Fund des Monats Juni 2025

Spätmittelalterlicher Töpfereiabfall – jetzt auch aus Wismar

Abb. 1: Wismar, Lkr. Nordwestmecklenburg. Scherben der grauen Irdenware, Variante b, mit drei bis fünf Reifen im Schulterbereich.Details anzeigen
Abb. 1: Wismar, Lkr. Nordwestmecklenburg. Scherben der grauen Irdenware, Variante b, mit drei bis fünf Reifen im Schulterbereich.

Abb. 1: Wismar, Lkr. Nordwestmecklenburg. Scherben der grauen Irdenware, Variante b, mit drei bis fünf Reifen im Schulterbereich.

Abb. 1: Wismar, Lkr. Nordwestmecklenburg. Scherben der grauen Irdenware, Variante b, mit drei bis fünf Reifen im Schulterbereich.

Bereits im ältesten Wismarer Stadtbuch von etwa 1250 bis 1271 sind Töpfer (figulus) und allgemeiner formuliert Topfmacher (ollifex) quellenkundlich überliefert. Letztere, unter denen sich sowohl Töpfer als auch Grapengießer befinden können, werden neben etlichen anderen Gewerken als Zahler von Stättegeld aufgeführt (TECHEN 1912, S.154), bei dem es sich um eine Pacht für Verkaufsstätten handelte. Figulus, also dezidiert Töpfer, werden im Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften erwähnt. Namentlich genannt werden die Töpfer Wichmann (TECHEN 1912, Nr. 681, S. 45) und Henricus (TECHEN 1912, Nr. 1103, S. 82). Bis vor einigen Jahren fehlte trotz der zahlreichen archäologischen Untersuchungen in der Hansestadt Wismar ein archäologischer Nachweis des Töpferhandwerks für das späte Mittelalter.

Im Jahr 2020 fanden auf den Grundstücken Turmstraße 23, 25 und 27 in der Hansestadt Wismar im Zusammenhang mit einer Neubebauung umfangreiche Erdarbeiten statt. Parallel dazu führte das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern, Landesarchäologie, archäologische Bergungs- und Dokumentationsarbeiten durch (Grabungsleitung Janin Zorn und Cathrin Patzelt). Als älteste anthropogen beeinflusste Schicht wurde auf der Ausgrabungsfläche ein ehemaliger Humushorizont angetroffen, der das Höhenniveau zu Beginn der spätmittelalterlichen Siedlungstätigkeit kennzeichnet. Die nachfolgende mittelalterliche Nutzung war überwiegend von Schichten zur Geländeerhöhung geprägt. Aus den stratigrafisch ältesten Horizonten stammt an gut datierbarer Keramik hauptsächlich einheimische graue Irdenware der Variante b nach SCHÄFER 1997. Importkeramik wird durch wenige Faststeinzeugscherben repräsentiert. So kam graues Fastststeinzeug der Variante b und rotes Faststeinzeug mit grauer Brennhaut zu Tage. Ebenfalls zur Importkeramik gehört eine singuläre Scherbe aus gemagertem Steinzeug Siegburger Art. Aufgrund des vorliegenden Keramikspektrums ist die Akkumulation der frühen Nutzungshorizonte in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts bis um 1250/55 zu datieren.

Aus Erhöhungsschichten und Gruben, die dem Gartenlandhorizont unmittelbar nachfolgten, stammt ein Konvolut von Töpferabfall. Dies umfasst Gefäßreste der grauen Irdenware, Variante b. In den meisten Fällen handelt es sich um Fragmente von Kugeltöpfen, wobei neben Gefäßen mit glatter Schulterpartie auch solche mit Schulterriefen (Abb. 1 und 2) vorliegen. Daneben kommen einige rollstempelverzierte Rand- und Wandungsscherben vor (Abb. 3 und 4). Vereinzelt existieren Bodenscherben mit Standlappen, während Hinweise auf flache Böden vollständig fehlen. Handhaben lassen sich in Form von teilweise verzierten Bandhenkeln nachweisen.

In Bezug auf die Feinstratigraphie ist von Bedeutung, dass aus den ältesten Befunden Fragmente von Kugeltöpfen vorliegen, die auf der Schulter nur drei bis fünf Riefen aufweisen (Abb. 1). Diese sind neben solchen mit einem glatten Schulterbereich typisch für den Keramikhorizont B1, der die erste Hälfte des 13. Jahrhundert umfasst (SCHÄFER 1997, S. 310). Chronologisch etwas jünger sind Scherben von Kugeltöpfen aus stratigrafisch nachfolgenden Befunden. Diese besitzen im Schulterbereich bis zu sieben Riefen (Abb. 2) und sind dem Keramikhorizont B2 (um 1250/55) zuzuweisen (SCHÄFER 2021, S. 91, S. 112; Abb. 21, S. 101; Abb. 30, S. 128).

Unklar bleibt der Standort einer Töpferwerkstatt, da der vorliegende Töpferabfall mit der Akkumulation von Erhöhungsschichten bzw. der Verfüllung von Gruben abgelagert wurde. Bislang existieren keine Nachweise von Brennöfen oder Abfallgruben, in denen nur Töpferabfall entsorgt wurde. Damit fehlen Hinweise, die einen Töpfer unmittelbar auf den untersuchten Grundstücken vermuten lassen. In diesem Fall wären Produktionsabfälle in wesentlich umfangreicherer Menge zu Tage gekommen. Die geborgenen Keramikscherben verteilten sich, vergesellschaftet mit Gebrauchskeramik, in stratigraphisch aufeinanderfolgenden Schichten und Gruben. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass der aufgefundene Töpferabfall von anderer Stelle dorthin verbracht wurde.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass mit dem vorgestellten Material nun erstmals ein archäologischer Nachweis für das Töpferhandwerk in der ersten Hälfte/Mitte des 13. Jahrhunderts in Wismar vorliegt. Gleichzeitig kann damit eine Verbindung zwischen archäologischen Quellen und den im ältesten Wismarer Stadtbuch schriftlich überlieferten Töpfern hergestellt werden.

Dipl.-Geogr. Peter Kaute

Literatur

SCHÄFER 1997
Heiko Schäfer: Zur Keramik des 13. bis 15. Jahrhunderts in Mecklenburg-Vorpommern. In: Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern, Jahrbuch 44, 1996, Lübstorf 1997, S. 297–335.

SCHÄFER 2021
Heiko Schäfer: Hansestadt Greifswald – Archäologische Untersuchungen in den Hofbereichen der Grundstücke Steinbeckerstraße 26 und 27. In: Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern, Jahrbuch 67, 2019. Schwerin 2021, S. 69–155.

TECHEN 1912
Friedrich Techen: Das älteste Wismarsche Stadtbuch von etwa 1250 bis 1272. Wismar 1912.

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