteten tropfenförmigen Attachen, die einen elegant geschwungenen Henkel halten, wirkt es nahezu zeitlos modern (Abb. 2). Das mag daran liegen, dass unser europäisches Auge antike Formen durch ihre mehrfache Wiederentdeckung in der Renaissance und im Klassizismus als angenehm empfindet. Im Standardwerk von Hans-Jürgen Eggers zu den römischen Importgefäßen entspricht unser Fund dem Typ 78. Unter dem Rand verläuft außen ein Rillenpaar. Innen sind fünf Rillenpaare – zwei im Randbereich und drei auf dem Boden – sichtbar (Abb. 3). Die Höhe beträgt 85 mm, der Mündungsdurchmesser 265 mm und der Bodendurchmesser 75 mm. Vergleichsfunde kennen wir unter anderem aus der berühmten „Alamannenbeute“ von Neupotz, südlich von Speyer, die wohl um das Jahr 260 n. Chr. im Rhein versank, als auch dem diesem Hortfund im Bekanntheitsgrad nicht nachstehenden Grab der „Fürstin“ von Haßleben bei Sömmerda in Thüringen, die im letzten Drittel des 3. Jahrhunderts n. Chr. bestattet worden war.

Abb. 3. Groß Markow, Lkr. Rostock. Das Innere des Bronzebeckens.Details anzeigen
Abb. 3. Groß Markow, Lkr. Rostock. Das Innere des Bronzebeckens.

Abb. 3. Groß Markow, Lkr. Rostock. Das Innere des Bronzebeckens.

Abb. 3. Groß Markow, Lkr. Rostock. Das Innere des Bronzebeckens.

Eigentlich waren dergleichen Gegenstände wohlhabenden oder, wie im Falle der „Fürstin“ von Haßleben, sehr reichen Verstorbenen vorbehalten. Zu denen gehörte unser Toter offenbar nicht, denn seine Grablege enthielt nicht einmal eine Gewandspange oder einen Gürtel. Auch gehören zu reichen Bestattungen stets Gefäßsätze und eine Grabkammer. Der Tote von Groß Markow lag nach bisheriger Kenntnis nicht einmal auf einem Gräberfeld, sondern war am Rande einer Siedlung bestattet worden, offenbar allein. Über die Gründe kann man nur spekulieren, zumal der überlieferte Befund mit Unsicherheiten behaftet ist. Als Fazit bleibt eine ungewöhnliche Bestattung, die durch das römische Becken anderen spätkaiserzeitlichen Körpergräbern im westlichen Ostseeraum zur Seite gestellt werden kann.

Dipl.-Rest Jens Ulrich/Dr. Hans-Ulrich Voß

Literatur

  • H. J. Eggers, Der römische Import im freien Germanien. Atlas der Urgeschichte 1 (Hamburg 1951).
  • R. Petrovszky, Studien zu römischen Bronzegefässen mit Meisterstempeln. Kölner Studien zur Archäologie der Römischen Provinzen 1 (Buch am Erlbach 1993).
  • R. Petrovszky / H. Bernhardt, Versunken im Rhein – Typenspektren der „Beutehorte“ im Vergleich. In: H.-U. Voß / N. Müller-Scheeßel (Hrsg.), Archäologie zwischen Römern und Barbaren – Zur Datierung und Verbreitung römischer Metallarbeiten des 2. und 3. Jahrhunderts n. Chr. im Reich und im Barbaricum – ausgewählte Beispiele (Gefäße, Fibeln, Bestandteile militärischer Ausrüstung, Kleingerät, Münzen). Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte 21,1 (Bonn 2016) 245–260.
  • E. Künzl, Die Alamannenbeute aus dem Rhein bei Neupotz. Plünderungsgut aus dem römischen Gallien. Teil 1: Untersuchungen. Teil 2: Katalog. RGZM Monographien 34,1.2 ²(Bonn, Mainz 2008).
  • W. Schulz, Das Fürstengrab von Hassleben. Römisch-Germanische Forschungen 7 (Berlin 1933)

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