Slawische Schiffbaukunst - Neues vom Darsser Weststrand

Fund des Monats Juni 2022

Abb. 1: Fischland, Ostsee IV. Das Schiffsteil im flachen Wasser der Ostsee.Details anzeigen
Abb. 1: Fischland, Ostsee IV. Das Schiffsteil im flachen Wasser der Ostsee.

Abb. 1: Fischland, Ostsee IV. Das Schiffsteil im flachen Wasser der Ostsee.

Abb. 1: Fischland, Ostsee IV. Das Schiffsteil im flachen Wasser der Ostsee.

Dem scharfen Blick von Peter Klose ist ein besonderer Fund zu verdanken: Bei einem Spaziergang am Darsser Weststrand entdeckte der Rostocker ein Schiffsteil im flachen Wasser der Ostsee (Abb. 1). Über ein Foto in den sozialen Medien wurde die ehrenamtliche Bodendenkmalpflegerin Annette Weidemann aus Prerow auf den Fund aufmerksam und erstattete Meldung an das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege. Noch am selben Tag konnte das Wrackteil mit tatkräftiger Hilfe der Kurverwaltung Born und der Unterstützung von Annette Weidemann und Peter Klose vom Strand geborgen und zur Dokumentation nach Schwerin gebracht werden (Abb. 2).

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Abb. 2: Fischland, Ostsee IV. 3D-Modell des Schiffsteils während der Bergung.

Das fast 4 m lange Schiffsteil gehört zur Bordwand eines in Klinkerbauweise mit überlappenden Planken gebauten Fahrzeugs. Die elegant geschwungene Form und die Ausrichtung der Laschen, der Verbindungen zwischen den einzelnen Planken, zeigen, dass es sich um die Partie mittig kurz vor dem Achtersteven an der Backbordseite handelt.

Abb. 3: Fischland, Ostsee IV. Detail der Innenseite.Details anzeigen
Abb. 3: Fischland, Ostsee IV. Detail der Innenseite.

Abb. 3: Fischland, Ostsee IV. Detail der Innenseite.

Abb. 3: Fischland, Ostsee IV. Detail der Innenseite.

Obwohl das Schiffsteil aus der Ostsee stammt, sprechen starke Bewuchsspuren und Erosion auf der Innenseite der Planken gegen eine Herkunft aus marinen Sedimenten (Abb. 3). Wahrscheinlich waren die hölzernen Planken mit der Innenseite nach unten in torfigem Sediment unter dem Strandsand begraben, bis sie durch die fortschreitende Erosion am Darsser Weststrand ausgespült und am Strand deponiert wurden.

Abb. 4: Fischland, Ostsee IV. Umzeichnung des 3D-Scans des Schiffsteils.Details anzeigen
Abb. 4: Fischland, Ostsee IV. Umzeichnung des 3D-Scans des Schiffsteils.

Abb. 4: Fischland, Ostsee IV. Umzeichnung des 3D-Scans des Schiffsteils.

Abb. 4: Fischland, Ostsee IV. Umzeichnung des 3D-Scans des Schiffsteils.

Insgesamt sind acht aus Eiche gespaltene Außenplanken in vier Plankengängen erhalten (Abb. 4). Die Plankengänge sind untereinander sorgfältig mit kleinen Holzdübeln befestigt. Viele der Dübel wurden zusätzlich durch kleine Keile vor dem Herausfallen gesichert. Diese Art der Befestigung ist vor allem aus der slawischen Schiffbautradition bekannt und wurde z. B. auch an den in Ralswiek, Lkr. Vorpommern-Rügen, ausgegrabenen Schiffen beobachtet. Spuren von Eisen finden sich lediglich in den Laschen zwischen einzelnen Planken, wo jeweils eine Eisenniete oder ein Eisennagel zur Befestigung genutzt wurde. Die Nähte zwischen den Planken waren mit geteertem Schafs- oder Ziegenhaar gedichtet.

Aufgrund der Nähe zum Achtersteven variieren die Dimensionen der einzelnen Planken stark. Die über die volle Länge von 2,6 m erhaltene vordere Planke im dritten Plankengang von unten hat eine maximale Breite von 25 cm und eine Stärke von 4 cm. Auf einigen Planken zeichnet sich ein aus zwei eingeritzten Linien bestehendes Zierprofil ab, welches auf der Plankeninnenseite unterhalb und auf der Außenseite oberhalb der Holzdübelköpfe verläuft. Das Profil war ursprünglich sicher auf allen Planken vorhanden, ist aber aufgrund von Erosion nur noch schlecht erkennbar. Auf einer zweiendigen Planke, welche den ersten und zweiten erhaltenen Gang vereint und den Anschluss zum Achtersteven bildet, ist der geschwungene Verlauf des zweiten Plankengangs gen Achtersteven durch ein herausgearbeitetes Relief angedeutet. Auch das Zierprofil wurde hier fortgeführt.

Die dendrochronologische Datierung einer Außenplanke ergab ein Fälldatum nach 922 n. Chr. Dieses Datum wurde durch eine C-14 Datierung der fünf äußersten erhaltenen Jahresringe bestätigt.

Insgesamt handelt es sich bei dem Fund um den relativ gut erhaltenen Teil der Bordwand eines großen, sehr sorgfältig gebauten geklinkerten Schiffs mit Merkmalen, die aus der slawischen Bautradition bekannt sind. Der Fund weist starke konstruktive Ähnlichkeiten mit z. B. den Bootsfunden aus Ralswiek auf Rügen auf, war aber, nach Plankenstärke und Form zu urteilen, Teil eines wesentlich größeren, seegängigen Fahrzeugs. Berücksichtigt man die Küstenentwicklung des Neudarss, so lag der Fundort im 9. und 10. Jahrhundert mit großer Wahrscheinlichkeit an der Außenküste. Eine Strandung oder Aufgabe am Strand und eine langsame Verlandung ist eine mögliche Erklärung für die Lage des Schiffsteils.

Dr. Jens Auer

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