Feines Schuhwerk – Ein seltenes Miniaturgefäß aus der Nähe von Pasewalk, Lkr. Vorpommern-Greifswald

Fund des Monats August 2020

Abb. 1: Pasewalk, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Der Miniaturschuh in der Seitenansicht. Foto: LAKD MV/ LA, S. SuhrDetails anzeigen
Abb. 1: Pasewalk, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Der Miniaturschuh in der Seitenansicht. Foto: LAKD MV/ LA, S. Suhr

Abb. 1: Pasewalk, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Der Miniaturschuh in der Seitenansicht.

Abb. 1: Pasewalk, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Der Miniaturschuh in der Seitenansicht.

Archäologische Grabungen bei Frost sind nicht unbedingt ein Vergnügen. Im Januar 2019 musste sogar ein Bagger zu Hilfe genommen werden, um mehrere urgeschichtliche Siedlungsbefunde auf der Trasse der Europäischen Gas-Anbindungsleitung (EUGAL) zu dokumentieren und das Fundmaterial zu bergen.

Befund 7, eine unscheinbare Grube rundlicher Form, schien zunächst nur einige unverzierte Keramikscherben zu enthalten. Beim Abbau der zweiten Befundhälfte gab der Boden jedoch überraschend ein kleines Gefäß in Form eines Schuhs preis.

Das Gefäß (Abb. 1) hat eine Grundfläche von 7,5 x 3,5 cm und eine Höhe von 3,5 cm. Die fein mineralisch gemagerte Keramik von dunkelbrauner Farbe besitzt eine geglättete, aber stumpfe Oberfläche. Der Schuh ist knöchelhoch ausgeformt, wird zur Fußspitze hin schmaler und hat dort eine abgerundete, breite Spitze (Abb. 2). Die Sohle ist flach, aber zu den Seiten hin schwach gewölbt (Abb. 3). Auf der Oberseite findet sich eine Verzierung aus zwei tannenzweigartig verlaufenden Rillengruppen (jeweils fünf auf jeder Seite), die Schuhspitze trägt zwischen dem V-förmigen Ausschnitt der seitlichen Strichbündel drei gerade nach vorn verlaufende Rillen. Die Verzierung wird zum Schuhschaft durch zwei umlaufende Rillen begrenzt, die sich auch auf der Schuhsohle fortsetzen. An der Ferse befindet sich leicht seitlich versetzt eine rundliche Verdickung aus Ton, die etwas abgeplatzt ist (Abb. 4).

Zur Datierung von Befund 7 wurden Holzkohlereste aus der Verfüllung einer Radiokarbondatierung (Poz 118810) unterzogen. Diese ergab einen Alterswert von 664 ± 87 cal BC, also um 660 v. Chr., was der ausgehenden Bronzezeit entspricht.

Schuhgefäße gehören zu einer seltenen, sehr speziellen Keramikform, die von Griechenland und Italien über Österreich, Ungarn, Rumänien und Tschechien bis nach Polen und Norddeutschland vorkommt (Kohle 2014, Beilage 1). Zusammen mit einem Altfund aus Templin, Lkr. Uckermark, markiert das Pasewalker Gefäß den nördlichen Rand des Verbreitungsgebietes. Formal zeigen die Schuhgefäße eine große Variationsbreite, was insbesondere für die Vertreter südlich der Alpen gilt. Eine Reihe von ihnen weisen, wie das Exemplar aus Pasewalk, mehrere Rillen als Verzierung auf. Es ist zu vermuten, dass Schnürschuhe für die Gestaltung Pate gestanden haben, wie sie z. B. aus den Salzbergwerken von Hallstatt und dem Dürrnberg bei Hallein bekannt sind.

Zu den unmittelbaren Vergleichsstücken des Pasewalker Fundes gehört ein Schuhgefäß aus Dolany in Tschechien (Kohle 2014, Kat. Nr. 7), aber auch ein Schuhgefäß aus Hostomice in Tschechien (Kohle 2014, Kat. Nr. 9) ist ähnlich verziert, ebenso wie ein Stiefelgefäß aus Klein Ziethen, Sachsen-Anhalt (Kohle 2014, Kat. Nr. 27). Weitere Stiefelgefäße aus Tschechien (Kohle 2014, Kat. Nr. 17-21) mit hohen bzw. ehemals hohen Schäften sind von der Schuhform etwas spitzer zulaufend ausgeformt, weisen aber ebenfalls die bereits bekannten Rillenverzierungen in Längs- und Querform auf.

Ungewöhnlich ist, dass das Pasewalker Schuhgefäß in einer Siedlungsgrube gefunden wurde. Die meisten anderen Schuhgefäße stammen aus Gräbern.

Dr. Andreas Selent

Literatur

Kohle 2014: M. Kohle, Die Stiefelgefäße der späten Bronze- und frühen Eisenzeit. Ungedruckte Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts (M.A.) der Philologischen, Philosophischen und Wirtschafts- und Verhaltenswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br., 2014.

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