Gold, ohne Weihrauch und Myrrhe - Ein völkerwanderungszeitliches Edelmetalldepot aus Gützkow

Fund des Monats Dezember 2018

Abb. 1. Gützkow, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Massiver, aus vier Windungen spitzoval aufgewickelter Golddraht.Details anzeigen
Abb. 1. Gützkow, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Massiver, aus vier Windungen spitzoval aufgewickelter Golddraht.

Abb. 1. Gützkow, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Massiver, aus vier Windungen spitzoval aufgewickelter Golddraht.

Abb. 1. Gützkow, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Massiver, aus vier Windungen spitzoval aufgewickelter Golddraht.

Artefakte aus Gold zählen zu den schillerndsten Fundstücken in der Archäologie, auch wenn unser Bundesland in dieser Hinsicht nicht immer die Fülle zu bieten hat, die man aus anderen Regionen kennt. Dies gilt auch für die Völkerwanderungszeit, für die in den letzten Jahren mit einem Goldbrakteaten aus Weltzin (Schanz 2011), einem Anhänger aus Blankenförde (Schanz 2010) sowie den kleinen goldenen Barren aus Striggow (Petrick 2014) und Kölln (Brandt 2005) nur relativ wenige Neuentdeckungen hinzukamen. Zuwachs erfährt diese Fundkategorie nun durch ein in vielerlei Hinsicht außergewöhnliches Fundensemble, das der ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger Thomas Marlow bei einer Begehung im Februar vergangenen Jahres bei Gützkow, Lkr. Vorpommern-Greifswald, entdeckte.

Nach der Auffindung stellte sich das Ensemble der aus Gold gefertigten Fundstücke folgendermaßen dar: In einem massiven, aus vier Windungen spitzoval aufgewickelten Draht (Abb. 1) waren mittels eines Anhängers, dessen Enden zu einem Spiralmotiv verwunden sind (Abb. 2), fünf übereinander gestapelte spätrömische Solidi fixiert. Insgesamt bringen es diese Funde auf ein Gewicht von etwas über 93 g, allein der Spiraldraht entspricht mit seinen 70 g etwa 16 Solidi. Der Neufund muss damit als das größte Edelmetalldepot des 5. Jahrhunderts nach Christus aus unserem Bundesland gelten.

Vor der Entdeckung des Gützkower Fundes waren aus Mecklenburg-Vorpommern lediglich fünf spätrömische Goldmünzen des 5. Jahrhunderts bekannt: ein in Rom geprägter Solidus des Valentinianus III., der von 425–455 Kaiser der westlichen Reichshälfte war, sowie jeweils zwei in Constantinopolis geprägte Solidi der oströmischen Kaiser Theodosius II. (408–450) und Zeno (474–475 bzw. 476–491). Das Fundaufkommen der völkerwanderungszeitlichen Goldmünzen in Mecklenburg-Vorpommern war also ausschließlich durch oströmische Prägungen bestimmt.

Mit dem Gützkower Depotfund ändert sich dies grundlegend, denn dieser besteht aus zwei Solidi des Honorius (Abb. 3, 1–2), geprägt 402–423 in Ravenna (RIC 1287/1321/1328), zwei Solidi des Valentinianus III. (Abb. 3, 3–4), geprägt 426–ca. 430 (RIC 2010) bzw. ca. 430–445 (RIC 2019) ebenfalls in Ravenna sowie einem Solidus des Libius Severus (Abb. 3, 5), geprägt 462 in Rom (RIC 2704). Alle fünf Prägungen stammen demnach aus weströmischen Münzstätten, was die herausragende Bedeutung des Fundes untermauert.

Eine absolute Seltenheit ist der Solidus von Libius Severus, für den keine Parallelen aus dem rechtsrheinischen Deutschland bekannt sind. Bei einer der beiden Prägungen für Valentinianus III. sind die Lotspuren einer nicht mehr vorhandenen Aufhängung oberhalb der Kaiserbüste auf der Vorderseite erkennbar. Ursprünglich war die Münze, wie viele spätrömische Goldmünzen und Medaillons aus dem Barbaricum, demnach geöst, um sie als Schmuck zu tragen, wobei die Kaiserbüste zur Schau gestellt wurde (Bursche 2001).

Die Vergesellschaftung der Münzen mit dem Golddraht und dem kleinen Anhänger legt die Vermutung nahe, dass die Münzen eher nicht als Zahlungsmittel, sondern als Wertgegenstände oder Rohmaterial gehortet wurden (Abb. 4). Anhand von Metallanalysen soll nun festgestellt werden, ob der Golddraht und der Anhänger aus eingeschmolzenen römischen Goldmünzen hergestellt wurden.

Nicht minder von Interesse ist der Niederlegungsort des Edelmetalldepots. Auch wenn sich in den letzten Jahren unsere Kenntnis völkerwanderungszeitlicher Fundstellen mehrt, so bleibt dennoch zu konstatieren, dass gegenüber der jüngeren römischen Kaiserzeit ein erheblicher Siedlungsrückgang zu verzeichnen ist, von dem nur wenige Regionen ausgenommen sind. Entlang der Peene zwischen Demmin und Anklam sind vereinzelte Nachweise völkerwanderungszeitlicher Fundstellen bekannt, zahlreich sind sie aber nicht (Voß 1992, 169 ff.; Leube 2009, 199 Abb. 151; Kleingärtner 2014, 32 Abb. 5). Der Neufund aus Gützkow bereichert dieses Bild folglich in herausragender Weise. Bemerkenswert ist aber auch der örtliche Lagebezug – das Depot wurde etwas abseits einer Siedlung entdeckt, die nachweislich in slawischer Zeit bestand, auf der neuerdings aber auch spätkaiserzeitliche/völkerwanderungszeitliche Funde zu Tage kamen. Zur Einschätzung, ob hier tatsächlich eine Siedlungskontinuität vorliegt, sind die Indizien noch zu gering. Allerdings bleibt die These, dass ein einstiger Besitzer seine Wertgegenstände etwas abseits der Ansiedlung versteckte, verlockend.

Bezieht man schließlich die kürzlich von F. Ruchhöft geäußerten Überlegungen zur Bedeutung der Peeneregion als Kontaktraum zwischen Skandinavien und Mitteldeutschland während der Völkerwanderungszeit mit ein (Ruchhöft 2016, 37 ff.), so verleiht der Depotfund aus Gützkow diesem Modell weitere Kontur.

Dr. Lars Saalow / Dr. David Wigg-Wolf

Literatur:

Brandt 2005: J. Brandt, Mit fremden Federn geschmückt – Ein germanischer Adelshof bei Kölln, Lkr. Demmin. In: H. Jöns/F. Lüth/T. Terberger (Hrsg.), Die Autobahn A 20 – Norddeutschlands längste Ausgrabung. Archäologische Forschungen auf der Trasse zwischen Lübeck und Stettin. – Archäologie in Mecklenburg-Vorpommern 4, 141–144. Schwerin.

Bursche 2001: A. Bursche, Roman Gold Medaillons as Power Symbols of the Germanic Élite. In: B. Magnus (Ed.), Roman Gold and the Development of the Early Germanic Kingdoms. Aspects of technical, socio-political, socio-ecenomic, artistic and intellectual development, A.D. 1–550. – Symposium in Stockholm 14–16 November 1997, KVHAA Konferenser 51, 83–102. Stockholm.

Kleingärtner 2014: S. Kleingärtner, Die frühe Phase der Urbanisierung an der südlichen Ostseeküste im Frühmittelalter. – Studien zur Siedlungsgeschichte und Archäologie der Ostseegebiete 13. Neumünster.

Leube 2009: A. Leube, Studien zu Wirtschaft und Siedlung bei den germanischen Stämmen im nördlichen Mitteleuropa während des 1. bis 5./6. Jahrhunderts n. Chr. – Römisch-Germanische Forschungen 64. Mainz.

Petrick 2014: B. Petrick, Begehrtes Siedlungsland am Wüstenmarker See – Die mehrphasige Siedlung von Striggow, Lkr. Rostock. In: D. Jantzen/L. Saalow/J.-P. Schmidt (Hrsg.), Pipeline : Archäologie. Ausgrabungen auf den großen Ferngastrassen in Mecklenburg-Vorpommern, 271–276. Schwerin.

Ruchhöft 2016: F. Ruchhöft, Globale Welt der Völkerwanderungszeit – Die S-förmigen Fibeln von Rügen und ihre "Verwandten". Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern, Jahrbuch 64, 23–45.

Schanz 2010: E. Schanz, Blankenförde, Lkr. Mecklenburg-Strelitz, Fpl. 25. In: Kurze Fundberichte 2010. – Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern 58, 329.

Schanz 2011: E. Schanz, Weltzin, Lkr. Demmin, Fpl. 36. In: Kurze Fundberichte 2011. – Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern 59, 381.

Voß 1992: H.-U. Voß, Kaiser- und frühvölkerwanderungszeitliche Gräber aus Leisten, Kreis Lübz, und Grünow, Kreis Neustrelitz. Ein Beitrag zur Besiedlung Mecklenburg-Vorpommerns im 3.–5. Jh. u. Z. – Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern, Jahrbuch 40, 125–186.

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