Mit Almandinen und Goldfolie: Der Schmuck einer Dame aus den "besseren Kreisen" der Merowingerzeit

Fund des Monats Dezember 2022

Abb. 1: Zierow, Lkr. Nordwestmecklenburg. Fragment einer silbernen, vergoldeten Bügelfibel (Vorder-, Rück- und Seitenansichten). Maße der Kopfplatte: 3,86 x 2,26 cm, H. 1,08 cm, Breite des Bügels am Ansatz: 2,43 cm.Details anzeigen
Abb. 1: Zierow, Lkr. Nordwestmecklenburg. Fragment einer silbernen, vergoldeten Bügelfibel (Vorder-, Rück- und Seitenansichten). Maße der Kopfplatte: 3,86 x 2,26 cm, H. 1,08 cm, Breite des Bügels am Ansatz: 2,43 cm.

Abb. 1: Zierow, Lkr. Nord­west­mecklenburg. Fragment einer silbernen, vergoldeten Bügelfibel (Vorder-, Rück- und Seitenansichten). Maße der Kopfplatte: 3,86 x 2,26 cm, H. 1,08 cm, Breite des Bügels am Ansatz: 2,43 cm.

Abb. 1: Zierow, Lkr. Nord­west­mecklenburg. Fragment einer silbernen, vergoldeten Bügelfibel (Vorder-, Rück- und Seitenansichten). Maße der Kopfplatte: 3,86 x 2,26 cm, H. 1,08 cm, Breite des Bügels am Ansatz: 2,43 cm.

Das östlich von Wismar in Zierow, Lkr. Nordwestmecklenburg, gefundene Fragment einer silbernen, vergoldeten Bügelfibel repräsentiert ein sehr qualitätvoll gearbeitetes, überaus beeindruckendes Schmuckstück aus der ersten Hälfte und Mitte des 6. Jahrhunderts n. Chr. (Abb. 1). Obwohl mit dem Fibelbügel und -fuß der größere Teil fehlt, beeindruckt die Gestaltung der mit Kerbschnitt und Almandineinlagen verzierten Kopfplatte. Ihren Abschluss bildet eine nielloverzierte Randleiste; zum Bügel hin, der eine Fassung für weitere Steineinlagen aufweist, übernimmt ein ebenfalls silberner Kerbdraht diese Aufgabe. Dabei verdienen zwei Details besondere Beachtung: Zum einen die getreppten Stege zwischen den in einer rechteckigen Fassung eingesetzten Almandinen und deren mittige Erweiterung unten (Abb. 2). Zum anderen, erst bei genauer Betrachtung erkennbar, die durch parallele Linien unterteilte, mit einem groben „Waffelmuster“ versehene Goldfolie unter den Almandinen, mit der die optische Wirkung der Steineinlage bei entsprechendem Lichteinfall noch verstärkt wurde (Abb. 3). Unter dem Mikroskop wird die sorgfältige Herstellung des Waffelmusters deutlich (Abb. 4): der Abstand zwischen den Linien beträgt 0,376 mm, die Größe der damit gebildeten Rhomben beläuft sich auf 1,1 bis 1,25 mm – ein weiterer Beleg für die handwerkliche Qualität und Exklusivität dieses Schmuckstücks. Die sieben ehemals in die rechteckige, kastenförmige Kopfplatte eingezapften Zierknöpfe sind leider verloren gegangen.

Typologisch lässt sich das Fibelfragment einer Gruppe almandinverzierter Bügelfibeln anschließen, die von Alexander Koch unter der Formengruppe Anguilcourt-le-Sart/Monceaux, Variante Anguilcourt-le-Sart zusammengefasst worden ist (Koch 1998, 29-299; 709 Taf. 43). Die schmale, nur einen Teil der Kopfplatte einnehmende Almandineinlage mit dem 4,77 mm breiten Mittelstück an der Unterseite unterscheidet das Fundstück aus Zierow jedoch in auffälliger Weise von bisher bekannten Vertretern mit großen, die Kopfplatte dominierenden Steineinlagen, wie etwa den beiden Exemplaren aus dem Nordfriedhof (Meyer-Fries-Straße) von Weimar (Behm-Blancke 1973, 344 Taf. 83; Abb. 5) oder dem als thüringisch angesprochenen Fibelpaar aus Schretzheim, Lkr. Dillingen an der Donau, Grab 247 (Koch 1977, 49–53; 57; 86 Taf. 63; 97; 190; 191).

Wenngleich insbesondere durch das Fehlen des Fibelfußes keine genauere Zuordnung möglich ist, dürfte es sich bei dem Zierower Fund vermutlich eher um einen aus dem sogenannten östlichen Reihengräberkreis, vielleicht dem thüringisch-mitteldeutschen Bereich stammenden Schmuck handeln. Dafür spricht die Gestaltung der Almandineinlage mit der durch Parallelen „gegitterten“ Goldfolie, die sich auf zahlreichen mit dem langobardischen Kunsthandwerk in Verbindung gesetzten Schmuckstücken finden lässt. So wird für eine silberne S-Fibel mit Almandineinlagen aus Grab 1 des fränkischen Gräberfeldes von Klepsau, Stadt Krautheim im Hohelohekreis, von der Bearbeiterin Ursula Koch ein Gitterabstand von 1,4 mm und für die Gitterlinien von ca. 0,3 mm genannt (Koch 1990, 20-21); für entsprechende Fibeln aus dem langobardischen Gräberfeld von Vörs, Komitat Somogy, südöstlich des Balaton, nennt Karoly Sági 1,32 mm große Rhomben (Sági 1964, 399 Taf. 36; 38). Vergleichende Untersuchungen herstellungstechnischer Details und zur Art der Vergoldung des Zierower Stückes mit ca. 50–77 μm starker Goldfolie werden eventuell Rückschlüsse auf die Werkstatt liefern, die ein derart exquisites Schmuckensemble – man wird mit ziemlicher Sicherheit von einem Fibelpaar ausgehen dürfen – geschaffen hat.

Die Fundsituation liefert leider keine weiteren Hinweise auf die Umstände, unter denen das Fibelfragment an die Ostseeküste gelangt ist, ob als Schmuck mit seiner Trägerin, sicher einer zu den „besseren Kreisen“ der Merowingerzeit gehörenden Dame, oder bereits als Fragment zur Weiterverarbeitung des Edelmetalls und der Halbedelsteine. Im Verein mit ähnlichen Stücken aus dem südlichen Ostseeraum und den zahlreichen völker- bzw. merowingerzeitlichen Fundstücken, die derzeit aus Mecklenburg-Vorpommern bekannt werden, ist es jedoch ein aufschlussreiches Zeugnis für die überregionalen Kontakte der von Franken, Thüringern, Alemannen und Langobarden getragenen „Reihengräberzivilisation“ mit den außerhalb davon östlich der Elbe, Oder und Weichsel lebenden Bevölkerungen.

Dr. Hans-Ulrich Voß

Literatur

Behm-Blancke 1973: G. Behm-Blancke, Gesellschaft und Kunst der Germanen. Die alten Thüringer und ihre Welt (Dresden 1973).

Horváth 2012: E. Horváth, Cloisonné Jewellery from the Langobardic Pannonia: technological evidence of workshop practice. In: V. Ivanišević / M. Kazanski (eds), The Pontic-Danubian realm in the period of the Great Migration. Posebna Izdanja 51 – Monographies Centre de recherches d`histoire et civilisation de Byzance 36 (Beograd, Paris 2012) 207–242.

Koch 1977: U. Koch, Das Reihengräberfeld bei Schretzheim. Germanische Denkmäler der Völkerwanderungszeit 13 (Berlin 1977).

Koch 1990: U. Koch, Das fränkische Gräberfeld von Klepsau im Hohenlohekreis. Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 38 (Stuttgart 1990).

Koch 1998: A. Koch, Bügelfibeln der Merowingerzeit im westlichen Frankenreich. Monographien des RGZM 41 (Mainz 1998).

Sági 1964: K. Sági, Das langobardische Gräberfeld von Vörs. Acta Archaeologica Academiae Scientiarum Hungaricae 16, 1964, 359–408.

Schuster 2019: J. Schuster, A Merovingian lady in the East? A high quality 6th century brooch from Northwest Poland. Fontes Archaeologici Posnanienses 54, 2019, 141–157.

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