Der letzte Schliff - Ein "Schleifbahnenstein" aus Pasewalk, Lkr. Vorpommern-Greifswald

Fund des Monats Januar 2020

Abb. 1: Pasewalk, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Die drei parallelen Schleifbahnen zeichnen sich als dunkle Streifen auf der ansonsten rauen Oberfläche des Granitfindlings ab.Details anzeigen
Abb. 1: Pasewalk, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Die drei parallelen Schleifbahnen zeichnen sich als dunkle Streifen auf der ansonsten rauen Oberfläche des Granitfindlings ab.

Abb. 1: Pasewalk, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Die drei parallelen Schleifbahnen zeichnen sich als dunkle Streifen auf der ansonsten rauen Oberfläche des Granitfindlings ab.

Abb. 1: Pasewalk, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Die drei parallelen Schleifbahnen zeichnen sich als dunkle Streifen auf der ansonsten rauen Oberfläche des Granitfindlings ab.

Bei den Grabungen im Verlauf der EUGAL-Trasse dokumentierten Mitarbeiter des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege unter der Leitung von Uwe Weiß bei Pasewalk, Lkr. Vorpommern-Greifswald, mehrphasige Siedlungsspuren und ein Brandgräberfeld der jüngeren Bronze- und frühen vorrömischen Eisenzeit.

Den "gewichtigsten" Fund der Grabung entdeckte Bodo Gulan kurz vor Abschluss der Grabungsarbeiten: Es handelt sich um einen Findling mit drei gut erkennbaren, parallel verlaufenden Schleifbahnen (Abb. 1). Er lässt sich jedoch keinem archäologischen Befund zuweisen, da er nicht mehr in ursprünglicher Lage angetroffen wurde.

Der Granitblock hat eine unregelmäßig ellipsoide Form und misst 1,4 x 1,3 x 1 m. Auf einer Seite sind drei parallele, rechtwinklig zur Langseite verlaufende Schleifbahnen zu erkennen. Sie sind etwa 4 cm tief, 12-18 cm breit und 34-48 cm lang. Der ungewöhnlich feine Schliff ließ vermuten, dass sie nicht natürlich entstanden sind. Die Begutachtung durch Dr. Andreas Börner (Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern, Güstrow) bestätigte die Vermutung: Eine geologische Entstehung der Schleifbahnen ist zweifelsfrei auszuschließen.

Aber wozu diente der Stein? Einiges spricht dafür, dass er zur Bearbeitung von jungsteinzeitlichen Steingeräten genutzt wurde. Die gleichmäßig glatte Abnutzung der Bahnen dürfte beim Schleifen von Beilen aus Flint oder Felsgestein entstanden sein. Da ein Schleifeffekt aber nur bei gerauter Oberfläche eintritt, wurde offenbar immer dann eine neue Schleifstrecke angelegt, wenn die bislang genutzte nicht weiter aufgeraut werden konnte oder sollte. Gleichzeitig dürften die drei Schleifbahnen hingegen nicht genutzt worden sein.

Nicht auszuschließen, aber auch nicht sicher zu belegen ist eine Nutzung des Steins im Kultgeschehen, insbesondere weil er im Gräberfeldareal aufgefunden wurde (Abb. 2), also in einem rituell besetzen Raum. "Heilige Steine mit Rutschbahnen" oder "Schlittersteine" sind aus ethnologischen Überlieferungen bekannt, ihnen wurden heilende Kräfte und bisweilen auch eine Steigerung der Fruchtbarkeit zugeschrieben (Hohberg 2012). Besonders häufig sind solche "Rutschen" im Südtiroler Eisacktal nachgewiesen (siehe Internetadressen unter "Literatur").

Dass Findlinge zumindest während der Bronzezeit in das lokale Kultgeschehen eingebunden waren, zeigt ein anderer Fund aus dem Trassenverlauf der EUGAL. Nur 470 m nördlich war nämlich auf dem Fundplatz Pasewalk 36 ein riesiger bronzezeitlicher Schälchenstein aufgedeckt worden, aus dessen Nähe mehrere Fragmente von Bronzegegenständen stammen (Schmidt/Weiß 2018a; Schmidt/Weiß 2018b).

Zu dem "Schleifbahnenstein" aus Pasewalk gibt es keine gut datierten Vergleichsstücke, so dass nicht nur seine Funktion, sondern auch seine genaue Zeitstellung unklar bleibt. Eine neolithische oder bronzezeitliche Datierung ist aber sicherlich am wahrscheinlichsten. Fakt ist auch, dass der Stein nach seiner Bergung und Dokumentation dem Stadtmuseums Pasewalk übergeben wurde und dort im Außenbereich besichtigt werden kann (Zu Adresse und Öffnungszeiten: pasewalk.de/de/kultur-freizeit/stadtmuseum/).

D. Forler M. A./U. Weiß M. A.

Literatur:

Hohberg 2012: R. Hohberg, Von Drachen, Hexen und verwunschenen Seelen – Thüringen – einfach sagenhaft. Bd. 1, Erfurt 2012, 82.

Schmidt/Weiß 2018a: J.-P. Schmidt/U. Weiß, Stört einmal der Schalenstein, so graben wir ihn einfach ein! – Fund des Monats Januar 2018, www.kulturerbe-mv.de

Schmidt/Weiß 2018b: J.-P. Schmidt/U. Weiß, Der Stein des Anstoßes. – Archäologie in Deutschland 3/2018, 48.

Sommer-Scheffler 2004: M. Sommer-Scheffler, Schälchensteine von der Insel Rügen. – Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern, Jahrbuch 52, 2004, 283–294.

Wegner 1996: G. Wegner: Zeugnisse für Religion und Kult. In: G. Wegner (Hrsg.), Leben - Glauben - Sterben vor 3000 Jahren: Bronzezeit in Niedersachsen. – Beihefte zu Ausstellungen der Abteilung Urgeschichte des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover 7. Oldenburg 1996, 195–218.

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