Cold case Melz: Nach 55 Jahren aufgeklärt?

Fund des Monats Dezember 2025

Abb. 1: Melz, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte. Gesamtansicht des Hortfundes. Bei genauem Hinsehen sind die beiden „kopflosen“ Schäfte zu erkennen.Details anzeigen
Abb. 1: Melz, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte. Gesamtansicht des Hortfundes. Bei genauem Hinsehen sind die beiden „kopflosen“ Schäfte zu erkennen.

Abb. 1: Melz, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte. Gesamtansicht des Hortfundes. Bei genauem Hinsehen sind die beiden „kopflosen“ Schäfte zu erkennen.

Abb. 1: Melz, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte. Gesamtansicht des Hortfundes. Bei genauem Hinsehen sind die beiden „kopflosen“ Schäfte zu erkennen.

Der Hortfund von Melz, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, gehört zu den größten archäologischen Schätzen Mecklenburg-Vorpommerns. Seit 2015 ist er als Leihgabe im Moesgaard Museum in Dänemark ausgestellt, wo das Ensemble aus mehreren Stabdolchen und einer geschäfteten Randleistenaxt jedes Jahr von mehreren hunderttausend Menschen bewundert wird. 2024 war der Fund außerdem in einer Sonderausstellung in Alicante (Spanien) zu sehen.

Diese Karriere als Kulturbotschafter des Landes Mecklenburg-Vorpommern war bei der Entdeckung 1970 noch nicht vorherzusehen. Überhaupt war es nur glücklichen Umständen zu verdanken, dass der Fund entdeckt und geborgen wurde (vgl. Fund des Monats Juni 2024). Genauso gut hätte er aus der Baggerschaufel unbemerkt wieder in der Tiefe des Meliorationsgrabens verschwinden können.

Glücklicherweise kam es anders. Das ist vor allem dem Baggerfahrer zu verdanken, der die Fundstücke bemerkte und ihren Wert erkannte, und den ehrenamtlichen Bodendenkmalpflegern Walter Karff und Hans Feicht, die die Fundstelle dokumentierten und akribisch nach weiteren Fundstücken absuchten. 1970 standen ihnen dafür natürlich noch keine Metalldetektoren zur Verfügung, und so blieb trotz aller Akribie unsicher, ob nicht doch einzelne Bruchstücke im matschigen Boden übersehen worden waren. Anhaltspunkte dafür gab es durchaus, denn zum Fund gehören außer sechs vollständigen Stabdolchen auch zwei „kopflose“ Schäfte (Abb. 1).

Für die Interpretation von Hortfunden ist es nicht unerheblich, wie sie niedergelegt wurden: Ob geordnet oder ungeordnet, ob vollständig oder unvollständig („pars pro toto“), ob intakt oder absichtlich beschädigt. In Melz deuten die Beschreibungen der Fundumstände darauf hin, dass die Stabdolche geordnet niedergelegt wurden, Schäfte und Köpfe zwar getrennt, aber jeweils ordentlich gebündelt. Vor der Niederlegung waren die Köpfe von den Schäften abgebrochen worden, die Stabdolche gelangten also absichtlich beschädigt in den Boden. Offen blieb die Frage nach der Vollständigkeit.

Sowohl von amtlicher als auch von ehrenamtlicher Seite wurde die Fundstelle deshalb immer wieder abgesucht, ab den 1990er Jahren zunehmend öfter mit Metalldetektoren. Dasselbe passierte sicherlich auch von illegaler Seite. Nicht ohne Grund stehen Metalldetektoren in dem Ruf, für Plünderungen und Raubgrabungen verwendet zu werden. Prominente Fundorte wie Melz dürften dabei besonders im Fokus gestanden haben. Da jedoch nichts über illegale Funde verlautete und die legale Suche erfolglos blieb, hatte sich die Fachwelt damit abgefunden, die Frage nach den beiden fehlenden Stabdolchköpfen nicht beantworten zu können. Der Hortfund von Melz blieb ein „cold case“.

Am 24. September 2025 nahm der Fall nun eine unerwartete Wendung: Bei einer systematischen Begehung entdeckte der angehende ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger Thomas Pfeiffer zwei Stabdolchköpfe und eine Schaftkopfhaube in der Pflugschicht, nicht weit von der Stelle, an der der Fund vor 55 Jahren in das Messtischblatt 1:25.000 eingetragen worden war (Abb. 2).

Der erste von Thomas Pfeiffer entdeckte Stabdolchkopf (Abb. 3) ähnelt fünf der bereits aus Melz bekannten Köpfe. Ulrich Schoknecht hat sie in seiner Publikation des Fundes 1971 als Variante 2 bezeichnet. Teile des oberen Abschlusses („Schaftkopfhaube“) sind abgebrochen, ebenso die Klinge und einer der Buckel. Aus der Wandung oberhalb der Buckel und am Schäftungsansatz ist jeweils ein Stück herausgebrochen. Der Schäftungsansatz ist unterhalb eines Rippenbündels glatt und erst wieder am Ende mit einem flachen Randwulst versehen. An der Bruchfläche der Klinge ist ein großer Lunker, ein beim Guss entstandener Hohlraum, erkennbar (Abb. 4). An der Bruchfläche der Schaftkopfhaube ist ebenfalls ein Hohlraum erkennbar, der jedoch mit einer dunklen Masse gefüllt ist. Es handelt sich eventuell um Sediment oder um Reste des Gusskerns. Im Inneren des Schaftkopfes sind größere Reste des Holzstabes erhalten, der die Verbindung von Schaft und Kopf stabilisierte (Abb. 5).

Der zweite Stabdolchkopf (Abb. 6) entspricht genau der Variante 2 nach Schoknecht 1971 und ergänzt damit die fünf bereits aus Melz bekannten Köpfe dieser Variante. Die Schaftkopfhaube ist abgebrochen, ebenso die Klinge und einer der Buckel. Der Schäftungsansatz ist kurz und glatt. Im Inneren des Schaftkopfes sind Reste des Holzstabes erhalten. Die Schaftkopfhaube liegt als separates Fundstück vor (Abb. 7).

Bis auf die mechanischen Beschädigungen, von denen sich nicht sagen lässt, wann sie entstanden, sind die neuen Fundstücke sehr gut erhalten. Die Oberfläche zeigt einige Kratzer, aber keine aggressive Korrosion. Die Patina ist dünn und gleichmäßig, was auf eine hohe Qualität der Bronze und ein gutmütiges Bodenmilieu schließen lässt. Die Holzreste eröffnen die Chance, die Stabdolche von Melz noch einmal mit modernen Methoden zu datieren. Proben sind bereits zur C14-Datierung unterwegs.

Durch die neuen Funde ist nun klar, dass der Fund 1970 nicht vollständig geborgen wurde. Zwei Stabdolchköpfe waren an der Fundstelle geblieben, wurden offenbar mit dem Baggergut ausgebreitet und beim Pflügen über 55 Jahre hin und her bewegt. Aber ist der Fund nun vollständig? Auf den ersten Blick scheint das der Fall zu sein: Zwei Köpfe fehlten, zwei Köpfe sind nun gefunden worden. Doch es ist nicht sicher, ob die beiden Köpfe wirklich an die beiden „kopflosen“ Schäfte passen. Das gilt übrigens auch für die 1970 gefundenen Schäfte und Köpfe. Ulrich Schoknecht schrieb 1971, dass sich nur zwei Köpfe und Schäfte sicher einander zuordnen lassen. Das liegt daran, dass die Verbindungen von Schäften und Köpfen vor der Niederlegung mehr oder weniger vollständig zerstört wurden.

Eine endgültige Aufklärung des „cold case“ Melz ist unter diesen Umständen eher unwahrscheinlich. Die neuen Funde zeigen aber: Es lohnt sich auch 55 Jahre nach der Entdeckung, weiter an dem Fall zu arbeiten.

Dr. Detlef Jantzen

Literatur

Schoknecht 1971: Ulrich Schoknecht, Ein neuer Hortfund von Melz, Kreis Röbel, und die mecklenburgischen Stabdolche. – Bodendenkmalpflege in Mecklenburg, Jahrbuch 1971, 223–253.

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